Hitze, Terror und Skorpione: Die Bundeswehr trainiert Militär in Mali
Koulikoro (dpa) - Ein Trupp Soldaten pirscht sich an eine Häusersiedlung heran. Ihre Kalaschnikows sind schussbereit, sie gehen in Stellung. Dann kommt das Signal: vorwärts! Sekunden später ertönt ein lauter Knall, gefolgt von einer Rauchwolke. «Achtung», schreit noch jemand, aber es ist zu spät. Ein Sprengsatz ist explodiert.
Niemand ist verletzt. Es war nur ein Übungsmanöver - allerdings eins, das die malischen Soldaten in Koulikoro, 60 Kilometer nordöstlich von Malis Hauptstadt Bamako, beherrschen sollten. Denn ihre dreimonatige Ausbildung durch die europäische Trainingsmission EUTM, an der sich 560 Soldaten, einschließlich 200 Deutscher, beteiligen, ist nun zu Ende. Bei mehr als 40 Grad im Schatten wurden Operationsplanung, Methodik und humanitäres Völkerrecht gelehrt. Neben Gefechtsverbänden werden Kompaniechefs und Ausbilder trainiert.
Bei der nächsten Übungsetappe klappt es besser: Die malischen Soldaten entdecken in einem Hauseingang eine hauchdünne Nylonschnur, den Auslöser einer Bombe. Sie rufen das Spezialteam. Der Sprengsatz wird entschärft.
Das Training ist bitter nötig, denn Malis Armee ist weder logistisch noch personell gut aufgestellt. Es fehlt an militärischem Können, Waffen und Ausrüstung. «Es kommen Soldaten zum Training, die vor sieben Jahren das letzte Mal eine Schießübung gemacht haben», sagt Hauptfeldwebel G., einer der deutschen Ausbilder. Zahlreiche Soldaten besitzen nur ihre Uniform am Leib. Material wie Schutzwesten, Wasserrucksäcke oder Moskitonetze muss die EU stellen. Viele müssen mit Holzgewehren trainieren. «Man muss die Abholpunkte gering setzen», umschreibt Oberstleutnant Nils Kruth, der stellvertretende EUTM-Ausbildungsleiter. Mit einer dreimonatigen Ausbildung in Westeuropa könne man das Training hier in Mali nicht gleichsetzen.
Der malische Oberstleutnant Nouhoum Traoré, der die «Boubacar Sada Sy»-Kaserne in Koulikoro leitet, innerhalb der sich die Trainingseinrichtung der EUTM befindet, beschreibt die Ausbildung als «großartige Lernerfahrung». Besonders über die Anwesenheit der Bundeswehr ist Traoré glücklich, denn er selbst wurde einst in Deutschland militärisch ausgebildet. Im Hof der Kaserne hat er «Schatzi» geparkt, seinen dunkelgrünen 3er BMW, den er noch immer mit Hamburger Kennzeichen fährt.
«Die Deutschen bringen Ordnung und Methode rein», erklärt Traoré in gebrochenem Deutsch. Das sei besonders wichtig für die Unterstützung der logistischen Reformen, wie die Einführung eines Waffenregisters. «Jetzt wissen wir endlich, wo unsere Waffen sind», meint der Oberstleutnant.
Am 1. Juni wird die EUTM ihr drittes Mandat beginnen. Dann sollen mobile Ausbildungsteams im ganzen Land eingesetzt werden, an Armeestandorten sowie in Militärschulen. Das Mandat lässt eine Stationierung bis weit in den von Islamisten infiltrierten Norden zu, doch nach Angaben von Ausbildungsleiter Kruth liegen Einsätze in gefährlichen Städten wie Gao und Timbuktu «in weiter Ferne». Das liegt vor allem an der «Golden Hour»-Regel, die vorschreibt, dass Bundeswehrsoldaten im Ernstfall innerhalb von einer Stunde medizinische Versorgung erhalten müssen, die deutschen Standards entspricht. Das ist laut Kruth für die Trainingsmission momentan nur bis zur Stadt Segou möglich, rund 240 Kilometer nördlich von Bamako.
Bislang hat die EU in den vergangenen drei Jahren rund 8 000 malische Soldaten ausgebildet, knapp zwei Drittel der Landstreitkräfte Malis. Nach Abschluss des Trainings werden viele der Soldaten im Norden des verarmten Wüstenstaats beweisen müssen, was sie gelernt haben. Unter anderem unterstützen sie dort die 3500 Mann starke französische Operation «Barkhane» im Kampf gegen den islamistischen Terror.
Der Norden Malis war 2012 für einige Monate in die Hände teils islamistischer Rebellen gefallen, bevor er Anfang 2013 von französischen und afrikanischen Truppen zurückerobert wurde. Zahlreiche Gruppierungen wie Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI) terrorisieren die Gegend bis heute.
Die Rückmeldung der französischen Streitkräfte über die nunmehr trainierten Soldaten sei «vielversprechend», erklärt Kruth, doch ein strukturiertes Nachbereitungsprogramm gebe es nicht. «Wir können unsere Ausbildungserfolge nicht überprüfen», sagt Kruth. «Es ist schwer zu sagen, wie erfolgreich die Mission ist.»
Vor Ort in Koulikoro ist das Feedback durchwachsen. In vielen Bereichen seien deutliche Verbesserungen zu erkennen, erklärt Ausbilder Hauptmann M. Vor allem in den höheren Rängen seien die Soldaten motiviert und «sehr lernfähig». «Doch das fachliche Wissen taktisch im Gelände umzusetzen, da fehlt teilweise der Blick», so M. Auch mit der Kommunikation in Ernstfällen hapere es noch hier und da, gibt ein anderer Ausbilder zu bedenken.
Die inoffiziellen Kommentare sind kritischer. Es fehle den Maliern an Disziplin und logischem Vorgehen, mäkeln die deutschen Soldaten unter sich. Die Rede ist von mangelnder Motivation, zu langsamer Reaktion auf Bedrohungen und sogar Faulheit.
Auch bei einer Befehlsausgabe - ein Bestandteil der Abschlussübung - zeigen sich Schwachstellen. Mit Hilfe von Steinen, Plastikdeckeln, Stöckchen und Pappstücken gibt ein malischer Zugführer Anweisungen für das nächste Manöver in einem großen Sandkasten. Einige Trainees schreiben eifrig mit; andere gähnen oder schauen gelangweilt durch die Gegend.
Im Anschluss nennt der Ausbilder seine Kritikpunkte. «Die Idee des Gefechts war nicht 100 Prozent deckungsgleich mit dem Auftrag. Die Position des Feindes wurde nicht ausreichend bestimmt», sagt Hauptmann B. Generell ist er mit dem Ergebnis jedoch zufrieden: «Wenn es drauf ankommt, wird sauber gearbeitet.»