Oberst André Wüstner machte in der Anhörung deutlich, dass der BundeswehrVerband noch Verbesserungspotential beim „Artikelgesetz Zeitenwende“ sieht. Foto: DBwV/Sarina Flachsmeier

Oberst André Wüstner machte in der Anhörung deutlich, dass der BundeswehrVerband noch Verbesserungspotential beim „Artikelgesetz Zeitenwende“ sieht. Foto: DBwV/Sarina Flachsmeier

17.12.2024
DBwV

Anhörung zum „Artikelgesetz Zeitenwende“ im Bundestag - Bundesvorsitzender streitet für attraktiven Dienst und Einsatzversorgung

Es war ein historischer Tag, an dem die öffentliche Anhörung des Verteidigungsausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur weiteren Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft und zur Änderung von Vorschriften für die Bundeswehr“, dem sogenannten „Artikelgesetz Zeitenwende“, stattfand. Olaf Scholz war zuvor das Vertrauen als Bundeskanzler entzogen worden, die Abgeordneten machten damit den Weg frei für vorgezogene Neuwahlen.

Doch der Parlamentsbetrieb bleibt davon erstmal unberührt, die Mitglieder des Bundestages bleiben im Amt, bis sich der nächste Bundestag konstituiert hat. Das Artikelgesetz Zeitenwende kann daher noch vom aktuellen Bundestag beschlossen – und wenn es nach dem DBwV geht – auch verbessert werden. Dass der Gesetzentwurf schon die erste Lesung hinter sich hat, dass die Anhörung stattfand, ist aus Verbandssicht sehr erfreulich und auch Ergebnis unermüdlicher Lobby-Arbeit. Jetzt wird es darauf ankommen, dass es schnell und noch vor der Bundestagswahl verabschiedet wird.

Oberst André Wüstner, Bundesvorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbandes, war als Sachverständiger in den Verteidigungsausschuss geladen. Die Verteidigungspolitiker wollten wissen, wie der Verband zu dem Gesetzesvorhaben steht. Neben dem Bundesvorsitzenden waren u.a. Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres, Brigadegeneral Christoph Huber, Kommandeur der Panzerbrigade 45, aber auch Dr. Gerd Landsberg, ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und heute Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung, Andreas Eggert vom Bund Deutscher EinsatzVeteranen sowie Prof. Dr. Carlo Masala als Experten vor Ort.

Bundesvorsitzender spricht Klartext

Wüstner beschönigte den Zustand der Bundeswehr nicht, sondern sprach Klartext. Die Bundeswehr sei in Anlehnung an das berühmte Zitat von Generalleutnant Mais trotz aller Anstrengungen „blanker als blank“. Die Bundeswehr müsse „in allen Dimensionen schneller und substanzieller verteidigungsfähig werden“, sagte der Bundesvorsitzende deutlich. Mit Blick auf den Bereich Personal sagte er: „Das Artikelgesetz beinhaltet wichtige Instrumente zur Personalgewinnung und -bindung, Verbesserungen der sozialen Rahmenbedingungen, darunter wesentliche Neuregelungen für die in der Aufstellung befindliche Brigade Litauen.“

Konkret kritisierte Wüstner die Erhöhung des Ausnahmetatbestandszuschlags (ATZ). Diese sei zwar überfällig und grundsätzlich richtig, aber: sie „kompensiert nicht einmal den inflationsbedingten Kaufkraftverlust“, so der Bundesvorsitzende. Vor dem Hintergrund fehlender Anhebungen einer Vielzahl von Zulagen in dieser Legislaturperiode oder der mangelhaft ausgestalteten neuen Alarmierungszulage würde die Konkurrenzfähigkeit der Bundeswehr auf dem Arbeitsmarkt sogar verringert.

Große Einigkeit bestand beim Thema Hinzuverdienstgrenze. Sowohl der Bundesvorsitzende als auch Dr. Landsberg warben für einen vollständigen Wegfall und führten u.a. die Entlastung der Staatskasse, die Gewinnung von Fachkräften für den zivilen Arbeitsmarkt, aber eben auch sicherheitspolitische Argumente an. Wüstner: „Wir haben glücklicherweise eine Vielzahl von ehemaligen Berufssoldaten, welche sich für die Ausbildung von Ukrainern an von der deutschen Industrie gelieferten Waffensystemen, zu Beginn bereits am Leopard 1 oder Marder, zur Verfügung stellen. Die machen das gerne, aber eben nur bis zum Greifen der Hinzuverdienstgrenze.“

Einsatzversorgung ist elementares Thema

Ein weiterer großer Punkt aus Sicht des Verbandes ist die Einsatzversorgung. Nicht nur für die Soldatinnen und Soldaten selbst, sondern auch für Ihre Angehörigen ist das ein elementares Thema. „Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Soldaten bestmöglich abgesichert sind. Aufgrund des durch die Zeitenwende veränderten Ausbildungs-, Übungs- und Einsatzbetriebes muss die volle Einsatzversorgungsgesetzgebung für das Aus- wie Inland greifen, wenn einsatznah, bedeutet außerhalb des Grundbetriebes, ausgebildet und geübt wird“, so der Bundesvorsitzende. Mindestens müsse die Einsatzversorgung (für Verwundung und Tod) für das Personal der zu stationierenden Brigade in Litauen auf das Niveau der eFP-Battlegroup gehoben werden. Politik müsse verstehen, dass der Grundsatz „Niemand wird im Stich gelassen“ weiterhin gelten und übergreifend das Versorgungsniveau der Soldaten auf Zeit dem der Berufssoldaten angeglichen werden müsse.

Der Gesetzentwurf enthält mehrere Ausnahmemöglichkeiten von der gesetzlichen Arbeitszeit, die nach Auffassung des DBwV über das Ziel hinaus gehen. Eine solche Aufweichung von Arbeits- und Gesundheitsschutz sieht der Verband skeptisch. In diesem Zusammenhang lobte der Bundesvorsitzende die Regelung des Deutschen Heeres, wonach für je fünf angebrochene Tage ein Anspruch auf (mindestens) einen Tag Ausgleich in Freizeit bestehe. Diese solle gerne im Gesetz verankert werden, andernfalls bestünde die Gefahr, den vorhandenen Personalkörper auf Verschleiß zu fahren. Wüstner warnte: „Stimmen Sie dem Gesetz mit Blick auf die beabsichtigten Ausnahmen ohne Ausgleichsregelung derart zu, werden Sie der Bundeswehr mittelfristig einen Bärendienst erweisen.“    

Thema Personal muss Schwerpunkt werden

Viel Raum nahm auch die Debatte um die Frage ein, ob die Modelle FWDL, SaZ oder BS noch zeitgemäß seien. Diese Gelegenheit nutzte der Bundesvorsitzende, um für das flexible Laufbahnmodell „BS Vario“ bzw. „BS Flex“ zu werben. „Der wesentliche Faktor für die Einsatzbereitschaft bleibt der Mensch. Dieser und damit das Thema Personal muss in der nächsten Legislaturperiode ein Schwerpunkt werden“, so der Bundesvorsitzende.

Unterm Strich waren sich die Experten einig, dass das Artikelgesetz Zeitenwende noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden muss. Deutschlands Glaubwürdigkeit steht angesichts einer massiven russischen Bedrohung auf dem Spiel. Vor diesem Hintergrund ist es anerkennenswert, dass das Gesetz trotz der aktuellen Lage auf die Agenda gekommen ist. Das zeigt, dass dies auch der CDU/CSU-Fraktion das Vorhaben wichtig ist und sie ihrer staatspolitischen Verantwortung nachkommen möchte. Keine Frage, das Gesetz ist gut, aufgrund der Bedrohungslage und der Herausforderungen in der Personalgewinnung und -bindung muss es im parlamentarischen Verfahren allerdings noch besser werden. Die Chance ist da, hoffentlich wird diese von den Bundestagsfraktionen ergriffen. Ende Januar soll das Gesetz sodann beschlossen werden.

Die vollständige Stellungnahme des Deutschen BundeswehrVerbandes zum „Artikelgesetz Zeitenwende“ finden Sie hier.

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