Wehrpflicht-Vorstoß von Eva Högl: Wenig Zuspruch, viel Kritik
Berlin. Das Thema Wehrpflicht tauchte am Wochenende ein bisschen aus dem Nichts auf: Durch die Wehrbeauftragte lanciert, griffen zahlreiche Medien ihre Gedanken auf. Viel Unterstützung ihrer politischen Kollegen erhielt Eva Högl jedoch nicht für ihren Vorstoß.
Selbst in ihrer eigenen Partei, der SPD, stößt Högls Wehrpflicht-Idee auf wenig Gegenliebe. So sprach sich die SPD-Vorsitzende Saskia Esken laut „dpa“ am Montag (6. Juli) bei einem Besuch in Calw gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die sogenannte Wehrgerechtigkeit, nämlich die Gerechtigkeit gegenüber den jeweiligen Jahrgängen junger Menschen, nicht mehr gewährleistet werden könnte.“ Und weiter: „Da nach zehn Jahren den Schlüssel wieder umzudrehen, wäre ohnehin sehr schwierig, aber ich halte es auch für fragwürdig.“
Högl hatte zuvor erklärt, dass sie es „für einen Riesenfehler“ halte, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte sie, dass man diese Entscheidung sehr kritisch analysieren müsse. Diese Ansicht teilt SPD-Verteidigungsexperte Karl-Heinz Brunner: „Durch die Aussetzung der Wehrpflicht und damit Umbau der Bundeswehr von einer Wehrpflicht- zu einer Freiwilligenarmee ist natürlich die soziale Kontrolle eine andere geworden, da der Personalstamm nicht mehr den gesamten Querschnitt der Bevölkerung darstellt“. Allerdings hält auch er laut einem Bericht der „Augsburger Allgemeinen“ eine Wiedereinführung der Wehrpflicht organisatorisch und finanziell für nicht umsetzbar.
Auch der frühere Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) hält eine Rückkehr zur Wehrpflicht nicht für ein „Allheilmittel“. Im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte Robbe zudem, dass auch der hohe Spezialisierungsgrad der Bundeswehr gegen eine Wiedereinführung des Pflichtdienstes in den Streitkräften spreche. Zusätzlich sagte Robbe, dass er auch verfassungsrechtliche Bedenken habe.
Ebenso dürftig fällt die Unterstützung durch den Koalitionspartner aus. Der CDU-Politiker Friedrich Merz sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, dass man über die Wehrpflicht oder eine allgemeine Dienstpflicht diskutieren könne, „aber die ohne Zweifel notwendige Bekämpfung des Rechtsradikalismus reicht als Begründung dafür nicht aus“. Klare Ablehnung auch vom CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. „Eine Rückkehr zur Wehrpflicht ist keine realistische Debatte“, sagte Dobrindt der „Augsburger Allgemeinen“.
Auch der CSU-Chef Markus Söder lehnt einem Bericht der „Frankenpost“ zufolge die Wiedereinführung der Wehrpflicht ab. Es wäre ein Fehler, die Zeit dahin zurückzudrehen, „das würde die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands eher schwächen“, so der bayerische Ministerpräsident.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Johann Wadephul, widersprach Högl ebenfalls. „Der Kampf gegen Rechtsextremismus braucht andere Maßnahmen. Kein Zeit- oder Berufssoldat wird nur deshalb von fehlgeleiteten Ideen abgebracht, weil er Wehrpflichtige ausbildet“, sagte Wadephul der „Welt“.
Harsche Worte kamen von der Opposition: „Erschreckende Ahnungslosigkeit“, so der Vorwurf der FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann in Richtung Eva Högl. „Es überrascht mich sehr, dass Frau Högl die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht fordert und dies mit den Fällen von Rechtsextremismus in der Bundeswehr begründet. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, sagte Strack-Zimmermann der „Passauer Neuen Presse“.
Der DBwV-Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner hält es für einen Fehler, dass die Wehrpflicht seinerzeit unüberlegt und übereilt ausgesetzt wurde. Aber: „Es wäre auch ein Fehler, sie nun ebenso unüberlegt wiedereinzusetzen“, sagte Wüstner. Die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen allein böten derzeit keinen Grund dafür, und die Bundeswehr selbst müsse überhaupt erst die Voraussetzungen dafür schaffen, so der Verbandschef. „Das betrifft Wehrerfassung, Ausbildungskapazitäten, Material und Infrastruktur, deren Aufwuchs Zeit und vor allem Milliarden von Euros kosten würde – was der Bundeswehr schon jetzt fehlt“, sagte Wüstner.
Grundsätzlich begrüßte der Bundesvorsitzende aber die Debatte, die nun angestoßen wurde. „Nichtsdestotrotz ist die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht immer eine Option, wenn es die Rahmenbedingungen erfordern sollten. Und generell ist es immer positiv, wenn in der Gesellschaft darüber diskutiert wird, wer sich an welcher Stelle für Deutschland engagiert“, erklärte Wüstner.
Mehr Zuspruch erfährt Annegret Kramp-Karrenbauer für ihre Idee eines neuen Freiwilligendienstes in der Bundeswehr, den sie ebenfalls am Wochenende angekündigt hatte. Dieser neue Dienst soll unter dem Titel „Dein Dienst für Deutschland“ bereits im kommenden Jahr eingeführt werden und ein ergänzendes Angebot zur Freiwilligen Wehrdienst sein. Jugendliche sollen demnach eine sechsmonatige Grundausbildung erhalten und im Anschluss für weitere sechs Monate heimatnah Reservedienste leiten.
CSU-Chef Söder zeigte sich offen für dieses Vorhaben. „Das sollten wir uns über den Sommer überlegen und vielleicht auch ergänzen mit Anreizen fürs Studium“, wird Söder in der „Frankenpost“ zitiert. Auch für andere Bereiche oder gar die Rente seien Vorteile denkbar, „wenn jemand bereit ist, eine gewisse Zeit einen solchen freiwilligen Dienst zu machen“. In Deutschland gebe es viele junge Menschen, die gerne eine längere Pause zwischen Schule und Studium machen wollten.
Die Frage, was der Staatsbürger für die Gesellschaft leisten kann oder soll, hält auch Oberstleutnant Wüstner für gut und berechtigt. Wüstner: „Das ist eine Frage, die völlig zurecht auch Frau Kramp-Karrenbauer mit Blick auf eine mögliche allgemeine Dienstpflicht umtreibt und auf die die Union Antworten nach der im letzten Jahr eingeleiteten Analyse geben will.“