Ein Reservist der RSU-Kompanie Berlin beim Nahbereichsschießen mit der Pistole P8. Foto: Randolf Marc Richter

Ein Reservist der RSU-Kompanie Berlin beim Nahbereichsschießen mit der Pistole P8. Foto: Randolf Marc Richter

08.05.2019
gk

Zwischen Motivation und Ausrüstungsmängeln - Einblick in den Reserve-Alltag

Oberstabsfeldwebel d.R. Udo Lübeck blickt mittlerweile auf rund 33 Dienstjahre in der Bundeswehr und der Reserve zurück. In diversen Verwendungen hat er regelmäßig Reservistendienst geleistet und ist seit 2014 als Kompaniefeldwebel der Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanie Berlin beordert. Im Interview spricht er über die Probleme und Erlebnisse im Reserve-Alltag: Ausrüstungsmängel, die gefühlte mangelnde Unterstützung seitens der Politik und trotz alledem hoch motivierte Reservistendienst Leistende.

Die Bundeswehr: Warum sind Sie Reservist geworden – und was haben Sie persönlich bislang davon gehabt?

Oberstabsfeldwebel d.R. Udo Lübeck: Zunächst hat mir der Soldatenberuf sehr gefallen. Meine ursprüngliche Planung ging damals in Richtung SaZ 12. Mein Austritt aus der Bundeswehr war nur der Tatsache geschuldet, dass in den recht wilden Jahren nach der Wiedervereinigung und der anlaufenden Neuausrichtung nicht ganz klar war, wohin sich die Bundeswehr eigentlich entwickelt. Da habe ich für mich entschieden, in der freien Wirtschaft Fuß zu fassen, und konnte erfolgreich eine Karriere bei der T-Systems, der IT-Tochter der Telekom, starten. Die Führungsqualitäten, die ich bei der Bundeswehr erlernt habe – beispielsweise in Extremsituationen den Überblick zu behalten,  Geradlinigkeit und Selbstdisziplin – haben mir sehr geholfen, auch im Projektumfeld als IT-Manager zielfokussiert zu arbeiten. Gleichzeitig konnte ich parallel meine Reservedienstzeiten bei der Bundeswehr dazu nutzen, für mich persönlich einen Schalter im Kopf umzulegen, um mich von meinen zivilberuflichen Aufgaben zu trennen und auf etwas komplett anderes zu konzentrieren. So konnte ich unter anderem weitere Führungskompetenzen entwickeln, die mir im zivilen Leben grundsätzlich immer weitergeholfen haben. Die zivile Arbeit und der militärische Dienst haben sich gegenseitig immer befruchtet. Das haben meine Vorgesetzten auch so wahrgenommen und mich deshalb weitestgehend unterstützt.

Das Zweite, was mich später in der Verwendung als Kompaniefeldwebel sehr stark motiviert hat, war der Einsatz für meine Männer und Frauen. Ich bin da von meinem ersten Kompaniefeldwebel in Montabaur, den ich mir für verschiedenste Lebensbereiche als Vorbild genommen habe, so ein bisschen „altgeprägt“.

Wie steht Ihr Arbeitgeber zu Ihrem Dienst als Reservist?

Lübeck: In meinen Anfangsjahren war das kein Problem, dafür freigestellt zu werden. Mit dem Paradigmenwechsel hin zum Prinzip der Freiwilligkeit wurde das dann schon schwieriger. Der Vorgesetzte muss mittlerweile ganz klar entscheiden: Kann und will ich mir das leisten, dass ein bestimmter Mitarbeiter für eine bestimmte Zeit weg ist? Ich habe Vorgesetzte aus dem internationalen Umfeld erlebt, die meinen Dienst als Reservist nicht unterstützt haben. Da musste ich dann meine Reservetätigkeit auf Kurzwehrübungen und auf Wochenenddienste beschränken. Mit meinem jetzigen Vorgesetzten – der selbst gedient hat – ist das mittlerweile keine Frage mehr, ob ich Reservedienst leisten darf. Außerdem bin ich ja nicht aus der Welt und für meinen Arbeitgeber jederzeit erreichbar. Das ist ein Kompromiss, den man heute wohl eingehen muss.

Das Freiwilligkeitsprinzip hat in meinen Augen eine Schwäche. Ich denke jetzt nicht an den Spannungs- oder Verteidigungsfall, sondern beispielsweise an andere Unterstützungsleistungen wie Flüchtlingshilfe, Katastrophen oder beispielsweise einen Terroranschlag. Wenn wir Reservisten dann unsere militärischen Anlagen sichern müssen, sind wir in Sachen Verfügbarkeit auf Gedeih und Verderb auf die Arbeitgeber unserer Soldaten angewiesen. Das halte ich für etwas problematisch und für mich ist da die Politik gefragt.

Was könnten die Politiker denn in Sachen Reserve besser machen?

Lübeck: Reserveeinheiten sehen oftmals nur auf dem Papier gut aus. Wir haben zwar gut ausgebildete und hoch motivierte Soldaten – und liegen da auf Augenhöhe mit den aktiven Kameraden – doch bei allen Dingen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, hinken wir hinterher. Das heißt, wir – das gilt für die RSU-Kompanie Berlin – haben keine Unterkünfte, keine Fahrzeuge und nur einen Minimalbestand an Waffen und Ausrüstung. Für jede Übung müssen wir uns alles zusammenleihen. Da fehlt mir in der öffentlichen Diskussion neben der Frage der Verteidigungsbereitschaft auch die Frage nach der Verteidigungsfähigkeit. Für die Durchhaltefähigkeit der Truppe sind wir als Reserve ja jetzt schon extrem wichtig. Wir müssen aber auch in die Lage versetzt werden, unsere Aufgaben vernünftig erfüllen zu können. Ich rede jetzt nicht von sündhaft teuren Waffensystemen, sondern ganz simpel von G36, P8, Kampfmittel-/SK4-Westen und anderer Ausrüstung und Ausstattung. Daran fehlt es.

Wirkt sich das nicht negativ auf die Stimmung aus?

Lübeck: Unsere Soldaten sind Reservisten aus Überzeugung, die das seit Jahren mitmachen und sich diesen Gegebenheiten stellen. Klar, auf der einen Seite hat sich da so ein bisschen Fatalismus entwickelt. Doch auf der anderen Seite kommt der Motivationsschub durch die Kameraden selbst, so das wir sagen: „Jetzt erst recht!“. Unser Motto in der RSU-Kompanie Berlin ist eindeutig: „Einfach kann jeder, schwer nur wir!“ Und wenn wir militärisch gefordert sind, dann schaffen wir das, was von uns verlangt wird, dabei brauchen wir den Vergleich mit unseren aktiven Kameraden nicht zu scheuen. Unsere Kompanie hat beispielsweise Luftüberwachungsanlagen in Murnau am Inn während des G7-Gipfels 2015 in Bayern gesichert, also einen klassischen Sicherungsauftrag einer RSU-Kompanie übernommen. Auch bei unseren regelmäßigen Übungen hier am Standort Berlin, bei denen der General Standortaufgaben probt, wie wir im Verbund als Durchhaltefähigkeitsreserve für den StO-Bereich Berlin agieren und uns als Objektschutz bewähren, haben wir unsere Stärken bewiesen.

Bei uns gibt es sozusagen ein lachendes und ein weinendes Auge. Das lachende sind der Zusammenhalt, die Kameradschaft und die Ausbildungsmöglichkeiten. Das weinende ist dann der Umstand, dass man um jedes kleine Bisschen an besserer Ausstattung et cetera permanent kämpfen muss.

Glauben Sie, dass sich an dieser Lage in absehbarer Zeit etwas ändern wird?

Lübeck: Wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich hoffe aber auf Veränderung, auch weil wir alle Werbung für uns als Reserve machen und mit den Problemen immer wieder an die Führung herantreten. Steter Tropfen höhlt schließlich den Stein. Und wir haben zum Glück das Kommando Territoriale Aufgaben hier sehr nahe. Die Generale Schönfeld, Breuer und Henne kennen die Situation durchaus und sind uns und der gesamten Reserve sehr zugetan. Gleichzeitig müssen wir für uns kämpfen, wenn wir was ändern wollen.

Wie sieht es denn aus Ihrer Sicht mit dem Nachwuchs für die Reserve aus?

Lübeck: Beim Thema Nachwuchsgewinnung hat die Bundeswehr die Reserve selbst nicht so richtig „auf dem Schirm“. Man informiert zwar irgendwie darüber, auch über Möglichkeiten für Seiteneinsteiger. Es gibt auch die eine oder andere Broschüre. Aber das ist nicht die Werbung, die uns die Personen bringt, die wir eigentlich brauchen.

Welche wären das?

Lübeck: Wir brauchen beispielsweise für unsere Sicherungszüge motivierte, körperlich leistungsfähige Leute. Die müssen genauso fit sein wie die aktiven Soldaten. Diese Leute haben idealerweise ein festes Standbein im zivilen Berufsleben, und können so zivile Expertise in den militärischen Alltag mit einbringen. Das können wir an manchen Stellen durchaus gebrauchen. Ich kenne zum Beispiel einen Kameraden, der ist im Zivilen Sachverständiger für Brandschutz. Den können wir natürlich im Projektzug so einsetzen, dass uns sein Fachwissen im Bereich ZMZ wirklich effektiv nutzt. Und das haben wir an vielen Stellen so.

Wie würden Sie für den Dienst in der Reserve werben?

Lübeck: Wir machen zum Beispiel bei Veranstaltungen, wie den Entlassungsgesprächen zum Thema Reserve oder mit Info-Ständen beim Tag der offenen Tür im BMVg, der ILA et cetera auf uns aufmerksam. Direkte Ansprache von Bekannten und Interessenten, sowie die Mundpropaganda tun ihr Übriges. Zudem gibt es jetzt auch die Möglichkeit, ungediente Interessenten direkt für die Reserve auszubilden. Dies erschließt uns ein zusätzliches Bewerberpotenzial.

Mitunter existiert unter den aktiven und ehemaligen Soldaten ein falsches Bild von dem, was in der Reserve passiert beziehungsweise welche Möglichkeiten es gibt. Mein Hauptwerbeargument ist dann immer, dass man mit dem möglichst frühen Eintritt in die Reserve oder einfach schon mit dem Fühlunghalten zu den ehemaligen Kameraden ein Netzwerk vorfindet, das einem den Übergang in das Zivilleben erleichtern kann. Das wird vielfach unterschätzt.

Abschließend bleibt nur noch anzumerken: „Reserve hat niemals Ruh!“ Ganz im Gegenteil: Ohne sie geht es nicht mehr und sie bietet jedem Interessenten eine reichhaltige Auswahl an Chancen und Möglichkeiten.

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