Von der Leyen legt Masterplan für eine modernisierte Bundeswehr vor
Ausrüstungsprobleme der Bundeswehr sollen Geschichte sein: Ein Fähigkeitsprofil beschreibt den Weg zur Modernisierung der kleingeschrumpften Streitkräfte. Die Weichen werden wieder Richtung Landes- und Bündnisverteidigung gestellt.
Bremerhaven/Berlin. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Mangelwirtschaft in der Bundeswehr beenden und Milliarden für eine umfassende Modernisierung ausgeben. „Nach langen Zeiten des Schrumpfens sind wir jetzt wieder in einer Zeit des Wachstums“, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag (4. September) bei einem Besuch der Marineoperationsschule in Bremerhaven. Dazu hat die Ministerin ein sogenanntes Fähigkeitsprofil vorlegen lassen, in dem der Aufbau einer modernen Armee bis zum Jahr 2031 beschrieben wird.
Der Plan wurde der Geheimschutzstelle des Bundestags übermittelt, wo Abgeordnete es unter Bedingungen einsehen können. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, hat es unterzeichnet.
Das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr beschreibt die Fähigkeiten nach Personal, Material, Infrastruktur, Betrieb, Organisation und Ausbildung. Ziele des Fähigkeitsprofils sind nach Angaben des BMVg
- das Modernisieren bereits existierender Fähigkeiten,
- das Füllen „hohler Strukturen“ sowie
- die Entwicklung neuer Fähigkeiten.
Es legt zudem fest, welche Fähigkeiten bzw. wie viele Kräfte und Mittel die Bundeswehr bereitstellen soll. Dies wird in drei Zwischenschritten erreicht werden: 2023, 2027, 2031. Beim ersten Zwischenschritt bis 2023 legt das Fähigkeitsprofil den Schwerpunkt auf die VJTF für die NATO im Jahr 2023. Deutschland will dafür als Rahmennation ein modernisiertes und komplett ausgestattetes Brigadeäquivalent stellen. Dazu gehören ein gemischter Einsatzverband „Luft“ sowie maritime Fähigkeiten. Daneben sind laufende Einsätze und Verpflichtungen für enhanced Forward Presence sowie die EU Battle-Group in den Planungen berücksichtigt.
Neu ist der Ansatz im Fähigkeitsprofil 2018, dass er das Handlungs- und Leistungsvermögen der Bundeswehr über eine so genannte Grundaufstellung sowie Missionspakete definiert. Die Grundaufstellung der Bundeswehr enthält dabei Fähigkeiten, Kräfte und Mittel für folgende Aufgaben:
- Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO und gemäß den Vorgaben der EU,
- Cybersicherheit/-verteidigung
- nationales Risiko- und Krisenmanagement,
- Heimatschutz und „Host Nation Support“ sowie
- Basis Inland.
Diese Aufgaben sind jederzeit und gleichzeitig wahrzunehmen. Hinzu treten Missionspakete - wie beispielhaft die Marineaufgabe „Ölüberwachung über der Nord- und Ostsee“ im Rahmen des Umweltschutzes oder die Sicherheit im deutschen Luftraum, die die Luftwaffe garantiert. Diese Missionspakete können aus Personal, Ausrüstung, Leistungen Dritter, Infrastruktur oder Mischformen aus allen Bereichen geschnürt werden.
Alle Aufgaben der Bundeswehr sind übergreifend durch das Zusammenwirken aller Organisationsbereiche zu erfüllen (Systemverbünde). Als Beispiel: Der Systemverbund Land umfasst als Nukleus die Brigaden des Heeres, benötigt jedoch medizinische Unterstützung aus Bereich Sanitätsdienst, die Flugabwehr der Luftwaffe, Unterstützungsleistungen der Streitkräftebasis. Die IT-/Führungsunterstützung muss durch Kräfte des Cyber-/ und Informationsraumes gestellt werden.
„Heer, Luftwaffe und Marine werden künftig kräftig aufwachsen müssen, um den veränderten Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung gerecht zu werden“, erklärt der verteidigungspolitische Sprecher der Union im Bundestag, Henning Otte (CDU). „Die Planungen gehen davon aus, dass wir uns bis 2023 auf einen jährlichen Finanzbedarf von etwa 60 Milliarden Euro hinbewegen müssen.“ Aktuell umfasst der deutsche Verteidigungsetat etwa 39 Milliarden Euro.
Ähnlich argumentiert der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann David Wadephul: „Die Bundeswehr muss moderner werden und sie muss wieder wachsen – das erfordert die seit längerem immer schlechter werdende sicherheitspolitische Lage.“ Dafür brauche es steigende Investitionen in die Bundeswehr, so Wadephul. „Der Verteidigungshaushalt muss also weiter wachsen und möglichst schon zum Ende der Legislaturperiode 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts umfassen. Nur so können die notwendigen Investitionen planungssicher umgesetzt werden; nur so bleibt in den kommenden Jahren genug Spielraum für etwaige Anpassungen infolge technischer oder politischer Entwicklungen.“
An dem Papier wurde zwei Jahre lang gearbeitet. Es ist keine unmittelbare Reaktion auf die Forderung des US-Präsidenten Donald Trump, der von Deutschland zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Verteidigungsausgaben erwartet - auch wenn der Diskussionsfaden um die Prozentwerte aufgenommen wird.
2019 würden für den Verteidigungsetat 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zur Verfügung gestellt, 2024 seien es 1,5 Prozent, sagte die Ministerin in Bremerhaven weiter. „Wir haben einen genau festgelegten Finanzrahmen, der von der Bundesregierung bei der Nato auch so angezeigt worden ist.“
Der Grünen-Politiker Tobias Lindner sieht das aber kritisch: „Diese Pläne gehen weit über eine Vollausstattung bereits bestehender Strukturen hinaus. Es ist unverständlich, wieso die Verteidigungsministerin und die große Koalition den Bundestag vor vollendete Tatsachen stellen, statt im Vorfeld hierüber zu diskutieren“, erklärt er.
Auch die Linke hält dagegen: „Pünktlich zu den anstehenden Haushaltsverhandlungen im Herbst wird mit einem neuen Grundsatzpapier aus dem Verteidigungsministerium Druck gemacht, um heute und in Zukunft noch mehr Geld für die Bundeswehr durchzusetzen“, kritisierte Matthias Höhn. Er fordert, nur ein Prozent der Wirtschaftsleistung auszugeben und „Deutschland international zum Vorreiter für Abrüstung und Entspannung“ zu machen.
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