„Hauptfeind ist zurzeit das Virus“
Unsere DBwV-Ansprechpartner im Einsatz haben für uns die aktuelle Situation in den Einsatzgebieten zusammengefasst:
Afghanistan: Zur Kampfgemeinschaft zusammengewachsen
Kabul. Auf die Corona-Situation hatte uns kein Lehrgang vorbereitet. Die Vorausbildung machte uns fit für einen Einsatz ohne COVID-19. Aber wir können als Soldaten stolz darauf sein, wie schnell wir uns an die neue Situation angepasst haben. Vor dem Abflug in Köln/Wahn kamen wir erst einmal 14 Tage in isolierte Unterbringung – allein in einem Hotelzimmer, abgeschottet von der Außenwelt und in dieser Phase noch ohne „Hofgang“. Manche von uns hatten Sorge, wie wir das aushalten, aber wir haben es dann einfach durchgestanden. Im Camp Marmal wurde unsere Körpertemperatur gemessen – trotz 35 Grad im Schatten waren wir alle fieberfrei. Die Kräfte, die weiter nach Kabul verlegten, fragten sich, ob im Camp HKIA (Hamid Karzai International Airport) unter der Türkei als Leading Nation schon ähnliche Regeln herrschten. Die Antwort ist ganz klar Ja.
Die Corona-Maßnahmen sind nun allgegenwärtig: Abstand halten! Masken tragen! Social Distance, please! Es dauerte nur wenige Tage, bis sich jeder an die besondere Situation gewöhnt hatte. Sport ist auch hier eine gute Möglichkeit, den Stress, den jeder anders empfindet, abzubauen. Allerdings sind die Sporthallen geschlossen, nur die Freiluft-Gyms sind jetzt wieder offen. Das Laufen auf der Rundstraße durch die Base ist wegen der Staubbelastung auch nicht immer zu empfehlen.
Die Sicherheitslage um uns herum wirkt insgesamt angespannt. Während des Zuckerfestes am Ende des Fastenmonats Ramadan gab es eine sehr ruhige Phase aufgrund einer vereinbarten Feuerpause zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban. Man erfährt jedoch häufig von Angriffen der Taliban auf afghanische Sicherheitskräfte. Wir Nato-Soldaten sind in den Camps, die ja aktuell auch nur wenige von uns verlassen, recht sicher. Aber wir sind sehr vorsichtig und beobachten die Lage genau.
Kontingentfeiern oder ähnliches sind zurzeit untersagt, dennoch sind die deutschen Kräfte in Kabul zu einer kleinen Kampfgemeinschaft zusammengewachsen. Auch unser Seelsorger vor Ort hat dazu beigetragen. Er gehörte zu den gut zwanzig Kameraden, die noch ohne Quarantäne aus Deutschland gekommen waren und hier in Kabul die Gruppen-Quarantäne durchmachen mussten – eine Erfahrung, von der hier noch oft gesprochen wird.
Mali: Ruhige und stabile Lage
Gao. Die aktuelle Lage in Gao ist ruhig und stabil. Die Stimmung unter den Kameraden kann als gut bewertet werden. Die Gefährdungslage vor Ort wird hingegen sehr unterschiedlich wahrgenommen: Diejenigen, die das Lager für Patrouillen oder ähnliches verlassen, haben aufgrund der Vorfälle der vergangenen Wochen und Monate sicherlich ein anderes Bild als jene, die eher im Lager bleiben.
Hauptfeind ist zur Zeit das Virus und es wird mit allen Mitteln versucht, Corona aus dem Camp fernzuhalten – bisher mit großem Erfolg. Dies führt zu minimalen Einschränkungen beim Antreten, bei Feiern oder anderen Veranstaltungen. Zur Vorbereitung für den Fall der Fälle wurden durch die Feldlagerkräfte Quarantänebereiche eingerichtet, die bis jetzt nur mit Kontaktpersonen belegt wurden – so hatte beispielsweise ein Soldat außerhalb Kontakt zu Zivilisten ohne Schutzausstattung.
Afghanistan: Erneut Einschränkungen nach bestätigtem Corona-Fall
Masar-e-Sharif. Die aktuellen Corona-Beschränkungen im Camp Marmal ähneln den Regelungen im heimatlichen Nahverkehr und in den Supermärkten. Die Truppenküche, der Marketender sowie die weiteren Betreuungseinrichtungen dürfen nur unter gewissen Auflagen wie Mundschutz und Sicherheitsabstand betreten werden. Die einheimischen Ortskräfte wurden zu großen Teilen aus Sicherheitsgründen für unbestimmte Zeit vom Dienst im Camp freigestellt, was natürlich große Einschränkungen in der Camp-Organisation zur Folge hat. Nur die absolut missionskritischen lokalen Kräfte dürfen weiterhin hier im Camp ihren Dienst leisten.
Viele Betreuungsmaßnahmen können bestenfalls eingeschränkt durchgeführt werden. So ist die Betreuung der einzelnen Einheiten auf kleine Gruppenstärken bis maximal 15 Soldaten beschränkt, die jegliche Möglichkeit nutzen, um ihre Gesunderhaltung und die Kameradschaft weiterhin zu pflegen. Geplante Kompaniefeiern über 15 Personen wie „Middle of/End of Tour“-Veranstaltungen sowie die traditionelle „Medal Parade“ unterliegen ebenfalls den Einschränkungen. Diese Situation belastet nicht nur die Soldaten an sich, sondern beschränkt auch deutlich die Handlungsmöglichkeiten aller Spieße.
Bis zum 29. Mai wurden durch den Kontingentführer Woche für Woche leichte Anpassungen hin zu mehr Betreuungsmöglichkeiten im Camp zugelassen. Dann kam, was irgendwann kommen musste: Am 30. Mai wurde der erste bestätigte COVID-19-Fall im Camp Marmal bekanntgegeben. Alle Anpassungen der vergangenen Wochen werden nun verständlicherweise für mindestens 16 Tage ausgesetzt.
Die Stimmung unter den Soldaten würden wir derzeit als schon etwas gedrückt einstufen. Jeder versieht seine Arbeit, geht essen, anschließend wieder arbeiten und so weiter. Die Nebentheken und alle weiteren Betreuungseinrichtungen sind derzeit nur als „Take away“ nutzbar. Zum Teil spüren wir die Verunsicherung bei unseren Kameraden: Wir werden mit Fragen konfrontiert, warum es so starke Einschränkungen für uns alle gibt. Da es aber nur wenige Intensivstation-Betten gibt, müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um eine weitere Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern.
Niger: Ausschließliche Verpflegung mit EPa
Niamey. Die Lage in Niamey ist als stabil und die Stimmung im Kontingent grundsätzlich als gut zu bewerten. Derzeit machen uns die Einschränkungen aufgrund von COVID-19, hier insbesondere die seit nunmehr acht Wochen andauernde ausschließliche Verpflegung mit EPa, am meisten zu schaffen. Kontingentfeiern oder ähnliche Veranstaltungen sind – unter Einschränkungen – grundsätzlich möglich.
Auch die Quarantäne im Inland (der sogenannte Einsatz vor dem Einsatz) sowie die angeordnete zweiwöchige „Lagerquarantäne“ und die damit einhergehenden längeren Übergabezeiten und die Erhöhung der Personenanzahl im Feldlager führen, zumindest bisher, nicht zu einer signifikanten Verschlechterung der Stimmung im Kontingent.
In Anbetracht der oben geschilderten Umstände gerät verständlicherweise die Gefährdungslage, welche aufgrund latenter terroristischer Bedrohung als mittel bis niedrig einzustufen ist, bei den Kameraden eindeutig in den Hintergrund.
Jordanien: Kein Kontakt zu Amerikanern
Al-Asrak. Die Stimmung hier in Jordanien ist relativ entspannt, da die momentane Gefährdungslage nicht sehr hoch ist. Die Kameraden wissen, wie sich die Lage entwickeln kann und ihr Verhalten ist dementsprechend angepasst. Einschränkungen gibt es beim Thema Versorgungsfahrten; durch Corona wurde vieles stark reduziert. Innerhalb des Camps haben wir aber kaum Einschränkungen.
Der Kontakt zu den Amerikanern ist untersagt, daher kann man das Angebot der Amerikaner, wie beispielsweise deren Einkaufsmöglichkeiten, nicht wahrnehmen. Zusätzlich sind auch Beschaffungsfahrten nach Amman stark eingeschränkt. Normale Feiern innerhalb des Camps sind möglich. Zusätzlich konnte auch ein Kontingentfest mit einer jordanischen Band stattfinden, wobei hier einige Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden mussten, um das Risiko so gering wie möglich zu halten.
Operation Atalanta: Deutlich längere Einsatzzeit der P-3C „Orion“-Besatzung
Dschibuti. Auf der Base Arienne 188 in Dschibuti, bei 42 Grad im Schatten, bereiten sich rund 70 Männer und Frauen des 30. Kontingents Deutsche Einsatzkräfte Atalanta nach fast vier Monaten Einsatz auf ihre Rückführung nach Deutschland vor. Die fliegende Besatzung des Überwachungsflugzeuges P-3C „Orion“ aus Nordholz konnte aufgrund der Corona-Pandemie zwischenzeitlich nicht ausgewechselt werden und blieb deutlich über die geplante Zeit hinaus im Einsatz. Trotz der ungewohnten persönlichen Einschränkungen zum Schutz gegen Corona blieb die Stimmung unter den Soldaten sehr gut. Jeder Soldat hat es verstanden, dass die getroffenen Maßnahmen, wie allgemeine Hygiene, Abstandhalten, Tragen von Nasen-Mund-Schutz, dem Schutz jedes Einzelnen dienten. Das hat hervorragend geklappt.
Mali: Bereitschaft aufrechterhalten
Koulikoro. Aufgrund von COVID-19 haben wir die Ausbildung ausgesetzt. Aktuell geht es um die Gewährleistung, jederzeit wieder in vollem Umfang bereit zu sein, um unsere Mission hier in Mali wieder hochfahren zu können. Die Kameraden halten diese Bereitschaft aufrecht und dies mit einem Personalansatz von etwa einem Drittel gegenüber der Hochzeit noch vor wenigen Monaten. Die Reduzierung geschah zum Schutz der Bevölkerung in Mali und natürlich auch der eigenen Soldaten.
Angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage in einigen Regionen Malis besteht der Ausbildungsbedarf dringender als je zuvor. Um nach wie vor ein Mindestmaß an erfolgreicher Ausbildung umsetzen zu können, steht der Kontingentführer nicht nur nahezu täglich mit den anderen Nationen hier in Koulikoro inklusive der Gastgeber in Kontakt, sondern es werden auch fernmündliche Beratungsdienstleistungen angeboten, auf die die Malier intensiv zurückgreifen. Diese Form der Kooperation wird so lange auf alternativen Wegen praktiziert werden, bis wieder voll in die Ausbildung eingestiegen werden kann.
Im täglichen Dienstbetrieb gehören die obligatorische Schutzmaske und Handschuhe, die immer mitgeführt werden, genauso dazu wie das morgendliche Temperaturmessen. Die Truppe selbst sieht übrigens die Fürsorgemaßnahmen des Ministeriums und der Bundesregierung absolut positiv. Der Kontakt mit den malischen Bürgern ist stark begrenzt. Die Malier selbst informieren die Bevölkerung mit großen Werbeplakaten an allen Hauptstraßen, die über die Gefahren von COVID-19 aufklären, und ständigen Hinweisen über die Medien und via SMS im malischen Mobilfunknetz.