Diversity-Workshop: Bundeswehr sollte Vorbild sein
Berlin. Selten hat ein Workshop der Bundeswehr bereits im Vorfeld so sehr die Gemüter erhitzt. Während dieser als „Sex-Seminar der Bundeswehr“ in der Boulevardpresse bezeichnet wurde, führte die Öffentlichkeit die Diskussion darüber, ob das Thema „Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr“ angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen in der Welt tatsächlich momentan so viel Aufmerksamkeit benötigt oder die Prioritäten der Bundesministerin falsch gesetzt sind.
Befürworter der Veranstaltung sehen sich allein anhand dieser Reaktionen auf die Ankündigung des Workshops – und nicht zuletzt auch aufgrund der zwischenzeitlich bekannt gewordenen mutmaßlichen Vorgänge in Pfullendorf – darin bestätigt, dass das Gegenteil der Fall ist und eine Auseinandersetzung mit dem Thema dringend geboten ist.
Auch der DBwV selbst hat bereits mehrere Tagungen zu dem Thema durchgeführt, allein im letzten halben Jahr mit einer zweitätigen Diversity-Tagung mit hochkarätigem Publikum sowie eine Tagung mit Heeressoldatinnen. Der Grund ist relativ simpel: Diversität ist für einen so großen Arbeitgeber wie die Bundeswehr unerlässlich und eine große Chance, funktioniert aber nur, wenn Toleranz und Verständnis für einander herrscht.
In der Bundeswehr funktioniert Diversity in vielen Bereichen schon ziemlich gut. Da es aber ein langer Prozess ist, der sich auch immer wieder an aktuelle Entwicklungen anpassen muss, gibt es noch immer Punkte, die verbessert werden können und müssen. Es geht immer noch besser. Aufklärung, Diskussion, das Aufdecken von Missständen – nur so funktioniert Inklusion, nur so kann die Bundeswehr ihrer Vorbildfunktion auch dauerhaft gerecht werden, nur so kann die Personalstrategie und die Vorgaben aus dem Weißbuch solide umgesetzt werden.
Mehrere hundert geladene Gäste lauschten am 31. Januar in der Kalkscheune der Eröffnungsrede der Bundesverteidigungsministerin von der Leyen. Sie sagte: „Der Workshop soll zum Hinhören und offenem Sprechen motivieren“, denn „das beste Material und das stärkste Bündnis ist ohne den Menschen dahinter sinnlos“.
In verschiedenen Workshops, denen auch Frau Hauptmann Petra Böhm, stellvertretende Vorsitzende Sanitätsdienst und zuständig für Diversity im DBwV, beiwohnte, tauschten sich die Teilnehmer schließlich in offener und kritischer Atmosphäre über persönliche Erfahrungen, Problemlagen und Lösungsstrategien aus. So berichtete der Vorsitzende des Arbeitskreises Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr e.V., Hauptmann Marcus Otto, über sein Outing in der Bundeswehr und über die Arbeit seines Verbandes.
Auch Frau Oberstleutnant i.G. Anastasia Biefang erzählte ihre Geschichte als Transgender. Eben solche Geschichten waren es, welche den Workshop zu einem besonderen gemacht haben: offenherzig, ernsthaft, aber nicht verbissen zeigten all die kleinen und großen Berichte, dass hinter jeder Geschichte ein Mensch steckt und das es am Ende egal sein sollte, welche sexuelle Orientierung oder Identität dieser Mensch hat.
Was sowohl in der Workshop-Phase als auch in der anschließenden Podiumsdiskussion mit verschiedenen Diversity-Experten, unter anderem den zweiten stellvertretenden Bundesvorsitzenden des DBwV, Hauptmann Andreas Steinmetz, deutlich wurde, ist der Bedarf an weiterer Aufklärung, wie sie im Lebenskundlichenunterricht schon geschieht.
Wichtig wäre mehr Vertrauen in den Dienstweg, die Beteiligungsorgane und eine gelebte Fehlerkultur ohne Angst. Deutlich wurde auch die Rolle von Vorbildern für Diversity Management: nicht nur Betroffene sind wichtig, sondern auch andere, die sich öffentlich gegen Diskriminierung jeder Art aussprechen. Die Bundeswehr kann insofern eine Vorbildfunktion einnehmen und mit gutem Beispiel vorangehen. Zu Recht aber mahnte Steinmetz an: „Am Ende handelt es sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe, die in der Verantwortung jedes einzelnen liegt.“