Kurz vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine übernahm Oberstleutnant Daniel Andrä das Kommando über die 11. Rotation der eFP Battle Group in Litauen. Foto: Bundeswehr/Christoph Loose

04.05.2022
Frank Jungbluth

„Wir leisten einen robusten Beitrag zur glaubwürdigen Abschreckung”

Der 43-jährige Oberstleutnant Daniel Andrä ist Kommandeur der 11. Rotation der eFP Battle Group in Litauen. Ihm sind 1675 Soldatinnen und Soldaten unterstellt. Die Truppe trainiert hart, denn der Krieg ist nur wenig mehr als 400 Kilometer vom Standort der Truppe in Rukla nahe Kaunas entfernt. Unser Chefredakteur Frank Jungbluth hat mit Oberstleutnant Andrä gesprochen  übrigens auch in unserem Podcast, den Sie hier hören können.

Seit 9. Februar sind Sie hier in Rukla bei der eFP Battle Group der NATO in der 11. Rotation im Einsatz. Litauen grenzt an Weißrussland, das Aufmarschgebiet der russischen Armee für den Angriff auf die Ukraine ist. Zwei Wochen nach Ihrem Einsatzbeginn hier ist am 24. Februar etwas passiert, was viele als „Zeitenwende“ bezeichnen – russische Truppen haben die Ukraine überfallen. Wie haben Sie das empfunden?

Oberstleutnant Daniel Andrä: Zunächst waren wir überrascht, weil wir nicht erwartet hatten, dass wir in Europa wieder einen solchen Krieg erleben würden. Der Kriegsbeginn hatte natürlich Auswirkungen auf die Männer und Frauen hier im Einsatzland. Die Grundspannung war von diesem Tag an deutlich höher, das konnte man überall spüren. Die Tatsache, dass die Familien zu Hause mit einer völlig anderen und unerwarteten Bedrohungslage konfrontiert worden waren, hat ebenfalls dazu beigetragen. Man muss aber auch sagen, dass sich am Auftrag dadurch nichts verändert hat. Der Auftrag bleibt zunächst, primär einen robusten Beitrag zu einer glaubwürdigen Abschreckung zu leisten. Das ist das, was wir hier jeden Tag tun, vor allem durch intensive Ausbildung und Übung. Wir zeigen damit, dass wir da und dass wir einsatzbereit sind. In letzter Konsequenz bedingt unser Auftrag aber auch, dass wir unseren Beitrag für die Verteidigung Litauens oder des Baltikums leisten, wenn die Notwendigkeit dazu besteht.

Der Generalinspekteur hat im Interview mit dem BundeswehrVerband gesagt, dass er glaube, Putin sei überrascht darüber, wie eng die NATO auch hier an der Ostflanke zusammensteht. War Ihnen klar, dass die Allianz so schnell so fest steht, wenn es darauf ankommt?

Wir sind dafür bekannt, zu zeigen, dass es funktioniert, wenn es darauf ankommt. Das haben wir multinational und auch national gezeigt. Schon am 9. Februar – als wir hier übernommen haben – hat die Verteidigungsministerin entschieden, dass die Notice to Move, also die Zeit, wie schnell Verstärkungskräfte hierher nach Litauen verlegt werden können, von 30 auf fünf Tage reduziert wird – am 14. Februar habe ich in Kaunas am Flughafen die ersten Soldatinnen und Soldaten der Verstärkungskräfte begrüßt. Gleiches Tempo gilt für Material und Munition. Wir haben alles bekommen, was wir brauchen, und können unseren Auftrag hier uneingeschränkt erfüllen. Wir haben im Kleinen gezeigt, dass wir fest zusammenstehen.

Persönliche Ausrüstung ist ein Thema, aber auch die technische Ausstattung, Stichwort Digitalfunk. Wie schnell brauchen Sie da eine Lösung, um die Führungsfähigkeit sicherzustellen?

Interoperabilität ist ein großes Thema, wenn wir als Rahmennation und Anlehnungspartner andockfähig sein wollen. Hier haben wir Nachholbedarf und müssen besser werden. Die Partner, mit denen wir hier gemeinsam arbeiten, haben den Anspruch, dass sie sich einfach „einstöpseln“ können in ein funktionierendes und zeitgemäßes System. Diese Botschaft senden wir an alle, die uns hier besuchen. Wir zeigen am praktischen Beispiel, wo es tatsächlich zwickt. Insofern hoffe ich, dass wir auch an der Stelle nicht mehr allzu lange auf Besserung warten müssen.

Hier in Litauen ist eine internationale und bunt gemischte Truppe im Einsatz. Klappt das im Zusammenspiel reibungslos oder gibt es doch Hürden?

Wir sind hier derzeit 1675 Frauen und Männer aus sieben Nationen. Ich bin davon überzeugt, dass Multinationalität der Schlüssel zum Erfolg ist und es in Zukunft noch mehr sein wird. Damit das funktioniert, muss jeder an sich arbeiten. Insbesondere mit Blick auf unsere Sprachfertigkeiten können wir noch besser werden. Da sind uns andere Nationen voraus. Wir sind als 11. Rotation ein gutes Team. Dafür war auch die gemeinsame Vorbereitung sehr hilfreich. Der Umstand, dass man sich nicht erst hier vor Ort kennenlernt, ist durch nichts zu ersetzen. Vertrauen sowie das Wissen um die individuellen Stärken und Schwächen sind in einem multinationalen Team noch wichtiger.

Unterbringung und Verpflegung, das mag auf den ersten Blick nicht kriegsentscheidend sein, aber ist doch wichtig für die Moral der Truppe. Wie haben Sie die Lage hier vorgefunden?

Wir sind hier mittlerweile in einem Setup, wo die Rahmenbedingungen für alle akzeptabel sind. Alle haben ein Bett und alle haben zu essen. Somit nichts, wo man sagen müsste, man kann es nicht aushalten. Der Preis dafür ist allerdings, dass die Battle Group derzeit auf zwei Standorte aufgesplittet ist. Wir haben Kräfte hier in Rukla, aber auch in Pabrade sind wir mit Teilen dauerhaft stationiert. Das mittelfristige Ziel muss sein, dass wir alle wieder an einem Standort, also hier in Rukla, zusammenführen. Daran arbeiten wir und auch sonst sehen wir wöchentlich Verbesserungen.

Man hört von Kameradinnen und Kameraden, dass die Truppe von den Menschen hier in Litauen freudig begrüßt worden ist. Können Sie diese Erfahrung teilen?

Das stimmt, die Litauer sind froh , dass wir hier sind, dass die NATO präsent ist. Wir sind integriert in litauische Strukturen, wir unterstehen der Iron-Wolf-Brigade. Man kann selbstbewusst sagen, dass wir hier ein sehr scharfes Schwert sind und dadurch auch in den Verteidigungsplänen des Landes und der NATO eine entscheidende Rolle spielen. Und ja, wenn Sie mit der Battlegroup von Rukla nach Pabrade im Straßenmarsch verlegen, dann können Sie winkende und lachende Menschen am Straßenrand sehen.

Stichwort Landes- und Bündnisverteidigung: Wir erleben ein deutlich verändertes Mindsetting in der Truppe ...

Die Anforderungen an jede und jeden Einzelnen sind mit Blick auf Landes- und Bündnisverteidigung sicherlich gewachsen. Das waren viele so nicht mehr gewohnt. Da haben wir möglicherweise in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten unsere Männer und Frauen in mancher Hinsicht auch falsch erzogen und sozialisiert. Daran müssen wir arbeiten. Beispielsweise individuelle Durchhalte- und Überlebensfähigkeit. Es gab Soldatinnen und Soldaten, die waren es einfach nicht mehr gewohnt, vierzehn Tage im Feld zu leben. An unserer Kriegstauglichkeit und Kriegstüchtigkeit arbeiten wir hier jeden Tag, darin werden wir auch jeden Tag besser.

Der DBwV ist mit seinen Ansprechpartnern Auslandseinsatz nahe bei der Battlegroup, jetzt mit unserem zweiten stellvertretenden Bundesvorsitzenden vor Ort. Was kann der Verband noch für die Truppe tun?

Ich persönlich bin mit der Arbeit des Verbandes sehr zufrieden und fühle die Unterstützung für meine Truppe. Ich freue mich, mit dem BundeswehrVerband einen weiteren Verbündeten in Deutschland zu haben.

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