ATACMS-Raketenstart von einem M270-Mehrfachraketenwerfer der US Army: Nach monatelangen Diskussionen haben die USA das Kurzstreckenraketensystem an die ukrainischen Streitkräfte geliefert. Foto: sill-www.army.mil

ATACMS-Raketenstart von einem M270-Mehrfachraketenwerfer der US Army: Nach monatelangen Diskussionen haben die USA das Kurzstreckenraketensystem an die ukrainischen Streitkräfte geliefert. Foto: sill-www.army.mil

22.10.2023
Von Yann Bombeke

Ukraine setzt ATACMS-Flugkörper ein – Deutschland liefert weitere Flakpanzer

Mit einer neuen Waffenlieferung hat Deutschland der Ukraine weitere Flugabwehrkanonenpanzer Gepard zur Verfügung gestellt – vor dem nahenden Winter und drohenden russischen Angriffen auf den Energiesektor will Berlin die Luftverteidigungsfähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte stärken. Die brachten in dieser Woche ein neues Waffensystem zum Einsatz.

Berlin. Während der Blick der Welt auf die Lage in Israel gerichtet war, wäre im Laufe der vergangenen Woche eine Meldung der ukrainischen Streitkräfte beinahe untergegangen: In der Nacht zum 17. Oktober seien zwei Militärflugplätze in Berdjansk und Luhansk angegriffen worden. Beide Stützpunkte in den besetzten Gebieten werden von den russischen Streitkräften als Basis für ihre Drehflügler genutzt – unter anderem sind dort Kampfhubschrauber vom Typ KA-52 stationiert, die den ukrainischen Brigaden vor allem zu Beginn ihrer Gegenoffensive im Juni große Probleme bereiteten.

Überraschender Schlag weiter hinter den Frontlinien

Die Basen in Luhansk und Berdjansk liegen weit von der Frontlinie entfernt – und damit außerhalb der Reichweite der HIMARS-Mehrfachraketenwerfer, die von den USA an die Ukraine geliefert wurden. Schnell wurde klar, dass die Ukraine allem Anschein nach eine neue Waffe gegen die russischen Invasoren eingesetzt hat: ATACMS (Army TACtical Missile System), ein ballistisches Kurzstreckenraketensystem mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern. Die USA hatten vor wenigen Wochen angekündigt, das Waffensystem an die Ukraine zu liefern, doch die Übergabe wurde nicht öffentlich bekanntgegeben, offenbar, um den ukrainischen Streitkräften einen Überraschungsschlag zu ermöglichen.

Die Rechnung ging auf: Zahlreiche Hubschrauber, Flugabwehranlagen, ein Munitionsdepot und weitere militärische Einrichtungen sollen bei dem Angriff zerstört oder schwer beschädigt worden sein. Bilder von geborgenen Munitionsteilen und Videos vom Angriff legen nahe, dass die ATACMS-Variante M39 zum Einsatz kam. In dieser Version ist die Rakete mit Streumunition ausgestattet und setzt über dem Ziel 950 kleinere Sprengkörper frei, die großflächig wirken können. Eine ideale Waffe, um eine militärische Einrichtung wie etwa einen Flugplatz anzugreifen.

"Bedeutende Auswirkung auf dem Schlachtfeld"

In einem Telefonat bedankte sich der neue ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov am Samstag bei seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin für die Lieferung der ATACMS-Raketen. „Das hat eine bedeutende Auswirkung auf dem Schlachtfeld“, teilte Umerov via X, vormals Twitter, mit. Tatsächlich werden die russischen Streitkräfte wichtige militärische Infrastruktur künftig weiter von der Front entfernt stationieren müssen, um der neuen Bedrohung zu entgehen. Dies dürfte die ohnehin überspannte Logistik der „militärischen Spezialoperation“ vor weitere Probleme stellen.

Von Deutschland hätte die Ukraine gerne eine Waffe mit noch größerer Reichweite: Den Marschflugkörper Taurus, mit dem Ziele in einer Entfernung von bis zu 500 Kilometern bekämpft werden können. Doch die Bundesregierung verweigert weiterhin die Lieferung, auch wenn es Stimmen aus den Reihen der Ampel-Koalition gibt, die eine Freigabe des Waffensystems fordern. „Wir sollten Taurus nun umgehend liefern, denn mit dem gezielten Einsatz der Marschflugkörper kann die ukrainische Armee den russischen Nachschub empfindlich stören“, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Taurus-Abgabe derzeit kein Thema

Doch für die SPD-geführte Regierung ist die Lieferung von Taurus nach wie vor kein Thema – man wolle stattdessen die Fähigkeiten der Ukraine im Bereich der Flugabwehr stärken, heißt es aus Berlin. Mit dem nahenden Winter wird eine Wiederholung der russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur in der Ukraine befürchtet. Bereits im vergangenen Jahr hatte Russland Hunderte Raketen und Kamikaze-Drohne auf die kritische Infrastruktur in der Ukraine abgefeuert. Nur mit großer Mühe konnte die Ukraine ihre Energieversorgung aufrechterhalten.

In diesem Licht ist auch das jüngste Update bei den Waffenlieferungen an die ukrainischen Streitkräfte zu sehen: In dieser Woche wurden nach Angaben der Bundesregierung drei weitere Flugabwehrkanonenpanzer Gepard ausgeliefert – insgesamt wurden bislang 49 dieser betagten, aber im Kampf gegen Drohnen und Marschflugkörper äußerst effektiven Waffensysteme an die Ukraine übergeben. Vor wenigen Wochen hat die Bundesregierung zudem bekanntgegeben, ein weiteres Flugabwehrsystem Patriot an die Ukraine abgeben zu wollen. Der Druck, auch die Marschflugkörper Taurus zu liefern, dürfte aber weiter steigen.

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