„Die Impfung ist der Schlüssel zum Sieg über die Pandemie“
Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und Befehlshaber Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, beantwortet im Interview mit dem Vorstand Sanitätsdienst im DBwV-Bundesvorstand die drängendsten Fragen rund um die Impfkampagne gegen COVID-19.
Wie bewerten Sie die derzeitige Lage in der Pandemie? Welche Wirkung erwarten Sie von der jetzt angelaufenen Impfkampagne?
Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner:Die seit dem Spätjahr laufende zweite Welle der Pandemie war erwartungsgemäß heftiger als es die erste Welle im Frühjahr 2020 war. Die bisherigen Maßnahmen haben bisher nicht zu einer ausreichenden Reduktion der Inzidenz geführt, sodass in weiten Teilen des Landes das öffentliche Gesundheitswesen nicht mehr zu einer detaillierten Nachverfolgung der Infektionsketten und damit zu einer erfolgreichen Eindämmung des Infektionsgeschehens in der Lage ist. In Verbindung mit der Gefahr der Verbreitung von deutlich infektiöseren Mutationen des Virus ist dies eine hochgefährliche Situation, die das Potenzial hat, die Kapazitäten des Gesundheitswesens deutlich zu überfordern.
Die Impfung ist meines Erachtens die einzige Möglichkeit für uns, diese Pandemie letztlich zu überwinden. Deshalb freue ich mich sehr, dass es gelungen ist, in einer extrem kurzen Zeit Impfstoffe zu entwickeln und sogar mit der Impfung zu beginnen. Ich bin ebenso froh darüber, dass dabei, nach allem was wir aus der Studienlage wissen, hochpotente und gut verträgliche Impfstoffe entstanden sind. Die Tatsache, dass diese Impfstoffe trotz aller Eile vor der Freigabe den üblichen Prüfungsschritten unterzogen worden sind, war aus meiner Sicht zur Vertrauensbildung sehr wichtig. Wir müssen uns aber im Klaren sein, dass durch die Impfkampagne erst im Laufe von Monaten ein Status erreicht werden kann, der es uns ermöglicht, wieder ohne teils einschneidende Restriktionen und Vorsichtsmaßnahmen zu leben. Es kommt also darauf an, jetzt nicht die Geduld zu verlieren und weiterhin achtsam zu sein!
Wie ist die Impfkampagne für die Angehörigen der Bundeswehr vorgesehen? Wird es ein eigenes Impfstoffkontingent geben?
Aufgrund begrenzter Impfstoffverfügbarkeit kann die Impfung zunächst nur bestimmten Personengruppen angeboten werden, die ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe einer COVID-19-Erkrankung haben, oder die beruflich entweder besonders exponiert sind oder durch engen Kontakt zu vulnerablen Personengruppen besonders gefährdet sind. Bei zunehmender Impfstoffverfügbarkeit sollen weitere von der Ständigen Impfkommission definierte Personengruppen mit besonderen Risiken vorrangig geimpft werden. Die Priorisierungsempfehlung hat nur so lange Gültigkeit, bis genügend Impfstoff verfügbar ist, um allen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu einer Impfung gegen COVID-19 anbieten zu können.
An diese Priorisierung haben sich auch die staatlichen Institutionen, und damit auch wir in der Bundeswehr, grundsätzlich zu halten. Das bedeutet, dass auch innerhalb der Bundeswehr jetzt zunächst Hochrisikopatienten und vor allem das an vorderster Front eingesetzte und gefährdete medizinische Personal zur Impfung anstehen. Dies betrifft in erster Linie meine Krankenhäuser, die truppenärztlichen Einrichtungen, das Personal, das in der Amtshilfe in Krankenhäusern und Alten- und Pflegeeinrichtungen eingesetzt ist.
Wir haben ja ein eingeübtes System der Massenimpfung in der Bundeswehr. Deshalb halte ich es für sinnvoll, in diesem System auch die gezielte Impfung unserer Soldaten und unserer zivilen Mitarbeiter durchzuführen. Dazu benötigen wir die Zuweisung eines entsprechenden Kontingents an Impfstoffdosen. Dies ist bisher noch nicht erfolgt. Ich gehe davon aus, dass wir in wenigen Wochen in einer anderen Situation sind. Wenn wir über ein eigenes Impfstoffkontingent verfügen, werden wir mit den Truppenärztinnen und Truppenärzten die Impfung innerhalb der Bundeswehr organisieren. Hierauf bereiten wir uns vor.
Soldaten werden also nicht bevorzugt behandelt, nicht einmal Soldaten, die in den Auslandseinsatz gehen. Gibt es hier noch eine Möglichkeit nachzusteuern?
Ich halte es für dringend erforderlich, dass wir die Möglichkeit erhalten, die Soldatinnen und Soldaten, die in den nächsten Wochen und Monaten in die Auslandseinsätze gehen, vorher zu impfen. Wir haben zwar bisher keine Infektionen in die Einsätze eingeschleppt, es zeigt sich aber, dass in den besonderen Lebens- und Arbeitsumständen im Einsatz der Schutz vor einer Infektion nicht so strikt umgesetzt werden kann, wie dies in Deutschland möglich wäre. Gleichzeitig ist die medizinische Versorgungsmöglichkeit in den Einsatzgebieten deutlich eingeschränkt. Das Infektionsgeschehen wäre umso schwieriger zu kontrollieren, wenn auch in den Einsatzgebieten zunehmend mutierte Viren auftreten sollten. Deshalb sollte für die Kontingentsoldaten der Einsatzkontingente eine höhere Priorisierung festgelegt werden.
Was ist mit unseren Soldatinnen und Soldaten im Corona-Hilfseinsatz beispielsweise in Alten- oder Pflegeheimen?
So lange die Bundeswehr über kein eigenes Impfstoffkontingent verfügt, ist eine systematische Impfung dieses Personenkreises in der Bundeswehr nicht möglich. Deshalb erhalten derzeit die Soldaten, die in der Hilfeleistung in den Altenheimen tätig sind, die Impfung zusammen mit den anderen Mitarbeitenden der jeweiligen Einrichtungen vor Ort, wo immer dies möglich ist. Die Bundesländer planen, dass dem Personal in den Impfzentren eine COVID-19-Impfung angeboten werden soll. Das umfasst neben dem ärztlichen Personal auch alle weiteren Personen, die direkten Kontakt zu den Patientinnen und Patienten haben, also auch die Angehörigen der Bundeswehr, die dort eingesetzt sind. Das Personal im Corona-Einsatz in meinen Bundeswehrkrankenhäusern wird derzeit durch Impfstoff geimpft, der jeweils von den Bundesländern bereitgestellt wird. Darüber sind insgesamt schon mehr als 3000 Soldatinnen und Soldaten geimpft worden.
Ist für Impfungen außerhalb der Bundeswehr die Haftungsfrage geklärt, falls es zu Impfschäden kommen sollte?
Ich denke, dass diese Frage geklärt ist. Es kommt hier im Wesentlichen darauf an, dass die Impfung ausreichend dokumentiert ist. Das Kommando Regionale Sanitätsunterstützung hat hierzu ein Dokument vorbereitet, das die notwendigen Voraussetzungen zur Dokumentation schaffen soll. Das kann man mitführen, bei der Impfung stempeln lassen und dies wird dann in die G-Karte aufgenommen. Dann sind alle Voraussetzungen für eine Impfung nach der gültigen Regelung erfüllt. Mit dieser Maßnahme sind dann alle Haftungsfragen eindeutig geklärt und die Soldatinnen und Soldaten sind so abgesichert, wie dies bei einer Impfung durch den Truppenarzt der Fall wäre.
Wie ist die Impfbereitschaft unter den Soldaten?
Dazu liegen mir keine gesicherten Erkenntnisse für alle Bereiche vor. In den Bundeswehrkrankenhäusern ist die Impfbereitschaft aus naheliegenden Gründen überwältigend. Mein Personal auf den Intensivstationen empfindet die Impfung ein Stück weit als Befreiungsschlag. Ich gehe aber davon aus, dass Soldatinnen und Soldaten generell in ihrem Leben weit überwiegend positive Erfahrungen mit Impfungen gemacht haben, und dass es nur vereinzelt Skeptiker oder sogar Impfgegner in unseren Reihen gibt. Wir müssen dennoch die Bedeutung der Impfung immer wieder hervorheben und um Vertrauen werben. Die Impfung ist der Schlüssel zum Sieg über die Pandemie!
Wie wird die Impfung protokolliert? Entsprechen die Dokumentationspflichten denen aus dem zivilen Bereich?
Generell wird jede Impfung in der Gesundheitsakte dokumentiert. Die Dokumentationspflichten entsprechen denen des zivilen Gesundheitswesens.
Wie sieht es mit den zivilen Angehörigen der Bundeswehr bei all diesen Fragen aus?
Die zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bundeswehrkrankenhäusern, die unter die höchste Priorität fallen, werden dort bereits geimpft. Ansonsten müssen sich zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst auf das zivile Gesundheitssystem abstützen. Sobald genügend eigener Impfstoff zur Verfügung steht, ist geplant, ein Impfangebot innerhalb der Bundeswehr, analog zum Vorgehen bei der Influenza-Impfung, zu machen.
Wird es, sobald genügend Impfstoff vorhanden ist, eine Aufnahme der Corona-Impfung in den Reigen der Basisimpfung geben? Wie ist der Stand der Dinge?
Meine Position zu dieser Frage ist eindeutig. Ich empfehle die Aufnahme der COVID-19-Impfung in den sogenannten Basisimpfschutz. Das macht aber erst Sinn, wenn dafür auch genügend Impfstoff zur Verfügung steht. Eine Aktualisierung der Vorschrift wird entsprechend erforderlich. Die „Duldungspflicht“ hat sich insbesondere bei den darauf aufbauenden Immunisierungen der Einsatzkontingente bewährt. Ich verweise an dieser Stelle auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Dezember des vergangenen Jahres, der die Vorgehensweise in der Bundeswehr im Kern bestätigt und die Impfpflicht als Teil der soldatischen Gesunderhaltungspflicht anerkennt. Durch die besonderen Bedingungen des engen Zusammenlebens in den Einsätzen und auch in Gemeinschaftsunterkünften in Deutschland sind Soldatinnen und Soldaten per se einem relativ höheren Infektionsrisiko ausgesetzt als andere Bevölkerungsgruppen. Zudem kommen die Angehörigen der meisten Verbände und Einheiten aus verschiedenen Regionen des gesamten Bundesgebietes. Deshalb zielen Impfungen in der Bundeswehr immer gleichzeitig auf den Schutz der Gemeinschaft und des Individuums ab und darauf, die in Artikel 87a Absatz 1 des Grundgesetzes vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu gewährleisten.
Ich sehe auch keinen Unterschied zur Grippeschutzimpfung, die ebenfalls geduldet werden muss. Ein Impfstoff wird erst nach ausreichender Überprüfung auf den Markt gebracht (präklinische und klinische Phase, Zulassungsprüfung, Auflagen der Zulassungsbehörden und Marktzulassung, Nachzulassungsbeobachtung). Nach seiner Marktzulassung erfolgt eine ständige Kontrolle („Surveillance“) und die Evaluierung von Wirksamkeit und möglicher Nebenwirkungen. Nebenwirkungen und Impfreaktionen werden in Deutschland zentral – und herstellerunabhängig – vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erfasst. Durch die Zusammenfassung von nationalen und internationalen Beobachtungen kann sichergestellt werden, dass auch Risiken von Impfstoffen berücksichtigt werden, die so selten sind, dass sie erst bei einer sehr großen Anzahl durchgeführter Impfungen sichtbar werden.
Mit welchen Folgen haben Soldaten zu rechnen, die die Impfung verweigern?
Bei Duldungspflicht kann eine Soldatin oder ein Soldat disziplinarrechtlich belangt werden, wenn sie oder er die Impfung verweigert. Das oben genannte Gerichtsurteil hat dies bestätigt. Besser ist aber eine Situation, in der jeder Soldat die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Impfung erkennt und die Impfpflicht befolgt. Ich möchte deshalb nicht die Sanktionen betonen, sondern auf die Vorteile einer Impfung hinweisen. Sie ist, wie ich bereits betont habe, neben unserem persönlichen verantwortungsvollen Handeln die wirksamste Waffe gegen die Pandemie und zur Wiedererlangung unserer Freiheiten. Mir ist bewusst, dass derzeit auch gezielte Desinformationskampagnen laufen, um Ängste zu schüren.
Deshalb sage ich: Haben Sie Vertrauen in unsere renommierten Behörden, die wissenschaftlich fundiert die Arzneimittelsicherheit und -wirksamkeit beurteilen und dies für die in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfungen bescheinigt haben. Die Gesundheit unserer Soldatinnen und Soldaten zu schützen, ist ein Auftrag, dem ich mich verpflichtet fühle. In diesem Kontext bitte ich Sie auch meine deutliche Empfehlung für die Impfung zu verstehen.
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