Via Instagram nah dran an den Sorgen und Problemen der Soldatinnen und Soldaten: Pfarrhelferin Gundi Scholz-Aretz. Foto: Privat

Via Instagram nah dran an den Sorgen und Problemen der Soldatinnen und Soldaten: Pfarrhelferin Gundi Scholz-Aretz. Foto: Privat

12.12.2023

„Wir sind Gottes Bodenpersonal"

Gundi Scholz-Aretz ist das neue Gesicht der digitalen evangelischen Militärseelsorge. Über den Instagram-Account „emilseels“ hält sie Kontakt zu Soldatinnen und Soldaten. Sie ist in erster Linie Zuhörerin und vermittelt – wenn nötig – den Kontakt zu analogen Ansprechpartnern.

Dass sie in der Mitte ihres Berufslebens wieder mit der Religion und in Köln arbeiten würde, ist für Gundi Scholz-Aretz Fügung und logischer Schluss zugleich. Sie ist 45 Jahre alt, hat Jura studiert, lange am Theater gearbeitet, ist viel hin- und hergezogen – seit 2019 ist sie nun wieder mit der Familie als Pfarrhelferin im Evangelischen Militärpfarramt Köln II der Militärseelsorge in der alten Heimat sesshaft.

Der Religion fühlte sich die freundliche und zugewandte Frau schon immer tief verbunden, auch wenn diese zu Beginn ihres Lebens noch eine andere war – die katholische. Binational aufgewachsen – der Vater, ein Ingenieur für Sonartechnik aus Köln, die Mutter Peruanerin, die Deutsch in Österreich und der Schweiz studierte – war sie ein Kind mit Migrationshintergrund. „Die Kultur, das Wetter, das Klima, die Gerüche, alles war immer in zwei Welten aufgeteilt“, sagt sie, „nur der katholische Gottesdienst am Sonntag war immer derselbe“.

Gern an der Seite derer, die Rat und Hilfe brauchen

Als der Vater, ziviler Berater der Bundeswehr, in den Siebziger Jahren in Lima peruanische Offiziere an deutscher U-Boot-Technik unterrichtete, hatten sich die Eltern kennengelernt. Auf den Tennisplätzen des Luftwaffen-Kasernengeländes in Köln, wo Gundi Scholz-Aretz nun morgendlich ihr Büro aufsucht, haben sie Matches gespielt, und sie hat als Fünfjährige die Bälle eingesammelt. „Für mich ist das also back to the Roots“, sagt sie, „eine absolut stimmige Angelegenheit“. Zwischendurch ist sie mit beiden Töchtern und ihrem Ehepartner, einem aus Görlitz stammenden Schauspieler, viel von Stadt zu Stadt gezogen – die verschiedenen Engagements ihres Mannes machten das nötig.

Der Zufall wollte es, dass die katholisch geprägte Gundi dabei oft in Städten lebte, in denen ihr die protestantischen Gemeinden aktiver erschienen. In Mannheim, Wilhelmshaven, Kassel und Nürnberg suchte sie nach katholischen Jugendangeboten für ihre Töchter, fand aber keine passenden, auch waren ihr die katholischen Gemeinden vor Ort zu überaltert. Also suchte sie protestantische Stadtteilangebote auf. „Da habe ich dann festgestellt, dass es toll ist, wenn Pfarrer auch Familien haben und Frauen auch Pfarrer sein können.“ Sie konvertierte, mag bis heute aber beide Religionen: „Das evangelische Selbstverständnis ist für mich niederschwelliger, näher am Menschen, aber ich mag auch Weihrauch und Glöckchen und die große Bühne rund um die katholische Liturgie.“

Dass die Bundeswehr politisch oft “im Abseits“ steht, macht Gundi eher umso solidarischer, das mag von ihrer eigenen Geschichte als „Ausländerkind“ in den 80er Jahren herrühren. Zurücksetzung, so erzählt sie, habe sie auch erlebt, sie habe das eher angestachelt, sich für sich selbst einzusetzen. Ganz sicher auch deswegen ist sie gern an der Seite derer, die Rat und Hilfe brauchen. Ihren kirchlich-diakonischen Auftrag erfüllt sie hauptsächlich analog – für alle, die sich digital an sie wenden, aber auch via Instagram. Dass die Militärseelsorge sich dieses Social-Media-Kanals bedient, war Corona geschuldet.

Einer jungen Generation neue, digitale Türen öffnen

Soldatinnen und Soldaten konnten im Lockdown nicht mehr einfach so bei ihren Militärgeistlichen vorbeischauen, also wollte man ihnen andere, digitale Türen öffnen. Die Militärseelsorge will ihre Angebote einer jüngeren Bundeswehr-Zielgruppe näherbringen, und die ist nun mal mit dieser digitalen Plattform groß geworden. Aber auch das mittlere Alter, bis 45 Jahren, ist inzwischen viel öfter auf Instagram als auf Facebook unterwegs.

Für diejenigen, die sich an die Militärseelsorge wenden, wenn ihnen etwas auf der Seele brennt, ist Gundi Scholz-Aretz jemand der zuhört und beisteht. „Seelsorge meint: Wir sind mit dir. Wir sind zwar keine Ärzte und können keine Diagnosen stellen, aber wir können Ansprechpartner, wie den Sozialdienst bei Rechtsberatung nahelegen und andere Kontakte vermitteln. Wir sind nicht die, die dich herausholen aus dem Problem, aber wir helfen dir tragen.“ Zehn Wochenstunden hat sie dafür eingeplant.

Wer sie auf Instagram anschreibt, mit dem chattet oder telefoniert sie oder vermittelt gleich an einen Geistlichen seines oder ihres Standorts. Denn tatsächlich findet Seelsorge noch immer im Real Life statt. Frauen melden sich eher bei ihr, da Frauen sich generell eher Hilfe holen, wenn es ihnen nicht gut geht. Und weil es bei Instagram keine Schließzeiten gibt, ist Gundi auch oft abends noch für ihre „Follower“ da. „Meistens kommen Probleme erst nach Dienstschluss hoch, wenn die Soldaten Zeit haben oder allein auf ihren Stuben sind.

Oder freitags ab 14 Uhr, wenn sie im Zug sitzen, oder am Wochenende. Dann löst sich was, dann kommen die Fragen.“ Und die bilden die gesamte Bandbreite des Lebens ab, von Beziehungs- bis hin zu Suchtproblemen. Besonders aber Dinge, die den Dienst betreffen. Da sind Ängste vor dem Einsatz im Ausland, die Trennung von der Familie oder der Druck, die hochschwangere Frau allein zurückzulassen.

Nicht allein mit den eigenen Problemen

Da sind Angehörige, die sich Sorgen machen. Frauen wiederum kämpfen mit dem schlechten Gewissen, der Familie nicht gerecht zu werden. Manchmal ist es auch nur Alltagsärger, der bei Gundi Scholz-Aretz landet: das neue vegetarische Essen oder ein verlängerter Fußweg zur Kaserne, weil das Dienstgelände renaturiert wurde. Sie erlebt während ihrer Arbeit eher einen konservativen Menschenschlag, selbst in jungem Alter. Aber da die meisten, die über „fünf Minuten Gehweg mehr“ motzen, auch durchaus Humor haben, darf die Instagram-Seelsorgerin schon mal antworten: „Längerer Dienstweg? Ihr seid doch sonst auch viel outdoor unterwegs. Stell dir vor, du wärst @OttoBulletproof!“

Bei den Invictus Games im September dieses Jahres hat sie nahegehende Erfahrungen gemacht: Dort war die Militärseelsorge vor Ort, um allen Bedürftigen ein Ohr zu leihen, besonders aber nahmen sich die Kollegen der jungen Soldaten an, die als Anfänger erstmalig wirklich begriffen, wie „das scharfe Ende“ ihres Berufes aussehen kann, dass dort eventuell auch Verletzung und Tod warteten. Jeder habe sicher schon mal einen Versehrten gesehen, meint Gundi, aber in dieser Masse wäre das für manche  junge Uniformierte eine schwere emotionale Herausforderung gewesen.

Für alle, die wollen, bietet die Militärseelsorge auch gemeinsame Ausflüge und Rüstzeiten an, denn nichts ist tröstlicher als die Erfahrung, dass man nicht allein ist mit seinen Problemen. Auf Rüstzeiten lässt sich dieses Gefühl besonders gut herstellen. „Was total gut angenommen wird, sind unsere Rüstzeiten per Motorrad, der Motorsport ist bei Soldaten eh ein großes Thema. Wer will, kann mit: Soldaten mit und ohne Konfession.

„Am Anfang“, sagt Gundi, „ist bei nahezu allen Kirchenfernen erst einmal eine Art Misstrauen da, dass es ihnen zu viel Kirche wird, zu viel Gebet, zu viel Andacht, zu viel Erhabenheit. Aber sobald die Teilnehmer merken, dass auch der Pfarrer ein echter Kerl ist, der selbst auch Kinder hat, vielleicht sogar schon im Einsatz war und auch grillen oder eine Dackelgarage aufbauen kann – dann öffnen sie sich und es entsteht etwas Magisches.“

Auch der Pfarrer ist ein „echter Kerl” und kann grillen

Was sie auf diesen Rüstzeiten von der Militärseelsorge auch immer gleich klarmachten: dass sie niemanden missionieren wollen. Ihr Leitsatz: „Wir sind auch dafür da, dass du gegen uns sein kannst!“ Nicht selten habe sie dabei beobachtet, dass jemand, der sich am Anfang besonders gesträubt hat, eine Andacht mitzumachen, am Ende der Woche fast den ganzen Gottesdienst gestaltete. Es wächst also eine Generation Soldaten heran, die sich mehr Weichheit erlaubt.

Die reden will und Schwäche auch als Stärke sieht. Für die Worte wie PTBS, Depression oder Mental Health nichts mehr ist, was man mit spitzen Fingern angefasst wird, weil einem doch seelische Härte eingebläut wurde. Für diese Generation ist Gundi gern da – und auch gern eine Art Pionierin. Oder wie sie es selbst sagen würde, und es so schön auf einer ihrer Kaffeetassen im Pfarramt steht: „Ich gehöre zu Gottes Bodenpersonal.“

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