Die Integration Europas ist ein Muss
Aktueller könnte das Thema einer sicherheitspolitischen Veranstaltung kaum sein: Über den maritimen Beitrag zur sicherheitspolitischen Diskussion sprachen rund 160 Teilnehmer aus Militär, Politik, Wissenschaft und Medien im Rathaus Rostock. Sie waren zur 15. Auflage des Kolloquiums gekommen, das traditionsgemäß zum Auftakt der Hanse Sail im Rostocker Rathaus stattfindet. Neben dem Piraterie-Problem beherrschten Migration und Seenotrettung, aber auch die strategischen Herausforderungen in Osteuropa die Beiträge und Debatten.
Welchen Stellenwert Seesicherheit und maritime Aspekte im Weißbuch 2016 haben sollten, schilderte Staatssekretär Markus Grübel. Grübel skizzierte zunächst die komplexer gewordenen Bedrohungen. Dabei stehe die Bundeswehr meist sehr schnell im Blickpunkt. Ob Migrationsströme oder die Bekämpfung der Ebola-Pandemie: „Alle rufen nach der Bundeswehr.“ Ein wichtiger Aspekt sei die Sicherung der Handelswege. „Allein aus wirtschaftlichen Gründen ist Sicherheit auf See für uns von überragender Bedeutung.“
Ein alter Hut: Bündelung der Kräfte durch eine stärkere europäische Zusammenarbeit. Die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Kooperation skizzierte Vizeadmiral Rainer Brinkmann, Stellvertreter des Inspekteurs der Marine. Die sicherheitspolitischen Probleme seien durch die Globalisierung vielfältiger geworden, sagte Brinkmann. Einzelstaaten könnten diesen Gefahren nicht mehr begegnen. Seine Schlussfolgerung: „Die Integration Europas ist kein Konjunktiv, sie ist ein Imperativ.“ Hier sei die maritime Komponente sehr wichtig: „Man sieht auf drei Seiten Wasser, wenn man aus dem europäische Haus nach draußen schaut.“
Fregattenkapitän Marco Thiele, Vorsitzender Marine im BundeswehrVerband würdigte in seiner Einführung die Leistungen der Marinesoldaten, etwa bei der Operation Atalanta. Allerdings ließen sich durch den Einsatz nur die Symptome bekämpfen, nicht die Ursachen. Vizeadmiral Andreas Krause, Inspekteur der Marine und wie der Rostocker Oberbürgermeister Roland Methling Schirmherr der Veranstaltung, sieht ein „erwachendes maritimes Bewusstsein“. Er sprach sich dafür aus, die europäische Zusammenarbeit weiter zu verstärken. Bis zu einer „europäischen Marine“ sei der Weg jedoch noch lang.
Auch der Bundestagsabgeordnete Ingo Gädechens stellte fest, dass die Welt nach dem Ende des Ost-West-Konflikts keineswegs friedlicher geworden sei. „In vielen Fällen funktionierten ziviles Konfliktmanagement und Krisenprävention nicht mehr. Den Marinesoldaten sprach der Parlamentarier die Anerkennung aus. „Den persönlichen Einsatz der Soldaten kann die Politik gar nicht hoch genug bewerten.“
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, verwies auf die sich stetig ändernde strategische Lage. „Wir müssen etwa zur Kenntnis nehmen, dass Verteidigung im Bündnis wieder zu den Kernaufgaben der Bundeswehr gehört.“ Angesichts dieser Lage werde man ein bisschen mehr Geld im Verteidigungshaushalt brauchen. Das Verteidigungsministerium müsse aber auch sagen, wofür es das Geld ausgeben wolle.
Patricia Schneider vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg beschäftigte sich ausführlich mit der Piraterie. Die Zahl der Angriffe habe deutlich abgenommen: von 445 im Jahre 2010 auf lediglich noch 245 im vergangenen Jahr. Dennoch sei die Gefahr noch groß, auch weil sich die Schwerpunkte verlagerten, etwa nach Asien.
Flottillenadmiral Thorsten Kähler, Chef des Stabes Marinekommando, steckte die Möglichkeiten und Grenzen der europäischen Marinen bei der Bekämpfung der Piraterie und Schleuserkriminalität ab. Die Piraterie am Horn von Afrika sei durch Atalanta nicht beseitigt, sondern nur mit hohem Aufwand erfolgreich unterdrückt worden. Was die Bekämpfung der Schleuser angehe, fehlten noch eine UN-Resolution und die Zustimmung der Küstenländer.
Anne Koch von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin widmete sich dem Thema Migration und Flüchtlingspolitik. Um das Problem zu lösen, müsse ein umfassender wirtschafts- und entwicklungspolitischer Ansatz her. Europa müsse sich jedoch darauf einrichten, dass Armutsmigration und Flüchtlingsströme ein dauerhaftes Problem bleiben.
Am Rande der Veranstaltung hatte DBwV-Chef Oberstleutnant André Wüstner Gelegenheit, einige informative Gespräche zu führen, etwa mit dem Wehrbeauftragten und dem Inspekteur Marine.