Mali kommt nicht zur Ruhe
Positive Meldungen aus Mali? Die findet man nur selten, wenn man in die Medien schaut. In der Hauptstadt Bamako gehen die Menschen gegen die Regierung auf die Straße, das Militär steht im Verdacht, Massaker an Zivilisten verübt zu haben. Da will wenigstens Frankreich Erfolge im Kampf gegen den Terror vermelden.
Die meisten Menschen kennen das: In den Sommermonaten sind überall die Rasenmäher zu hören, Gartenbesitzer kommen kaum damit nach, den Wuchs auf ihrer Wiese im Zaum zu halten. Wenn aber französische Militärs in Mali vom „Rasenmähen“ sprechen, meinen sie etwas anderes. In ihrem Jargon hat das nichts mit Rasenpflege zu tun, sondern bedeutet das „Neutralisieren“ von Anführern der verschiedenen Terrorgruppen. Bei diesen Einsätzen in der Sahel-Region ist es nicht anders als in der Vergangenheit bei den Operationen der USA in Afghanistan und Pakistan gegen führende Köpfe der Taliban-Bewegung: Kaum wird ein Führungsmitglied einer Terrorgruppe getötet oder festgenommen, steht ein Nachfolger schon bereit.
Den Franzosen ist allerdings Anfang Juni ein Schlag gelungen, der international Aufmerksamkeit erregt hat: Bei einem Einsatz wurde der Emir der Organisation „al-Qaida des islamischen Maghreb“ (AQMI) getötet. Die Nachricht vom Tod Abdelmalek Droukdel war so bedeutend, dass sie von der französischen Verteidigungsministerin persönlich via Twitter verkündet wurde. Frankreich hatte den 50-jährigen Emir schon der länger auf der Liste: Droukdel wird nicht nur für die terroristischen Aktivitäten von al-Qaida im Sahel verantwortlich gemacht, sondern auch für seine Beteiligung an einer Anschlagsserie algerischer Islamisten in Frankreich im Jahr 1995.
„Ich gratuliere und danke all jenen, die diese gewagten Operationen durchgeführt haben, die diesen terroristischen Gruppen schwere Schläge versetzen“, twitterte Verteidigungsministerin Florence Parly. Bereits zwei Wochen zuvor sei bei einer weiteren Operation mit Mohammed el Mrabat ein wichtiger Kopf des Islamischen Staats im Maghreb durch französische Streitkräfte festgenommen worden.
Frankreich benötigt in seinem Anti-Terror-Kampf in Mali dringend Erfolgsmeldungen. Auch wenn nach Angaben der Streitkräfte in den vergangenen Monaten mehrere Hundert Aufständische „neutralisiert“ worden seien, sind die grenzüberschreitend agierenden Terrorgruppen nach wie vor aktiv. Die Hauptlast der offensiven Einsätze gegen Terrorgruppen tragen die französischen Spezialkräfte, so verwundert es nicht, dass sich Frankreich mehr Unterstützung bei der Operation Barkhane von seinen Verbündeten wünscht. Dieser Wunsch nach Spezialkräften wurde auch mehrfach an die Bundesregierung herangetragen – ohne Erfolg.
Der Kampf gegen den Terror stagniert trotz punktueller Erfolge, und auch sonst sind die Nachrichten aus Mali wenig erfreulich. Vor wenigen Tagen wurden bei einem Überfall von Dschihadisten auf einen Konvoi der malischen Armee Medienberichten zufolge mindestens 24 Soldaten getötet. Nur sechs Soldaten hätten sich retten können, heißt es in einem Bericht der Deutschen Welle.
Die malische Armee zahlt einen hohen Blutzoll im Kampf gegen die verschiedenen islamistischen Gruppierungen, sieht sich aber selbst auch Vorwürfen ausgesetzt: So wurden bei zwei Massakern im Zentrum des Landes 38 Zivilisten getötet, allesamt Angehörige der Ethnie der Peulh, wie „Zeit Online“ berichtet. Im Verdacht stehen Angehörige der malischen Armee – zumindest sollen die Täter nach Augenzeugenberichten Armeeuniformen getragen haben. Die malische Regierung kündigte an, eine Untersuchungskommission in die Region zu entsenden. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, würde dies auch ein schlechtes Licht auf die europäische Ausbildungsmission EUTM Mali werfen. Die Mission läuft seit Februar 2013, doch auch nach mehr als sieben Jahren ist die malische Armee noch weit davon entfernt, selbst für Sicherheit im Land sorgen zu können. An dem Ausbildungseinsatz sind auch deutsche Soldaten beteiligt, erst kürzlich hat der Bundestag das Mandat für EUTM Mali verlängert.
EUTM soll zudem nicht mehr nur auf Mali beschränkt bleiben, sondern bei Bedarf auf die anderen Staaten der Sahelzone ausgedehnt werden können – es geht um die G5 Sahel, zu denen neben Mali auch Burkina Faso, Mauretanien, Niger und der Tschad gehören. Schon jetzt bilden deutsche Spezialkräfte Soldaten im Niger aus. Die Operation „Gazelle“ läuft nun auch unter dem EUTM-Mandat.
Bei einer virtuellen Sitzung des UN-Sicherheitsrats hat Außenminister Heiko Maas zudem angekündigt, dass sich Deutschland bei MINUSMA, dem zweiten Militäreinsatz mit Bundeswehr-Beteiligung in Mali, weiter und stärker engagieren will. „Und wir rufen weitere UN-Mitgliedstaaten dazu auf, sich an MINUSMA zu beteiligen. Die Mission muss weiter gestärkt werden“, wird Deutschlands Top-Diplomat in einem Bericht der Deutschen Welle zitiert. Die Lage in Mali sei nach wie vor eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit.
Der Dreiklang aus französischer Anti-Terror-Mission, europäischem Ausbildungseinsatz und der UN-Mission zur Friedenssicherung hat die grenzüberschreitende Gewalt in der Sahel-Region in den vergangenen sieben Jahren kaum eindämmen können. Zudem rumort es auch innenpolitisch in Mali: Anfang Juni demonstrierten Tausende in der Hauptstadt Bamako und forderten den Rücktritt von Präsident Ibrahim Boubacar Keita. Der Regierung wird Korruption vorgeworfen, die Corona-Krise macht die instabile Situation auch nicht einfacher.
Es bleibt abzuwarten, ob der neue Ansatz, die G5-Sahel-Gruppe stärker zu unterstützen, die Wende bringt. Nur das scheint sicher: Der Einsatz der Bundeswehr in der Region wird wohl noch lange dauern.