Eine gemeinsame Stimme für die Veteranenbewegung
Das Veteranenthema nimmt Fahrt auf: Mit deutlichen Forderungen an Politik, Bundeswehr und Gesellschaft fand Mitte Februar in Berlin der erste Veteranenkongress Deutschlands statt. Organisiert hatte ihn der Deutsche BundeswehrVerband.
Es geht los beim ersten deutschen Veteranenkongress des Deutschen BundeswehrVerbandes mit einer Andacht im Konferenzraum eines Hotels in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofes und Militärdekan Michael Rohde sagt: „Jetzt wird erstmal gesungen“. Die Veteranen, gekämpft in verschiedenen Missionen und an Orten, an die man nicht will, gucken auf den Boden. „Danke für diesen guten Morgen“, singt Rohde, er spielt Gitarre, die Veteranen brummen und werden dafür danach gesegnet. „Gottes Segen schadet in der Regel ja nicht“, sagt Rohde.
Er schadet vor allem dann nicht, wenn es darum geht, eine gemeinsame Stimme für die Veteranenbewegung zu finden. Schließlich soll der Kongress helfen, eines der Urprobleme der Bundeswehr zu beheben: den Umgang mit den Veteranen. „Wichtig ist“, hatte Marcel Bohnert, Stellvertreter des Bundesvorsitzeden des DBwV, bei seiner Begrüßung gesagt, „dass wir ein gemeinsames starkes Signal nach außen senden.“ Denn Verzettelung wäre schlecht für die gemeinsame Idee, das Momentum sei ideal. Russischer Angriffskrieg. Konzentration auf LV/BV. Das Ansehen der Truppe in der Öffentlichkeit ist so gut wie lange nicht. 14 Forderungen werden an die Wand geworfen, „die wir in Richtung Politik senden“, sagt Marcel Bohnert.
„Ein Schritt in den parlamentarischen Raum“
Dabei sind unter anderem Veteranentag und Verwundetenabzeichen, die Etablierung einer Gedenkkultur und die Förderung der öffentlichen Debatte. Über die Punkte sind sich alle einig. 21 Vereine und Verbände nehmen Teil an der Veranstaltung, dabei die großen wie eben der DBwV und der Reservistenverband, aber auch eher kleine wie EHRfurcht e.V., eine Initiative zur pferdegestützten Rehabilitation. So vielfältig die Teilnehmer sind, das Ziel ist bei allen das gleiche: ein Signal in die Politik tragen. „Ein Schritt in den parlamentarischen Raum“, wie das einer der Teilnehmer formuliert. Besser noch in die Gesellschaft, weil Politik und Gesellschaft immer interagieren und das eine nicht ohne das andere gedacht werden kann. Zudem kann eine Gedenkkultur zwar von oben angeschoben werden, muss aber von unten wachsen.
Das Parlament ist fünf Laufminuten vom Tagungshotel entfernt, das Kanzleramt ebenso. Es ist Sitzungswoche im Bundestag, und weil es die Politik braucht, ist diese durch Bärbel Bas vertreten – die Bundestagspräsidentin ist Schirmfrau. „Sie leisten einen außergewöhnlichen Dienst für unser Land“, sagt sie, die anwesenden Veteranen ansprechend, aber alle Soldaten meinend, „mit außergewöhnlichen Belastungen, Sie verdienen außergewöhnliche Wertschätzung.“ Der Bundestag sei sich seiner Verantwortung sehr bewusst, wenn er Soldaten in Einsätze schicke.
Invictus Games waren Zwischenschritt
Aber: „Lange hat sich unser Land zu wenig mit Veteranen beschäftigt.“ Spätestens mit dem russischen Angriffskrieg habe es aber auch eine Zeitenwende in den Köpfen gegeben. Man kann das leicht geschönt finden, einerseits, schließlich hat die Angst, aufgrund der deutschen Historie etwas falsch zu machen, in der Vergangenheit dazu geführt, gar nichts zu machen. Andererseits kann man aber nicht leugnen, dass Deutschland im internationalen Vergleich zwar etwas hinter den Niederlanden, Polen und ganz besonders den USA zurückliegt, sich aber in den letzten Jahren viel getan hat. Die Invictus Games im Sommer waren so nur ein logischer Zwischenschritt, der Veteranentag und die Etablierung einer entsprechenden Kultur wären die nächsten.
Keine bloße Symbolpolitik
Johannes Arlt von der SPD wird am zweiten Tag vor Ort sein, die Grüne Merle Spellerberg ebenfalls, Nils Gründer von der FDP hat sich angesagt und CDU-Frau Kerstin Vieregge. Fraktionsübergreifend sind sich alle einig: Ein Veteranentag darf nicht nur Symbolpolitik sein. Schließlich sollen damit auch eine Reihe von Lücken bei der Versorgung der Veteranen geschlossen werden, ein Beschluss im Bundestag ändere noch keine Anschlussgesetze. Die Arbeit gehe damit erst los. Teilweise ist das Plenum ungeduldig. Wann wird der erste Veteranentag stattfinden? Die vier erklären die parlamentarischen Prozesse, dann sagt Johannes Arlt: „2025.“ Aber alle vier sind sich einig: Wir wollen das. Wir machen uns auf den Weg. Das Ziel ist: Volksfestcharakter, die Gesellschaft soll gewonnen werden, auch da nicken alle. Am besten also ein Termin im Sommer.
Der Wille, sich endlich der Veteranen anzunehmen, ist also da. Das ist zwar gut, bedeutet aber nicht, dass es am Ende auch so kommen wird. Die Verteidigungspolitiker sollen daher Ideen bekommen und inspiriert werden, damit sie etwas in ihre Fraktionen mitnehmen können. Dazu gibt es am ersten Tag des Kongresses drei Workshops, zum Veteranentag, der Veteranenbewegung und zu einem eventuellen Veteranenkonzept. In den Workshops wird viel geredet. Es wird gestritten und gerungen, aber der geschützte Raum ist wichtig dafür, dass die Veteranen als Bewegung Geschlossenheit herausarbeiten. Und das klappt.
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Zwar sind bei der dann folgenden, großen Aussprache im Plenum manche enttäuscht, dass es nicht schneller geht, aber das ist einerseits Demokratie, wie sie besser nicht sein kann und einer Parlamentsarmee in gutem Sinne würdig, andererseits kann man nicht erwarten, dass sich so viele unterschiedliche Player sofort auf ganz konkrete nächste Schritte einigen, schließlich ist es die erste Veranstaltung ihrer Art. Und ein Grundkonsens besteht ohnehin: Der Tag muss von Politik und Gesellschaft kommen und in die Fläche gehen. Ein einzelnes, isoliertes Event in Berlin ist schön und gut, reicht aber nicht aus. Vielmehr muss es um eine breite gesellschaftliche Anerkennung gehen, die regional ausgerichtet wird.
„Wir können das gemeinsam schaffen.“
Markus Laubenthal hat da bereits Grüße übermittelt, Generalleutnant und stellvertretender Generalinspekteur. In der Bundeswehr ist er Veteranenbeauftragter. „Angriffsschwung“ brauche man für die Veteranendebatte. Er sagt: „Wir können das gemeinsam schaffen.“ Knapp 24 Stunden später, am zweiten Tag des Kongresses, sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, in einer Videobotschaft ähnliches: „Sie sind ein Vorbild.“
Zeitenwende, das sei auch, dass man den Soldaten gegenüber Respekt empfinde. Und in diesem Moment richtet sich das auch an die Presse: an Arte, die Zeit, Zeit Online, ZDF, den Behördenspiegel, die Redaktion der Bundeswehr und Radio Andernach. Sie sind alle da und hören am Ende die wichtigste Nachricht: Die Veteranenbewegung ist sich einig. Sie schafft den Schulterschluss und lässt sich nicht auseinanderdividieren. Sie sendet ein gemeinsames Signal nach außen und erwartet dafür Anerkennung und Wertschätzung. Zeit wird es.
„Aus meiner Sicht war der Kongress ein starkes Zeichen und ein weiterer Schritt hin zu einer wertschätzenden Veteranenkultur in Deutschland", sagte Christian Sauter (FDP), Mitglied des Bundestages.
Gesellschaftliches Gehör für Veteraninnnen und Veteranen
„Für die in unserer Gesellschaft durchaus vorhandene Anerkennung und Wertschätzung für Soldatinnen und Soldaten wurden lange keine Ausdrucksformen gefunden. Deshalb muss ein Veteranentag her. Auch bei Versorgungsfragen können wir von unseren Partnern viel lernen" sagte Oberst a.D. Bernhard Gertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Härtefallstiftung.
„Im Umgang mit Veteranen sind uns beispielsweise die Niederlande weit voraus: Einsatzgeschädigte werden bei der Durchsetzung ihrer Interessen – etwa im Rahmen von Wehrdienstbeschädigungsverfahren - von Mitarbeitern des Veteraneninstituts an die Hand genommen und durchgängig begleitet. Mit der Diskussion dieser Fragen auf dem Veteranenkongress hat der DBwV eine wichtige Wegmarke für einen besseren Umgang mit Betroffenen gesetzt und verschafft gesellschaftliches Gehör für ihre berechtigten Anliegen", so Oberst a.D. Gertz.
„Der Veteranenkongress des DBwV war ein Durchbruch", sagte Winfried Nachtwei (Bündnis 90/Die Grünen) ehemaliges Mitglied des Bundestages und Experte für Friedens- und Sicherheitspolitik. „Die Vielfalt der Veteranenbewegung bekommt jetzt politische Wirksamkeit“, so Nachtwei.
Gemeinsam an einen Tisch
Auch dies war ein Novum: Am Vorabend des Veteranenkongresses saßen in Berlin Politiker der Regierungskoalition und der Union gemeinsam mit Veteranen, ihren Angehörigen und Experten an einem Tisch, um ganz konkrete Themen zu besprechen – wie etwa die Einführung eines Veteranentages oder Wege zu mehr Wertschätzung.
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