Oberstleutnant i.G. Florian Schleiffer (l.) während einer Besprechung mit einem Hauptmann vom österreichischen Bundesheer. Foto: Bundeswehr/Gerrit Hohmann

Oberstleutnant i.G. Florian Schleiffer (l.) während einer Besprechung mit einem Hauptmann vom österreichischen Bundesheer. Foto: Bundeswehr/Gerrit Hohmann

09.08.2020
Christine Hepner

EUTM Mali: Beratung per Telefon

Der Kontingentführer des deutschen Einsatzkontingents EUTM Mali, Oberstleutnant i.G. Florian Schleiffer, beschreibt im Interview, wie die Bundeswehr die malischen Streitkräfte trotz Aussetzung der Ausbildung unterstützt. Außerdem geht er darauf ein, wie die Ausweitung der Trainingsmission vorbereitet wird und warum sie für ihn ein Marathonlauf ist.

Die Bundeswehr: Sie sind seit Mai 2020 Kontingentführer von EUTM Mali, in einer Zeit, in der die Ausbildung aufgrund von COVID-19 ausgesetzt wurde. Wie sieht die praktische Arbeit vor Ort jetzt aus?
Oberstleutnant i.G. Florian Schleiffer:  Die praktische Arbeit vor Ort ist gar nicht so wenig. Das Kontingent, das ich im Moment führe, ist aufgrund der COVID-Einschränkungen auf ein operatives Minimum reduziert worden. Es wurde genau abgewogen, welcher Dienstposten bleiben muss, um die Einsatzbereitschaft weiter zu gewährleisten und bestimmte Abstimmungen mit den Maliern weiter durchführen zu können. Und obwohl die Ausbildung ausgesetzt ist, sind wir doch sehr beschäftigt damit, uns regelmäßig mit den Maliern darüber abzustimmen, wie und wann wir wieder damit anfangen können. Wir sind natürlich telefonisch an unseren malischen Partnern dran. In der Hauptstadt Bamako finden auch regelmäßige Abstimmungstreffen mit der malischen Seite statt, um den Bedarf klar erkennen zu können. Und auch wenn es keine Dienstreisen in die Einsatzländer gibt, so ist die Verbindung nach Deutschland doch stabil. Ein Beispiel dafür ist eine VTC-Konferenz, die wir mit der frisch im Amt befindlichen Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags hatten, und auch kurz vor meinem Dienstantritt als Kontingentführer hat mein Vorgänger noch eine VTC mit der Ministerin führen können, bei der ich dabei sein konnte. Aber auch bei regelmäßigen Abstimmungen mit dem Einsatzführungskommando stehen die Verbindungen und wir bekommen die notwendigen Vorgaben, um den Auftrag durchführen zu können.
 
Sie sagten, Sie stimmen sich mit den Maliern ab, wann die Ausbildung wieder starten kann. Wann ist es so weit?
Den Maliern ist natürlich auch bewusst, dass wir wegen COVID-19 in einer besonderen Lage sind. Wir können in dieser Ausnahmesituation erkennen, dass die Ausbildung der Malier wichtiger denn je ist. Die Sicherheitslage ist komplex und vielschichtig hier im Land und, auf lange Sicht gesehen, ist ja das Ziel, dass Mali in der Lage ist, mit den Sicherheitsproblemen vor allem in Zentralmali und im Norden selbst klarzukommen. Und genau auf diesem Weg helfen wir ihnen. Ich werde oft nach einem genauen Datum gefragt und merke dann, wie mein Bleistift auf dem Kalender von links nach rechts fährt, aber nirgends ein Kreuz macht. Hier hätte gerne jeder eine Glaskugel, um in die Zukunft schauen zu können. Man muss jetzt einfach sehen, wie sich das auf der Zeitlinie entwickelt. Der Ausbildungsbedarf ist klar da, die Malier sind auch dankbar, dass wir mit einer Rumpfmannschaft in dieser Situation da sind und weiter beratend tätig sein können.

Der Ausbildungsbedarf ist da – wie wird aktuell damit umgegangen?
Die Standardausbildungen sind zwar ausgesetzt, aber wir haben auch schon malische Ausbilder ausgebildet. Da wir ja irgendwann auch wieder damit aufhören wollen, die Malier auszubilden, befähigen wir malische Dienstgrade, auch selbst in ihren Streitkräften bessere oder andere Ausbildungen durchzuführen. Diese malischen Ausbilder, von denen es schon einige gibt, bilden ihre eigenen Einheiten aus, bevor diese in Zentralmali oder im Norden in den Einsatz gehen. Wir sind dann in der Lage, sie telefonisch zu begleiten. Die EU-Ausbildungsmission ruht auf zwei Säulen: Eine Säule – und da bin ich jetzt in Koulikoro eingesetzt – ist die eigentliche Ausbildungssäule. Aber es gibt auch die Beratungssäule und die ist in Bamako verortet. Dort gibt es Stabsoffiziere aus verschiedenen Nationen, die täglich die Obersten und Generale des malischen Generalstabs und der militärischen Führung beraten. Dort sind zwar im Moment auch nicht alle Dienstposten besetzt, aber die sind täglich in Gesprächen und Abstimmungen. Genau diese Abstimmungen sind jetzt wichtig, damit wir dann auch genau takten können, wer wann wieder ins Land kommt, wenn Brüssel die Ausbildung wieder genehmigt.

Wie schnell könnten die Deutschen reagieren, wenn beschlossen wird, wieder mit der Ausbildung zu beginnen?
Wir gehen davon aus, dass eine truppenstellende Nation, die jetzt für den Einsatz vorgesehene Ausbilder zu Hause zurückhält, einen guten Monat Vorwarnzeit braucht, um entsprechende Vorbereitungen einzuleiten. Das Personal kann ja nicht auf Knopfdruck verlegen. Beim deutschen Personal ist es im Moment so, dass sie zwei Wochen in Quarantäne zu Hause sind, bevor sie verlegen. Und auch nach der Ankunft hier im Land hätten die Ausbilder eine zweite Phase von 14 Tagen, in denen sie das Lager nicht verlassen. So sieht die grobe Zeitlinie aus.

Es wurde beschlossen, dass das EUTM-Mandat auf die G5-Sahel-Staaten erweitert wird. Wie sehen die Vorbereitungen dafür aus? Was passiert in der Zeit, in der Sie noch in Mali sind?
Ich habe eine Einsatzstehzeit von sechs Monaten, ich werde wahrscheinlich Anfang Oktober von meinem Nachfolger abgelöst. Jetzt laufen natürlich die Planungen. Das neue Mandat sieht vor, dass die EUTM Mali nicht nur in Mali eingesetzt wird, sondern auch in den G5-Sahel-Staaten, und dass man enger mit anderen Missionen zusammenarbeitet. Da erhalten wir dann noch Weisungen aus Berlin, die vom Einsatzführungskommando in Potsdam umgesetzt werden. Uns ist klar, dass das ein Schritt in die richtige Richtung ist, wenn man weiter in Zentralmali ausbildet und nicht nur hier im Süden. Wenn ich auf eine Mali-Landkarte schaue und die mit dem Lineal gezogene Grenzlinien gerade im Norden sehe – solche Grenzen sieht man ja im Gelände gar nicht, und die, die Mali bedrohen und in der Sahel-Region Unruhe stiften, halten sich natürlich auch nicht an die Grenzen. So kann ich nachvollziehen, dass man den Gesamtansatz fährt und auch in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern diese Grenzen eben nicht mehr als Hindernis sieht, sondern die Probleme in einem Gesamtansatz zu packen versucht.

Sie waren 2013/2014 Einsatzplaner in der Einsatzgruppe Mali im Einsatzführungskommando, das heißt, Sie waren im Grunde seit der ersten Stunde dabei. Wie sieht die Realität jetzt im Vergleich zur damaligen Planung aus?
Wenn ich auf den Zeitstrahl schaue, fing das ja 2013 an. Die Mission ist gute sieben Jahre alt. Wenn man sieht, dass dann doch eine fünfstellige Anzahl von malischen Lehrgangsteilnehmern hier insgesamt Lehrgänge besucht hatten – das sind auf alle Lehrgänge bezogen so um die 15 000 – das ist eine gute Leistung und das zeigt auch, wie wichtig das hier ist. Für mich ist das natürlich ein angenehmer Perspektivenwechsel, dass ich quasi als Major 2013 und 2014 in Potsdam die Kontingente mit planen durfte, Kontingentführer einweisen konnte und den Kontingenten quasi indirekt das Lastenheft schreiben konnte. Und jetzt bin ich genau auf der anderen Seite und einer der Kontingentführer. Ich hatte das Glück, nach der Zeit im Einsatzführungskommando im Ministerium in Berlin noch ein Jahr lang Mali weitermachen zu dürfen. Das ist natürlich schön, wenn man inhaltlich an einer Sache dranbleiben kann. Und jetzt, mit ein paar Jahren Abstand, wurde ich in Potsdam und in Berlin als Kontingentführer eingewiesen, da kann man dann doch manche Dinge anders einordnen. Der Erfolg steht und fällt natürlich auch immer mit dem Kontingent, das man führt. Man steht zwar an der Spitze als Kontingentführer, aber das lebt eigentlich davon, dass jeder Einzelne hier mitzieht und mitmacht. Und das erkenne ich auch im täglichen Gespräch, wenn ich hier die Frauen und Männer sehe, die alle hochmotiviert sind und genau wissen, in welcher schwierigen Phase wir hier gerade sind.

Der eigentliche vier- bis sechsmonatige Einsatz ist die eine Sache, aber das jetzt zu tun, wenn daheim die Lage auch nicht einfach ist, das ist eine zusätzliche Belastung, die aber, nach meiner Bewertung, hier alle erkennen und auch wegstecken. Wir haben unseren Auftrag und machen das hier ordentlich, sodass man da wirklich die Motivation spürt.

Wie bewerten Sie die aktuelle Situation in Mali, insbesondere im Hinblick auf Ziel und Dauer der Mission?
Ich stelle immer gerne den Vergleich mit Sportarten an und rede dann nicht von einem 50- oder 100-Meter-Lauf, sondern von einem Langstreckenlauf oder sogar von einem Marathon. Da sind wir sehr gut dabei, in den Kontingenten wird der Staffelstab weitergegeben, das ist auch bei den anderen Nationen so.

Aber wir sind noch lange nicht fertig. Wenn man sieht, dass die Malier jetzt mit gut geschützten Radfahrzeugen, in die auch Deutschland investiert hat, in Gefechten wesentlich bessere Chancen haben zu bestehen, dann ist es schon wichtig, dass wir da sind und das auch noch eine Weile machen. Ich denke auch, dass die Ausweitung der Mission auf andere Länder ein Zeichen dafür ist, dass man hier länger investiert und den Ansatz vergrößert.

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