Als erfahrene Soldatin möchte Insa die Erlebnisse, die sie im Einsatz gemacht hat und ihre Erfahrung im Umgang mit ihrer Erkrankung teilen. Foto: Daniela Skrzypczak

13.02.2022
Franziska Kelch

„Denkt auch an die leuchtenden Kinderaugen, die ihr dort gesehen habt“

Stabsfeldwebel Insa Eckert hat lange gebraucht, bis sie über ihre Erkrankung, über PTBS, offen sprechen konnte. Zu groß waren die Scham und die Sorge, als schwach wahrgenommen zu werden. Für das Projekt „Gesichter des Lebens“ hat sie sich auch porträtieren lassen, weil sie hofft, Kameraden und Kameradinnen dazu ermuntern zu können, sich ebenfalls zu öffnen.

Insa Eckert wusste schon früh, dass für sie ein ziviler Beruf nicht infrage kommt. Bereits mit 17 Jahren entscheidet sie sich für die Bundeswehr. Rettungssanitäterin werden, das ist ihr Ziel. „Ich komme aus einer Bundeswehrfamilie, wir sind alle paar Jahre umgezogen und ich wusste, was mich erwartet“, sagt sie im Interview. Sie wusste auch, dass sie mit der Bundeswehr einen Arbeitgeber wählt, der Fortbildungen und Lehrgänge und damit eine ständige Weiterentwicklung explizit unterstützt. Und der Dienst in den Streitkräften hat ihren „Drang nach Neuem“ immer weiter befeuert. Besonders gerne erinnert sie sich an ihre Zeit im NATO-Hauptquartier in Brüssel, wo sie als Sanitätsunteroffizier und Generalsfahrerin eingesetzt war. „Ich habe dort so viele tolle Erfahrungen gesammelt und internationale Menschen kennengelernt,“ schwärmt sie.

„Es schien alles gut“
Doch das reicht Insa Eckert nicht. Sie bewirbt sich für die Feldwebellaufbahn und damit ist für sie auch klar: „Ich wollte wissen, wie es ist, in den Einsatz zu gehen.“ Das war ihr auch wichtig, sagt sie, um in Führungsverantwortung jungen Soldaten und Soldatinnen, die das erste Mal in einen Einsatz gehen, berichten zu können, was sie erwartet. 2003 kommt sie mit dem IV. Einsatzkontingent nach Kabul, „voller Tatendrang und hochmotiviert“. Sechseinhalb Monate ist sie in der Med-Evac-Kompanie in Afghanistan im Einsatz. Sie habe sich gut vorbereitet gefühlt, sagt Eckert. Sie liest Bücher über die Geschichte des Landes und die aktuelle Situation. Auch die Einsatzausbildung habe eine gute Grundlage gelegt, meint sie im Rückblick. Und dennoch haben die Erlebnisse im Einsatz sie nachhaltig geprägt – positiv wie negativ. Sie erinnert sich im Interview an den „besten Spieß aller Zeiten“ und an eine „unbeschreibliche Kameradschaft im Kontingent“. Oft erlebt sie unmittelbar, dass ihr persönlicher Einsatz etwas bewirkt: „In abgelegenen Ortschaften medizinische Sprechstunden halten, Sachspenden in Schulen verteilen und an der Universität Kabul Deutsch unterrichten.“

„Ich kam nicht wieder als dieselbe Person zurück“
Doch es sind nicht nur die positiven Erinnerungen, die Insa Eckert mit zurück in die Heimat nimmt. Der Alltag im Einsatz und der Alltag zu Hause wollen nicht recht zusammenpassen. „Die ständige innere Alarmbereitschaft“ begleitet sie heim, erklärt sie. Eckert nimmt Bilder mit zurück in das friedliche Deutschland, die sie nicht vergessen kann. Es sind Bilder von „Anschlägen, verwundeten und verstorbenen Kameraden, letzten Gesprächen und verwundeten Kindern“, die sie immer wieder einholen. Wie viele Veteranen und Veteraninnen auch, erlebt Insa Eckert, dass Gerüche oder Geräusche die traumatischen Erlebnisse zurückholen. Es dauert Jahre, bis sie begreift und akzeptiert, dass sie nicht mehr die alte Insa ist. Sie muss erst lernen, wie sie damit umgehen kann. „Es hat mir geholfen zu erfahren, dass es anderen Kameraden auch so geht und dass man lernen kann, damit glücklich zu leben“, erklärt Eckert und ergänzt: „Es ist keine Schande, wir sind Soldaten und Menschen – keine Maschinen.“

„Das ist alles, was ich benötige“
Es hilft Insa Eckert auch, sich selbst immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, dass sie mit ihrem Dienst dazu beitragen konnte, dass Mädchen und Frauen in Afghanistan „in den letzten 20 Jahren ein lebenswerteres Leben“ gehabt haben. Sie ist überzeugt davon, dass jeder und jede für sich einen Weg finden kann, mit belastenden Erlebnissen im Einsatz umzugehen. Helfen würde dabei auch, wenn die deutsche Bevölkerung sich offen für die Erfahrungen von Veteranen und Veteraninnen zeigte und ein größeres Interesse an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr vorhanden wäre. Für sie persönlich, so Eckert, sei es die Familie, die ihr Halt gebe. „Ich habe drei wunderbare Kinder und einen einmalig geduldigen und liebevollen Lebensgefährten, der mich so nimmt, wie ich bin. Das ist alles, was zählt und was ich benötige, um glücklich zu sein.“ Die Familie ist es auch, die Insa Eckerts Einstellung zu ihrem Beruf verändert hat. „Jetzt bin ich 39 Jahre alt und Mutter. Als Mama wird es schwieriger, denn ich bin nicht mehr bereit, für meinen Beruf alles zu opfern“, erklärt sie. Dienst und Familie zu vereinbaren, sei nicht immer leicht, auch wenn sich in den letzten Jahren vieles zum Besseren verändert habe, findet Eckert. Ihr Tatendrang, ihre Wissbegierde und Neugier treiben sie unverändert an. Aber sie ist durch ihre Erlebnisse im Einsatz auch vorsichtiger, zurückgezogener und misstrauischer geworden. Sie nimmt aus dem Einsatz aber auch das Wissen mit, dass eine Generation in Afghanistan ein anderes Leben kennengelernt hat, dass gerade Frauen freier leben konnten und dass bei dieser Generation ein Umdenken begonnen hat.

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