Die Uhr tickt
Wie steht es um die Demokratie in Deutschland im Januar 2024? Ist die Gesellschaft wehrhaft und resilient gegenüber inneren und äußeren Bedrohungen? Fragen, die im Mittelpunkt einer Debatte auf der Handelsblatt-Konferenz „Sicherheit und Verteidigung" in Berlin standen. Mit dabei: der Bundesvorsitzende, Oberst André Wüstner.
Berlin. Hunderttausende Menschen gehen in diesen Wochen auf die Straße, demonstrieren gegen Extremismus, setzen eindrucksvolle Zeichen für die Demokratie, die sie beschützen wollen. Wirft man aber einen Blick ins Netz, gewinnt man in diesen Tagen den Eindruck, dass einem noch mehr kaum gefilterter Hass, Hetze und Falschinformationen entgegenströmen.
Für Oberst André Wüstner ist es zunächst sehr positiv, dass sich so viele Menschen in Deutschland mobilisieren, um ihrem Standpunkt Gewicht zu verleihen. „Wir haben erlebt, dass sich etwas tut. Die Menschen gehen auf die Straße, reden und denken darüber nach, was Demokratie ausmacht.“ Der Bundesvorsitzende sieht die Chance, dass sich die Gesellschaft mit der Demokratie, aber auch mit den Kernaufgaben des Staates auseinandersetzt: innere und äußere Sicherheit.
Es geht darum, die jungen Menschen zu erreichen
Dabei geht es vor allem darum, junge Menschen zu erreichen – um sie dann auch gegebenenfalls für einen Einstieg in die Bundeswehr zu gewinnen, denn die Nachwuchsgewinnung bleibt ein zentrales Problem der Streitkräfte. An diesem Punkt war es klar, dass in der Runde mit den Bundestagsabgeordneten Serap Güler (CDU) und Johannes Arlt (SPD) sowie der Bundesvorsitzenden der Jungen Liberalen Franziska Brandmann auch das Thema Wehrpflicht zur Sprache kommt.
„In den vergangenen Jahren haben wir in Wehrpflichtdebatten immer wieder gehört: Das passt nicht in die Zeit aufgrund der sicherheitspolitischen Lage. Jetzt könnte man sagen: Wehrpflicht passt in die Zeit“, sagte Oberst Wüstner. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht werde nicht vom Deutschen BundeswehrVerband gefordert, dennoch sei es gut, dass jetzt über verschiedene Optionen geredet wird, etwa über das sogenannte schwedische Modell.
„Beim schwedischen Modell geht es darum, eine Musterung durchzuführen und dabei auch über den Staat und über Sicherheitsthemen zu informieren“, sagte der Bundesvorsitzende. Nur ein Teil der jungen Menschen wird dann tatsächlich zum Dienst an der Waffe herangezogen, in der Regel auf freiwilliger Basis. Wüstner stellte den Vorteil dieses Systems heraus: „Allein die Befassung mit diesem Impuls löst etwas aus, nämlich dass sich Menschen damit auseinandersetzen: mit Staat, mit Streitkräften.“
Viel Potential an den Schulen
Ein weiteres schwieriges Thema: die Bundeswehr an den Schulen. Wüstner sieht dort noch „Unmengen an Potential“, etwa bei der Möglichkeit, junge Menschen über Studienmöglichkeiten bei der Bundeswehr zu informieren. Aktuell findet so eine Information allerdings nur selten statt, in Baden-Württemberg ist sie sogar verboten. „Ich hoffe, dass man auch den Punkt in der Kultusministerkonferenz aufgreift. Wir reden seit einem Jahr darüber, und es passiert nichts“, konstatierte Wüstner.
Den steigenden Bedarf an Menschen für die Wahrnehmung der Landes- und Bündnisverteidigung soll zumindest zum Teil auch die Reserve auffangen – doch auch hier ist die Personallage alles andere als rosig. Wüstner: „Wir brauchen auch da einen bestimmten Output an Zeitsoldaten, die dann in die Reserve gehen. Auch da brauchen wir Antworten.“ Und dies möglichst schnell, mahnte der Bundesvorsitzende: „Denn die Uhr tickt.“
Am Rande der Handelsblatt Konferenz hat sich Oberst André Wüstner im Interview zur Zeitenwende, zu Wehr- und Wahrhaftigkeit und zur Wehrpflicht geäußert: