Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels bei der Vorstellung des Jahresberichts Foto: DBwV/Hepner

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels bei der Vorstellung des Jahresberichts Foto: DBwV/Hepner

20.02.2018
mkl/fvk

Bericht des Wehrbeauftragten: Große Lücken, zu viele Aufgaben

Berlin. Die Dramaturgie war perfekt, wenn man das bei diesem traurigen Thema überhaupt so sagen kann: Erst am Montag  war bekannt geworden, dass der Bundeswehr für Nato-Verpflichtungen im Jahr 2019 nicht nur Panzer, sondern auch Schutzwesten, Winterbekleidung und Zelte fehlen. Ein Desaster für die Planer bei der Truppe, soll diese doch bis 2020 ausgerechnet in der NATO-Speerspitze VJTF, der „schnellen Eingreiftruppe“, eingesetzt werden.

Der Rahmen war also gesetzt für den Jahresbericht, den der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels nur einen Tag später der Öffentlichkeit vorstellte. Und so viel sei schon vorab verraten: Es wurde eine sehr kritische Bilanz, in der der SPD-Politiker die schleppende Umsetzung der Trendwenden anmahnte und eine neue „Trendwende Tempo“ forderte.

Schwerpunkte des Berichts (hier komplett als PDF zum Nachlesen) sind die großen Lücken bei Personal und Material in allen Bereichen. Zugleich lobte Bartels ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit dem Deutschen BundeswehrVerband. Kein Wunder, schließlich liegt der Wehrbeauftragte mit seiner Beurteilung in weiten Teilen genau auf der Linie des DBwV!

120 Seiten umfasst der diesjährige Bericht, am häufigsten beschwerten sich die Soldaten demnach über zu viel Bürokratie, zu viel Fremdbestimmung, zu viel Verantwortungsdiffusion, zu viel „Melden macht frei“ und zu viel Absicherungsdenken. Daher fordert Bartels, der schleichenden Tendenz zur Aushöhlung der persönlichen Führungsverantwortung immer wieder bewusst entgegen zu steuern.

Überhaupt nimmt das Thema Innere Führung einen breiten Raum ein. Der Wehrbeauftragte geht detailliert auf medial besonders präsente Fälle wie Franco A., die angeblichen Skandale in Pfullendorf und den tödlichen Ausbildungsmarsch in Munster ein. Sein Fazit: Die Aufklärung sei durch das Ministerium zwar unverzüglich in Gang gesetzt worden, die Art und Weise aber habe zu einer spürbaren Verunsicherung geführt.

Besonders in der Kritik: die „Stubendurchgänge“, durch die sich viele Soldaten „unter Generalverdacht“ sahen. Hieran angelehnt kritisiert Bartels auch, dass die Debatte zur Tradition der Bundeswehr öffentlich fast unbemerkt und in erster Linie von Experten innerhalb der Truppe geführt wurde.

Klar fällt auch Bartels Kritik an der finanziellen Ausstattung der Bundeswehr aus. Die mit dem 51. Finanzplan vorgesehenen Gelder reichten allenfalls aus, um Kostensteigerungen bei Gehältern, Materialerhaltung und Betriebskosten auszugleichen, sie ließen aber wenig Spielraum für eine substanzielle Verbesserung bei den Rüstungsinvestitionen. Um die Trendwenden zu finanzieren, seien vielmehr signifikante steigende Verteidigungsausgaben notwendig. Die NATO-Vereinbarungen und PESCO-Ziele sind so nicht erreichbar – auch auf diesen Umstand weist der DBwV immer wieder hin.

Beurteilung der Trendwenden


Bei den eingeleiteten Trendwenden sieht er im Bereich Personal zwar Fortschritte, diese ändern aber nichts an den großen Lücken bei der Personalausstattung, die zu „Überlast und Frustration“ führen. Sie bleibt weiterhin extrem angespannt. Im Bericht ist die Rede von 21.000 vakanten militärischen Dienstposten oberhalb der Mannschaftsebene. Zudem werden rund 42.500 Soldaten nicht auf regulären Dienstposten eingesetzt.

Die Trendwende Material beurteilt Bartels äußerst kritisch. „Zum Jahresende waren 6 von 6 deutschen U-Booten außer Betrieb. Zeitweise flog von mittlerweile 14 in Dienst gestellten Airbus A-400M-Maschinen keine einzige. Eurofighter, Tornado, Transall, CH-53, Tiger, NH-90 - die fliegenden Verbände beklagen zu recht, dass ihnen massiv Flugstunden für die Ausbildung der Besatzungen fehlen, weil zu viele Maschinen an zu vielen Tagen im Jahr nicht einsatzklar sind“, so der Wehrbeauftragte. Bei der Marine ergebe sich ein ähnliches Bild.  Die Einsatzbereitschaft sei „nicht besser, sondern tendenziell noch schlechter“ geworden, so Bartels.

Auch die weiter benannten Probleme sind nicht neu: Fehlen von Ersatzteilen, fehlende Austauschmöglichkeit von Komponenten bei unterschiedlichen Systemen, Auslagerung der Instandhaltung vieler Komponenten auf externe Dienstleister und damit Verlust bundeswehrinterner Fähigkeiten.

Bartels: „Für Regierung und Parlament wird es wichtig sein, künftig darauf zu achten, dass neue Waffensysteme, wie es technisch heißt, ,versorgungsreif´ bestellt werden, also einschließlich Ersatzteilen, Prüfgeräten, Simulatoren und Ausbildungsperipherie. In ausreichender Stückzahl. Das wäre dann teurer, aber funktioniert besser.“ Als kurzfristige Lösung schlägt Bartels einzelne „Fast-Track“-Projekte vor, die „besonders liebevoll“ und zügig gemanagt werden könnten. Sein Fazit: „Die proklamierten Trendwenden für Personal, Material und Finanzen sind unbedingt zu begrüßen. Nur macht die Proklamation allein noch nichts besser.“

Einsatz und Bündnis


Aus aktuellem Anlass nimmt auch das Thema Einsätze und Verpflichtungen großen Raum ein. Während die Zahl der Soldaten in mandatierten Einsätzen nahezu konstant geblieben ist, ist das Engagement der Bundeswehr in einsatzgleichen Verpflichtungen deutlich gestiegen. Bartels gibt zu bedenken: „Die immer noch kleinste Bundeswehr aller Zeiten hat heute nicht nur eine Hauptaufgabe, wie dies in der Epoche vor 1990 die kollektive Verteidigung war oder in der Ära nach 1990 die Auslandseinsätze außerhalb des Bündnisgebietes. Die Bundeswehr muss heute vielmehr beiden Aufgaben als gleichwertigen Hauptaufgaben gerecht werden, das heißt: weiterhin 13 mandatierte Auslandseinsätze von Mali bis Afghanistan und gleichzeitig die Beteiligung an der kollektiven Verteidigung in Europa mit der VJTF, der NRF, den ständigen Nato-Flottenverbänden, dem Air Policing im Baltikum und dem Nato-Bataillon in Litauen.“ Daher komme es zwangsweise zu einer „Überlast“.

Der DBwV begrüßt die klare Sprache im Bericht des Wehrbeauftragten ausdrücklich! Viele der genannten Probleme haben wir schon vor Jahren angesprochen, wichtige Veränderungen haben wir mit unserer Kampagne „Schlagkräftige Bundeswehr 2020“ bereits erreicht. Es muss aber auch ganz klar gesagt werden: Wer jetzt überrascht ist von den schlechten Nachrichten in den Medien zur Einsatzbereitschaft oder der deutlichen Kritik des Wehrbeauftragten, hat in der jüngeren Vergangenheit nicht richtig zugehört! Viele Entwicklungen, die jetzt eskalieren, hat der Wehrbeauftragte in seinem jährlichen Bericht und sogar im Detail schon lange kommen sehen. Der DBwV unterstützt den Wehrbeauftragten auf ganzer Linie, damit sein diesjähriger Bericht auch als das verstanden wird, was er sein muss: ein Weckruf, der auch verstanden wird!

Den kompletten 59. Jahresbericht des Wehrbeauftragten gibt es hier als PDF.

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