Sex in der Kaserne, Dating-Apps, Einbruch in die Kameradenehe: Die neuen Regeln des BMVg
Sexualisiertes Fehlverhalten – wann überschreite ich Grenzen, die die Kameradschaftspflicht verletzen, wann kann mein Handeln disziplinar- oder gar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen? Mehr Klarheit verspricht ein neues Regelwerk.
Das BMVg hat ein neues Regelwerk zum Umgang mit sexuellem Fehlverhalten herausgegeben. Das Dokument richtet sich in erster Linie an militärische und zivile Vorgesetzte, ist aber für alle Angehörigen der Bundeswehr und insbesondere Soldaten wichtig – denn es macht eine bisherige Ausnahme zur Regel: Das Sexualleben hat grundsätzlich keine dienstliche Relevanz.
Die Allgemeine Regelung zum „Umgang mit Sexualität und sexualisiertem Fehlverhalten“, die das Verteidigungsministerium im September veröffentlicht hat, verfolgt zwei Ziele: Einerseits soll weniger in das Sexualleben von Soldatinnen und Soldaten eingegriffen werden, als dies bislang der Fall ist. Andererseits wird mit dem Regelwerk unterstrichen, dass sexualisiertes Fehlverhalten im dienstlichen Umfeld nicht toleriert wird. „Die Regelung hat erhebliche Auswirkungen auf die dienstrechtliche Bewertung des Sexuallebens der Soldatinnen und Soldaten“, heißt es in einem Begleitschreiben des BMVg.
Was ist nun neu für die Soldatinnen und Soldaten, aber auch für die zivilen Beschäftigten im Geschäftsbereich des BMVg? Erstmalig wird nun festgelegt, dass das Sexualleben aus Sicht des Dienstherrn grundsätzlich keine Auswirkungen auf den Dienst hat.
Das Ansehen der Bundeswehr musst gewahrt bleiben
Doch es gibt auch Einschränkungen. So kann die einvernehmliche Aufnahme einer sexuellen Beziehung in bestimmten Fällen doch eine Pflichtverletzung darstellen, etwa dann, wenn „das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit oder das Ansehen des Beamtentums beeinträchtigt oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten verletzt wird“. Gleiches gilt für eine eventuelle Störung des Arbeits- oder Dienstbetriebs bzw. des Betriebsfriedens – zum Beispiel, wenn ein Vorgesetzter die gebotene dienstliche Objektivität und Neutralität aufgibt, um sexuelle Beziehungen anzubahnen oder zu unterhalten.
Der „Einbruch in die Kameradenehe“ ist damit nur noch in den beschriebenen Ausnahmefällen ein Dienstvergehen – und seine Verfolgung ganz überwiegend Geschichte. Nichts anderes gilt für Profile auf „Dating-Apps“, solange kein Bezug zur Bundeswehr hergestellt wird.
Einvernehmliche sexuelle Handlungen innerhalb dienstlicher Unterkünfte sind ebenfalls grundsätzlich unbedenklich, doch auch hier folgt ein „Aber“: „Jede durch Dritte wahrnehmbare sexuelle Betätigung innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen kann geeignet sein, sich negativ auf den Arbeits- und Dienstbetrieb und den Zusammenhalt auszuwirken.“ Oder einfach gesagt: Sex ist der Dienststelle geht in Ordnung, solange es niemand mitbekommt.
Vorgesetzte haben besondere Vorbildfunktion
Glasklar ist die Lage hingegen, wenn es um nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen, um sexuelle Belästigung im Dienst oder gar um sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen geht. Diese Handlungen stellen zumindest eine Pflichtverletzung dar, in den meisten Fällen sogar eine Straftat.
Das Regelwerk beschreibt nicht nur, was erlaubt ist und was nicht, sondern erläutert auch die Maßnahmen, die bei Verdachtsfällen von sexualisiertem Fehlverhalten ergriffen werden sollen. Vorgesetzte haben demnach die Pflicht, „jeden Verdachtsfall auf sexualisiertes und diskriminierendes Fehlverhalten“ zu melden. Auch Maßnahmen zur Prävention werden aufgeführt, die sich insbesondere an die Vorgesetzten richten – denn die haben „in Haltung, Auftreten und Handeln eine Vorbildfunktion“. Aus-, Fort- und Weiterbildungen sowie das Bereitstellen von Informationsmaterialien gehören ebenfalls zu den Möglichkeiten der Prävention.