Auf dem Paradeplatz im Bendlerblock: Bundeskanzler Olaf Scholz, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Generalinspekteur Carsten Breuer (v.r.n.l.) schreiten die Front ab. Foto: picture alliance/REUTERS/Liesa Johannssen

Auf dem Paradeplatz im Bendlerblock: Bundeskanzler Olaf Scholz, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Generalinspekteur Carsten Breuer (v.r.n.l.) schreiten die Front ab. Foto: picture alliance/REUTERS/Liesa Johannssen

20.07.2024
Von Yann Bombeke/mit Material von dpa

„Uns wird heute bewusst, wie sehr es auf die ankommt, die Frieden und Freiheit mutig verteidigen“

Die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 verfolgten das Ziel, Freiheit und Menschenwürde in Deutschland wieder herzustellen. Heute, 80 Jahre später, wurde beim traditionellen feierlichen Gelöbnis im Bendlerblock daran erinnert – und vor den aktuellen äußeren und inneren Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung gewarnt.

Berlin. Rund 400 Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr haben im Bendlerblock in Berlin ihr feierliches Gelöbnis abgelegt – das ist seit 1999 gute Tradition der Bundeswehr. Doch die Zeiten haben sich geändert: War für so manchen in der Vergangenheit die Verantwortung, die aus dem Diensteid erwächst, die Freiheit des deutschen Volkes „tapfer zu verteidigen“, vielleicht eher abstrakter Natur, so sind die Gefahren für Freiheit und Demokratie heute sehr real.

Darauf wiesen sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz, Ehrengast des diesjährigen feierlichen Gelöbnisses, und Verteidigungsminister Boris Pistorius in ihren Reden hin. „Diese Verantwortung ist keine theoretische Verantwortung“, sagte Pistorius in Richtung der auf dem Paradeplatz angetretenen Rekruten, „sondern zeigt sich in Ihrer Bereitschaft und Ihrem Willen, im Ernstfall unser Land und unseren Bürgerinnen und Bürger gegen äußere Bedrohungen und Feinde zu verteidigen.“  Diese Verantwortung sei mit dem Angriff Putins auf die Ukrainer nochmals realer geworden, sagte der Minister. Allerdings sei die gesamte Gesellschaft für den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verantwortlich, so Pistorius. „Unsere Demokratie ist nicht nur einfach ein politisches System, sie ist das Fundament unserer Freiheit, unseres Friedens und unseres Wohlstands.“

Demokratie in Gefahr „wie seit 75 Jahren nicht mehr“

Die Demokratie sei heute so sehr in Gefahr „wie seit 75 Jahren nicht mehr“, sagte der IBuK. Sie werde von außen bedroht und ihre inneren Feinde stellten sie aggressiv von Tag zu Tag mehr in Frage, so Pistorius weiter. Russland sei nicht nur eine Bedrohung von außen, sondern versuche, die Demokratie von innen zu unterminieren, warnte der Sozialdemokrat. Pistorius rief dazu auf, sich gegen Extremismus, Hass und Intoleranz zu stellen.

80 Jahre nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler, mahnten die Attentäter um Claus Schenk Graf von Stauffenberg uns noch heute, „dem eigenen Gewissen zu folgen, Verantwortung zu übernehmen und für unsere gemeinsamen Werte zusammenzustehen, mit Herz, Leidenschaft, Verstand, Gewissen und mit Mut“.

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass Frieden und Freiheit niemals selbstverständlich gewesen seien. „Und doch wird uns gerade heute bewusst, wie sehr es auf diejenigen ankommt, die Frieden und Freiheit mutig verteidigen“, sagte der Kanzler. Den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bezeichnete Scholz als Zäsur. Die von ihm im Bundestag ausgerufene Zeitenwende bedeute, „dass wir uns mehr anstrengen müssen, um unseren Frieden zu sichern und unsere Freiheit zu verteidigen“. In aller Welt wähnten sich autoritäre Regime „auf der Siegerstraße“. Scholz weiter: „Und auch im Inland eigentlich aller freiheitlichen Gesellschaften verzeichnen Bewegungen Zulauf, die in Gewaltherrschern wie Putin ihre Vorbilder suchen.“ Scholz zu den Rekruten: „Sie sprechen Ihr Gelöbnis also in einer fordernden Zeit.“

Widerstandskämpfer legten Grundstein für demokratisches Deutschland

Der Schritt, den die jungen Soldatinnen und Soldaten nun gingen, erfordere Entschlossenheit und Mut. „Entschlossenheit und Mut, kaum ein anderer Tag in der deutschen Geschichte steht dafür so sehr wie der 20. Juli 1944“, sagte Scholz. Die Verschwörer um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg hätten „ein anderes, ein besseres Deutschland“ gewollt, „ein Deutschland, das das Recht achtet und nicht mit Füßen tritt“. Die Widerstandskämpfer hätten nicht das Glück gehabt, dieses andere, bessere Deutschland zu erleben, doch sie hätten einen der Grundsteine für das demokratische Deutschland gelegt.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, fand ebenfalls klare Worte. Deutschland befinde sich in Zeiten, in der der Krieg wieder „an uns herangerückt ist“. Breuer zu den Soldatinnen und Soldaten: „Sie schützen Deutschland. Und die Menschen vertrauen Ihnen. Sie vertrauen uns, dass wir genau das können: unser Land verteidigen.“ Mit dem Gelöbnis zeigten die Soldaten, dass man sich auf ihren Dienst verlassen könne. „Durch dieses gegenseitige Vertrauen erreichen wir die Resilienz, die Widerstandsfähigkeit, die einen potentiellen Gegner abschreckt. Damit schützen wir Deutschland vor Krieg.“

Steinmeier: „Gewalt zerstört Demokratie“

Bereits zuvor wurde bei anderen Veranstaltungen an die Attentäter vom 20. Juli 1944 erinnert. Im Bendlerblock legten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die Spitzen von Bundesrat und Bundestag Kränze nieder.

Steinmeier sagte nach einem Besuch in der Ausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand: „Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus war nötig, weil die Demokratie von Weimar nicht die Unterstützung hatte, die sie brauchte.“ Heute, in der freiheitlichen Demokratie, sei Engagement dafür weiter das Gebot der Stunde. „Nicht Hass und Hetze und erst recht nicht Gewalt. Gewalt zerstört Demokratie.“

Der Präsident würdigte den gesamten deutschen Widerstand gegen die NS-Diktatur. Es gehe nicht um „makellose Helden“, sondern Menschen, „die zum richtigen Moment das Richtige getan haben und das unter größter Gefahr für sich und ihre Familie“.

Am 20. Juli 1944 hatten Wehrmachtsoffiziere um Claus Schenk Graf von Stauffenberg vergeblich versucht, den Diktator Hitler mit einer Bombe zu töten, die nationalsozialistische Herrschaft zu stürzen und den Zweiten Weltkrieg zu beenden. Stauffenberg und drei weitere Beteiligte wurden noch am selben Abend im Bendlerblock erschossen, viele weitere wurden später hingerichtet oder in den Suizid getrieben.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick