Nato legt Richtlinien für Einsatz in Flüchtlingskrise fest
Menschenschmuggler konnten in der Türkei bislang relativ ungehindert ihren illegalen Geschäften nachgehen - zumindest nach Meinung von Kritikern. Jetzt werden Nato-Schiffe an den wichtigen Schleuserrouten in der Ägäis positioniert. Die Bundeswehr ist ganz vorne mit dabei, ohne dass die Situation vor Ort sauber geklärt ist, findet der Vorsitzende Marine im DBwV, Fregattenkapitän Marco Thiele.
Brüssel. Die Nato-Staaten haben sich zur Eindämmung der Flüchtlingskrise auf den umstrittenen Bündniseinsatz in der Ägäis geeinigt. Damit kann der bereits angelaufenen Nato-Einsatz nun effektiver zur Bekämpfung der Schleuserbanden beitragen. Nato-Schiffe sind schon seit vergangener Woche in der Ägäis. Vertreter der Bündnisstaaten verständigten sich in der Nacht zum Donnerstag (25. Februar 2016) in Brüssel auf die Richtlinien für die Beobachtung der türkischen und griechischen Seegebiete. Zudem legten sie fest, dass der unter deutscher Führung stehende Nato-Marineverband SNMG 2 aus Seenot gerettete Flüchtlinge in der Regel in die Türkei zurückbringt.
Mit dieser Vereinbarung will die Nato Migranten jeden Anreiz nehmen, sich auf die gefährliche Überfahrt zu begeben und damit auch das Geschäftsmodell der Schlepper zerstören. Die Nato werde bei der Ausübung ihrer Aufgaben nationales und internationales Recht befolgen, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Damit könnten einzelne Länder, die Schiffe für den Einsatz stellen, und die Türkei nicht für einen sicheren Drittstaat halten, theoretisch von dem Bündnis-Grundsatz abweichen.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begrüßte die Einigung. „Die Nato verfügt über herausragende Aufklärungsmöglichkeiten. Sie kann damit einen wertvollen Beitrag leisten, dass die zuständigen Küstenwachen vor Ort und Frontex im Kampf gegen die Schlepper und Schleuser in der Ägäis erfolgreich sind“, sagte sie. „Der Nato-Verband unter deutscher Führung kann in wenigen Tagen seine Aufgaben beginnen", sagte die Verteidigungsministerin in einem Spiegel-Online-Artikel.
Deutschland stellt für den Bündniseinsatz derzeit das Führungsschiff. Auf der 174 Meter langen „Bonn“ sind rund 210 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Sie begannen bereits vor einigen Tagen mit der Seeraumüberwachung in der Ägäis, fuhren wegen der noch fehlenden Einsatzrichtlinien bislang aber nicht direkt die wichtigen Schleuserrouten an.
Hauptziel des Nato-Einsatzes ist es, Informationen über die Aktivitäten von Schleuserbanden an der türkischen Küste zu sammeln. So sollen zum Beispiel ablegende Migrantenboote unverzüglich gemeldet werden, damit sie von der türkischen Küstenwache gestoppt werden können. Zum EU-Türkei-Sondergipfel am 7. März könnten bereits erste Ergebnisse vorliegen, hieß es aus Bündniskreisen.
Ein Mandat zum Stoppen der Migrantenboote haben die Besatzungen der Nato-Schiffe allerdings nicht. Demnach werden sie nur dann Migranten an Bord nehmen, wenn diese in Seenot geraten. «Die heutige Entscheidung bedeutet, dass wir enger mit der EU zusammenarbeiten als je zuvor», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Das Militärbündnis spiele damit eine besondere Rolle als Kooperationsplattform.
Menschenrechtsorganisationen und die Opposition im Deutschen Bundestag kritisieren das Nato-Engagement in der Flüchtlingskrise. „Mit den Abschiebungen von Schiffbrüchigen durch die Nato-Kriegsschiffe in die Türkei wird internationales Recht gebrochen“, sagte die Linken-Abgeordnete Annette Groth am Mittwoch. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter hatte zuletzt von „hilflosem Aktionismus“ und einem „Nato-Einsatz zur Flüchtlingsabwehr“ gesprochen.
Der Vorsitzende Marine im DBwV, Fregattenkapitän Marco Thiele, wünscht sich bei diesem Einsatz klare Regelungen:
"Neben der politischen Kritik gilt es schnellstmöglich die Rahmenbedingungen für unsere Kameradinnen und Kameraden vor Ort zu klären. Wie beim Beginn der Seenotrettung vor der Libyschen Küste ist auch hier - auch wenn es diesmal primär um Aufklärung geht - noch unklar, welche Art des Ausgleiches es für diesen "Einsatz" gibt. Welche Einsatzregeln gelten, was genau dürfen unsere Soldatinnen und Soldaten vor Ort?
Und schließlich erwarten wir schnell eine Aussage darüber, wie lange dieser Einsatz für die Deutsche Marine dauern soll. Beenden wir die Teilnahme mit der Rückkehr des Einsatzgruppenversorgers „Bonn“oder müssen wir uns auf einen weiteren Einsatz einstellen?"