Bundeswehr verlässt Zentralirak - US-Regierung dementiert Abzugspläne
Der internationale Konflikt nach der Tötung von Irans Top-General Soleimani durch die USA hat Auswirkungen auf die Bundeswehr: Sie zieht ihre Soldaten aus den Standorten Bagdad und Tadschi im Irak vorerst ab. Aus den USA kommt überraschend eine andere Ansage.
Washington/Bagdad/Kerman/Berlin. Die Bundeswehr hat ihre im Zentralirak eingesetzten Soldaten wegen der Spannungen in dem Land abgezogen. Die zuletzt 32 Männer und Frauen im Militärkomplex Tadschi seien am Dienstag mit einem Transportflugzeug A400M zur Luftwaffenbasis Al-Asrak in Jordanien gebracht worden, teilte die Bundeswehr mit. Zudem wurden bereits am Vortag drei deutsche Soldaten zusammen mit Offizieren anderer Nationen aus dem Hauptquartier in Bagdad nach Kuwait geflogen.
Zuvor hatten Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) an die Obleute im Verteidigungs- und im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags geschrieben, dass vor allem die Standort Bagdad und Tadschi «vorübergehend ausgedünnt» würden. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Das US-Militär hegt trotz der Forderung des irakischen Parlaments nach einem Truppenabzug aller ausländischen Streitkräfte nach eigenen Angaben keine entsprechenden Pläne. «Die US-Politik in Bezug auf unsere Truppenpräsenz im Irak hat sich nicht verändert», erklärte Pentagon-Sprecherin Alyssa Farah am Montagabend (Ortszeit). Damit trat sie dem - durch einen Brief an das irakische Verteidigungsministerium entstandenen - Eindruck entgegen, das Militär habe Vorbereitungen für einen Abzug der US-Soldaten angekündigt. Generalstabschef Mark Milley bezeichnete den Brief später als Entwurf, der versehentlich publik geworden sei.
Die USA haben derzeit rund 5000 Soldaten im Irak stationiert, vor allem als Teil des internationalen Militärbündnisses für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Das Parlament in Bagdad hat die irakische Regierung aufgefordert, alle ausländischen Truppen des Landes zu verweisen. Auch den irakischen Luftraum sollen ausländische Truppen künftig nicht mehr nutzen dürfen. Der Beschluss vom Sonntag war durch den tödlichen US-Luftangriff auf den iranischen Top-General Ghassem Soleimani in Bagdad ausgelöst worden.
Bei einer Massenpanik während des Trauerzugs für Soleimani in seiner Geburtstadt Kerman im Südosten des Landes kamen am Dienstag mindestens 40 Menschen ums Leben. Das berichtete das Staatsfernsehen unter Berufung auf die Behörden. Außerdem wurden Dutzende verletzt. Die Opferzahl könnte noch steigen, hieß es. Wegen der riesigen Menschenmenge musste die Beisetzung Suleimanis verschoben werden. Es bestehe keine Möglichkeit die Leiche zum Friedhof zu bringen, hieß es. Die Behörden baten die Menschen, den Weg vom Asadi-Platz zum Friedhof freizumachen, damit die Beerdigung stattfinden kann.
Die Regierung hatte den Tag zu einem örtlichen Feiertag in Kerman erklärt, um möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich von dem ranghohen General zu verabschieden. Am Montag hatten an einem Trauerzug in der Hauptstadt Teheran örtlichen Medienberichten zufolge Millionen Menschen teilgenommen. Der von den USA als Terrorist betrachtete General wird im Iran nun als Märtyrer verehrt. Der US-Regierung zufolge plante er tödliche Angriffe auf US-Bürger.
Soleimani war als Chef der iranischen Al-Kuds-Einheiten der wichtigste Vertreter der Streitkräfte des Irans im Ausland und galt als Architekt der Militärstrategie Teherans im Nahen Osten. Der Iran hat im Irak großen Einfluss, stützt sich in militärischen Fragen aber vor allem auf örtliche schiitische Milizen.
Sollte es tatsächlich zu einem Abzug ausländischer Soldaten aus dem Irak kommen, wäre das ein großer Erfolg für Teheran. US-Präsident Donald Trump drohte dem Irak mit drastischen Sanktionen, falls das Land die US-Bedingungen für einen Abzug nicht akzeptieren würde. Trump forderte etwa die Rückerstattung von Kosten für von der US-Regierung finanzierte Infrastruktur im Irak.
Das Pentagon distanzierte sich von der Drohung Trumps, im Falle iranischer Angriffe auf US-Ziele auch bedeutende Kulturstätten im Iran zu attackieren. «Wir werden die Gesetze des bewaffneten Konflikts befolgen», hieß es bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Verteidigungsminister Mark Esper und Generalstabschef Mark Milley am Montag (Ortszeit). Trump hatte am Samstag mit Angriffen auf Dutzende iranische Ziele gedroht, darunter auch kulturell bedeutende Orte. Diese Drohung sorgte im In- und Ausland für Entrüstung.
Außenminister Maas und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer bekräftigen in ihrem Schreiben, dass mit der irakischen Regierung weiter Gespräche über eine Fortsetzung des Einsatzes geführt würden. «Selbstverständlich werden wir jede souveräne Entscheidung der irakischen Regierung respektieren», heißt es dort. «Wir sind grundsätzlich bereit, unsere bewährte Unterstützung in einem international koordinierten Rahmen weiterzuführen, sofern dies durch den Irak gewünscht ist und die Lage es erlaubt.»
Die Bundeswehr unterstützt den Kampf gegen den IS mit Tornado-Aufklärungsjets und Tankflugzeugen sowie mit Militärausbildern im Irak. Die Flüge über dem Irak und Syrien finden nach wie vor statt.
Angesichts der Forderung des irakischen Parlaments stellte der Wehrbeauftragte des Bundestags den gesamten Bundeswehreinsatz in dem Krisenland infrage. Eine Entscheidung der Führung in Bagdad müsse akzeptiert werden, sagte der SPD-Politiker Hans-Peter Bartels der «Passauer Neuen Presse» (Dienstag). Außenminister Maas sagte am Montagabend im ZDF-«Heute Journal», es gebe kein Mitglied der Anti-IS-Koalition, das «im Irak bleiben wird, wenn man dort nicht erwünscht ist». Letztlich entscheiden müsse dies die Regierung in Bagdad.
Der Iran hat Vergeltung für die Tötung Soleimanis angekündigt. Das iranische Parlament erhöhte das Budget der Revolutionsgarden (IRGC) bis zum Ende des persischen Jahres (20. März 2020) um 200 Millionen Euro. Das gab Parlamentspräsident Ali Laridschani am Dienstag bekannt. Die Erhöhung stehe im Zusammenhang mit der Umsetzung des Plans der «harten Rache».
Die internationale Krisendiplomatie läuft indes auf Hochtouren. Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens wollten am Dienstagnachmittag - nach einem Libyen-Krisentreffen mit ihrem italienischen Kollegen und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell - in einer Dreierrunde in Brüssel über die Lage im Nahen Osten und das Atomabkommen mit dem Iran beraten. Die EU-Außenminister wollen sich am Freitag zu einer Sondersitzung in Brüssel treffen.