Arbeitnehmer in Elternzeit erhielten bisher keinen tarifvertraglichen Inflationsausgleich. Das Arbeitsgericht Essen entschied, dass diese Regelung rechtswidrig ist.

Arbeitnehmer in Elternzeit erhielten bisher keinen tarifvertraglichen Inflationsausgleich. Das Arbeitsgericht Essen entschied, dass diese Regelung rechtswidrig ist. Foto: picture alliance/Shotshop/Zerbor

05.06.2024
bk

Urteil zum Inflationsausgleich von Arbeitnehmern in Elternzeit

Das Arbeitsgericht Essen sieht einen Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes.
 
Arbeitnehmer, die in der Zeit ab Juni 2023 in Elternzeit waren oder sind, erhalten bisher keinen tarifvertraglichen Inflationsausgleich. Der Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) vom 22. April 2023 gilt nach seinem Wortlaut nur für Personen, die dem TVöD unterfallen, ihr Arbeitsverhältnis am 1. Mai 2023 bestand und an mindestens einem Tag zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 31. Mai 2023 Anspruch auf Entgelt bestanden hat. Nach § 4 Absatz 2 TV Inflationsausgleich zählt zum Entgelt nicht nur das Arbeitsentgelt, sondern auch der Anspruch auf Krankengeld oder Krankengeldzuschuss sowie Leistungen der Krankenkassen nach Mutterschutzgesetz. Arbeitnehmer jedoch, die in diesem Zeitraum in Elternzeit waren, erhalten keinen Inflationsausgleich.

Das Arbeitsgericht (AG) Essen entschied mit Urteil vom 16. April 2024 – 3 Ca 2231/23, dass diese Regelung rechtswidrig sei, weil sie gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verstoße. Der Inflationsausgleich sei keine Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung, denn die Bedingung, Arbeitsentgelt erhalten zu haben, werde auch dadurch erfüllt, dass man Krankengeld erhält. Zwischen Arbeitnehmern, die Kinderkrankengeld wegen der Pflege ihrer erkrankten Kinder beziehen und Arbeitnehmern in Elternzeit, die sich um ihre Kinder kümmern, gebe es keinen relevanten Unterschied, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte. Gewerkschaften und Arbeitgeber hätten zwar Freiheit bei Verhandlung von Tarifverträgen, aber zu Willkür bei der Unterscheidung der Arbeitnehmergruppen dürfe es dabei nicht kommen.

Die Entscheidung des AG Essen ist noch nicht rechtskräftig, die Berufung ist eingelegt worden. Zur Sicherheit und unter Berücksichtigung der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 37 TVöD wird Tarifbeschäftigten, die wegen der Elternzeit keine Ausgleichszahlungen erhalten haben, geraten, die Zahlung der Differenz oder des restlichen Inflationsausgleichs in Textform geltend zu machen. Mit dem Schreiben sollte die Zahlung des Inflationsausgleichs nach TV Inflationsausgleich vom 22.4.2023 gefordert werden. Insbesondere wird die Zahlung der Sonderzahlungen der Monate November 2023 bis Februar 2024 in Höhe von 220 Euro beziehungsweise einem sich aus dem Tarifvertrag ergebenden anteiligen Betrag gefordert. Zudem ist darauf zu achten, dass der Antragseingang bestätigt wird, denn im Streitfall ist der Tarifbeschäftigte für den Zugang des Schreibens beweispflichtig.
 
Formulierungsvorschlag:

Betreff: Geltendmachung von Inflationsausgleichszahlungen gemäß Tarifvertrag (TV Inflationsausgleich) vom 22.4.2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

unter Berufung auf das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 16. April 2024 – 3 Ca 2231/23 beantrage ich die Zahlung der Inflationsausgleichszahlungen, die sich aus dem oben genannten Tarifvertrag ergeben. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass der Ausschluss der Tarifbeschäftigten in Elternzeit von den Leistungen des Tarifvertrags Inflationsausgleich gegen den Gleichheitsgrundsatz von Art. 3 Grundgesetz verstößt und Eltern in Elternzeit die gleichen Leistungen wie den anderen Tarifbeschäftigten zustehen.

Anmerkung der Abteilung Recht: Es handelt sich nur um eine erstinstanzliche Entscheidung des AG Essen, deren Bestand abzuwarten ist. Darüber hinaus wird eine Übertragungsmöglichkeit dieser Argumentation auf Soldaten und Beamte derzeit nicht gesehen. BK

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