Die Parteispitzen Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) vereinbarten Anfang März nach Sondierungsgesprächen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Die Parteispitzen Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) vereinbarten Anfang März nach Sondierungsgesprächen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

01.04.2025
Von Roland von Kintzel

Auf dem Weg zur Regierung: Wie ein Koalitionsvertrag entsteht

Koalitionsregierungen gehören zur politischen DNA der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1949 gab es keine einzige Regierung, die ihre Mehrheiten durch allein eine einzige Partei hätte beschaffen können und führten damit eine Tradition fort, die bis in die Weimarer Republik zurückreicht. Dennoch wurden Koalitionsverträge oder -vereinbarungen erst in der Berliner Republik Teil des bundesrepublikanischen Inventars. In ihrem heutigen Verständnis existieren sie ununterbrochen seit der ersten Regierung von Gerhard Schröder (SPD) im Jahre 1998. Seitdem ist der Koalitionsvertrag fester Bestandteil der politischen Kultur im Land, ohne ihn kommt keine Regierungskoalition zustande und wird kein Bundeskanzler mehr vom Deutschen Bundestag gewählt.

Dabei kennt das Grundgesetz dieses Konstrukt nicht. Überhaupt ist ein Koalitionsvertrag rechtlich nicht bindend. Er ist eine bloße politische Vereinbarung oder Absichtserklärung zwischen den ihn tragenden Parteien.

Ziel von Koalitionsverhandlungen und der Verabredung eines Koalitionsvertrages ist es, inhaltliche Differenzen im Vorfeld auszuräumen, um anschließend ohne Grundsatzdiskussionen im laufenden Betrieb regieren zu können. Er soll also eine effiziente Gesetzgebung und geräuschloses Regierungshandeln sicherstellen.

In der Praxis gelingt das bekanntermaßen nicht immer. Einerseits, weil Konflikte nicht vollends ausgeräumt werden können und dann häufig in berüchtigte Formelkompromisse verpackt werden, deren Auslegung dann zu Streit führt. Andererseits, weil einzelne Politiker, die mit einem einmal gefunden Kompromiss nicht zufrieden sind, bei Gelegenheit gern mal zum „Rückspiel pfeifen“. Außerdem kann ein Koalitionsvertrag schlicht von einer neuen Lage überholt werden. Der Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg aus der Atomkraft 2011 ist dafür ein Beispiel, aber auch die von Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“.

„Teppichhandel“
 
Streitpotential bergen auch sogenannte sachfremde Kompromisse, etwas abfällig auch „Teppichhandel“ genannt. Das sind Deals, die Standpunkte auf unterschiedlichen Politikfeldern gegeneinander aushandeln. Ein Beispiel: Die SPD kommt der Union beim Thema Migration entgegen, dafür gibt die Union im Bereich der Wirtschaftspolitik nach.

Dass vor den Koalitionsverhandlungen erst noch Sondierungsgespräche stattfinden, in denen abgesteckt wird, ob Koalitionsverhandlungen überhaupt erfolgsversprechend sind, gab es auf Bundesebene erstmals 2017. Weil damals die Jamaika-Sondierungen platzten und Union und SPD erst danach ins Gespräch kamen, dauerte die Regierungsbildung fünfeinhalb Monate.

Ein festes Verfahren, wie Koalitionsverhandlungen ablaufen und wer verhandelt, gibt es grundsätzlich nicht. Dieses Mal haben sich CDU, CSU und SPD nach den Sondierungsgesprächen auf Spitzenebene auf 16 Arbeitsgruppen geeinigt, in denen 256 Fachpolitiker sitzen. Sieben AGs werden von der SPD geleitet, sechs von der CDU und drei von der CSU; zudem sind sie dem Parteiproporz entsprechend zusammengesetzt.

Es ist üblich, dass Fachpolitiker die Details zu Grundsatzentscheidungen ausarbeiten, die zuvor in den Sondierungsgesprächen von den Parteispitzen getroffen wurden. Finden die Fachleute zu keinem Ergebnis (auch nicht im Rahmen eines „Teppichhandels“), sind es wiederum die Spitzenpolitiker, die einen Kompromiss aushandeln müssen.

Im Grundgesetz sind nur wenige Ministerien verankert, wie zum Beispiel das Verteidigungsministerium. Folglich ringen die Koalitionäre über deren Zahl, Zuschnitt und natürlich die Besetzung. Auch diese Arbeit findet in den Koalitionsverhandlungen statt.

Das alles zeigt, warum Deutschland als Parteiendemokratie bezeichnet wird. Maßgeblich in der Entscheidungsfindung sind die Parteien. Und in diesem Sinne sind es auch die Parteigremien, die dem Koalitionsvertragsentwurf ihr Placet geben müssen, nicht der Deutsche Bundestag oder die Wählerinnen und Wähler. Bei CDU und CSU hat ein (Bundes-)Parteitag das letzte Wort. Die SPD lässt seit 2013 ihre Mitgliedschaft darüber abstimmen.

Aber selbst, wenn diese Hürde genommen wird: Ob die Verhandlungen von Erfolg gekrönt waren, wird sich in der kommenden Legislatur daran messen lassen, wie treu die Koalitionäre ihrem eigenen Vertragswerk sind.

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