Screenshot aus einem vom ukrainischen Präsidialamt veröffentlichten Video, das den zerstörten Staudamm von Nowa Kachowka zeigen soll. Foto: Ukrainisches Präsidialamt

06.06.2023
yb/dpa

Ukraine wirft Russland Sprengung von Staudamm vor

Der wichtige Kachowka-Staudamm im Süden der Ukraine ist eingebrochen, das angrenzende Wasserkraftwerk zerstört. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Der Region drohen schwere Überschwemmungen. Wie schlimm ist die Lage?

Kiew/Moskau. Nach einer schweren Explosion an einem wichtigen Staudamm im Süden der Ukraine ist das angrenzende Wasserkraftwerk nach Angaben beider Kriegsparteien zerstört. Der Staudamm Nowa Kachowka im russisch besetzten Teil des Landes nahe der Front wurde schwer beschädigt. Der von Russland eingesetzte Bürgermeister Wladimir Leontjew sagte am Dienstag im russischen Staatsfernsehen, es sei „offensichtlich“, dass das Kraftwerk nicht mehr repariert werden könne. Der ukrainische Betreiber der Anlage sprach von kompletter Zerstörung. Russland führt seit mehr als 15 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Furcht vor massiven Überschwemmungen

Befürchtet wird, dass der Bruch des Staudamms in der umkämpften Region Cherson zu massiven Überschwemmungen führt. Nach Angaben der örtlichen Behörden sind etwa 16.000 Menschen in der „kritischen Zone“ zuhause. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sprach von einer Überschwemmungsgefahr für bis zu 80 Ortschaften. Die Zerstörung werde zu einer Umweltkatastrophe führen. Der Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Prokudin, warnte, binnen fünf Stunden könne der Wasserstand eine kritische Höhe erreichen.

Vermutet wird, dass der Damm gesprengt wurde. Im Internet sind Videos zu sehen, die Explosionen an der Anlage zeigen sollen. Überprüfbar sind diese Bilder nicht. Kiew und Moskau machten sich gegenseitig für die Zerstörung des Damms verantwortlich. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von „Terror“ und berief den nationalen Sicherheitsrat ein. Das ukrainische Militär begann auf der linken Seite des Flusses Dnipro – wo auch die von den Ukrainern befreite Gebietshauptstadt Cherson liegt – mit Evakuierungen.

Premierminister Shmyhal warnt vor „ökologischem Desaster“

Der ukrainische Premierminister Shmyhal warnte mit Blick auf das Kernkraftwerk von Saporischschja vor einem drohenden „ökologischen Desaster“ für den Süden des Landes. Die Weltgemeinschaft müsse sofort reagieren, forderte Shmyhal. Und: „Russland sollte sich sich sofort von dem Gelände des Kernkraftwerks zurückziehen, um eine weitere Katastrophe zu verhindern.“

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg twitterte, dass die Zerstörung des Staudamms das Leben tausender Menschen gefährde. „Das ist eine empörende Tat, die erneut die Brutalität des russischen Krieges in der Ukraine verdeutlicht“, so der Norweger weiter.

Die russischen Besatzer hingegen machten ukrainischen Beschuss für die Schäden verantwortlich. Spekuliert wurde auch, dass der Damm aufgrund schlechter Wartung gebrochen sein könnte. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

Krim wird mit Wasser aus dem Kachowka-Stausee versorgt

Bürgermeister Leontjew räumte ein, dass es auch zu Problemen bei der Wasserversorgung auf der bereits 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim kommen könnte, die südlich von Cherson liegt. Diese wird mit Wasser aus dem Kachowka-Stausee beliefert. In ukrainischen Medien und in sozialen Netzwerken wurden Videos geteilt, die dem Anschein nach bereits gestiegene Wasserstände um die Stadt Cherson zeigten. Auf Aufnahmen ist auch zu sehen, wie offenbar große Wassermengen aus der Mauer des Staudamms strömen. Auch die Echtheit dieser Videos konnte zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

Russland hatte das Nachbarland Ukraine vor mehr als 15 Monaten überfallen und im Zuge seines Angriffskriegs auch das Gebiet Cherson besetzt. Im vergangenen Herbst gelang der ukrainischen Armee dann die Befreiung eines Teils der Region – auch der gleichnamigen Gebietshauptstadt. Städte südlich des Dnipro blieben allerdings unter russischer Kontrolle, darunter auch die Staudamm-Stadt Nowa Kachowka. Immer wieder hatten die Ukrainer vor einem möglichen Sabotageakt der Russen in Nowa Kachowka gewarnt. Für besondere Beunruhigung sorgte, als die Besatzer im November die Evakuierung der Stadt ankündigten.

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