Selbstverständlich kann die F-35A auch in der Luft betankt werden. Foto: Lockheed Martin

Selbstverständlich kann die F-35A auch in der Luft betankt werden. Foto: Lockheed Martin

08.10.2023
Von Philipp Kohlhöfer

Take-off für den Flug in die nächste Dimension

Die F-35 ist das modernste Kampfflugzeug der Welt. Sie ist netzwerkfähig, stellt die nukleare Teilhabe sicher und wird eine neue Qualität in die Luftwaffe bringen. Ein Überblick.

Es wird dann Weeze. Knapp 10 000 Einwohner, Kreis Kleve, gefühlt hundert Meter bis in die Niederlande und vor allem bekannt dafür, dass Ryanair von hier nach Südeuropa fliegt und so tut, als sei der Ort ein Teil von Düsseldorf. Weeze gewinnt gegen Standorte in Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen.

Ein paar Bagger kann man bisher sehen und eine Handvoll Löcher, mehr bisher nicht, aber ein Flugfeld gibt es, ein paar Gebäude und so ist die Infrastruktur in Teilen bereits vorhanden: Die F-35 soll hier gebaut werden, Rumpfmittelteile zumindest, 400 erst einmal, beginnend ab 2025. 450 Arbeitsplätze sollen entstehen, dazu etwa dreimal so viele bei Zulieferern. Knapp anderthalb Jahre nach dem Beginn des Ukraine-Krieges wird ein deutsches Rüstungsunternehmen erstmals wieder in eine neue Fabrik investieren. Zeitenwende.

Büchel wird vorbereitet

Die F-35 ist das modernste Kampfflugzeug der Welt, 5. Generation, ein Ruf wie ein Donnerhall. „Für die Kameradinnen und Kameraden, die in den Genuss der F-35 kommen werden, wird es ein fliegerischer Generationensprung sein“, sagt Oberstleutnant Patrick B., Referent im Kommando Luftwaffe 1 in Köln. „Die ausgewählten Piloten der ersten Ausbildungsklassen“, sagt er, „sind voller Vorfreude auf das neue Waffensystem.“

Am 14. Dezember 2022 unterzeichnet das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, BAAINBw, mit der US-Luftwaffe einen Kaufvertrag über 35 Jets. F-35A Lightning II startet und landet konventionell. Zwei andere Modelle gibt es noch: B, Kurzstartflugzeug mit Senkrechtlande-kapazität, und C, größere Tragflächen, klappbare Tragflächenenden, verstärktes Fahrwerk, Fanghaken, und daher nur interessant für Flugzeugträger.

Während in Weeze gerade begonnen wird mit dem Bau, wird in Büchel, Landkreis Cochem-Zell, Rheinland-Pfalz, 240 Kilometer entfernt von Weeze, das Alte renoviert, umgebaut, verbessert, um Platz zu schaffen für das Neue. Es ist der Stützpunkt des Jagdbombergeschwaders 33, die F-35 wird hier stationiert. Allerdings erst später, im November 2027, wird das der Fall sein, denn die ersten acht Maschinen werden zu Beginn der Auslieferung ein Jahr zuvor in den USA bleiben. Aufgrund amerikanischer Vorgaben dürfen deutsche Piloten nur auf deutschen F-35 ausgebildet werden.

Zu Beginn werden in Büchel daher nur 27 Maschinen stationiert sein. Die ersten deutschen Piloten werden in Arkansas üben, Fort Smith, 90?000 Einwohner, Ebbing Air Base, in der Mitte von nichts und daher ideal, um ein neues Flugzeug auszuprobieren. Neben den acht deutschen F-35 werden auch sechs deutsche Fluglehrer beteiligt sein. Die Ausbildung des technischen Personals wird dagegen an der Eglin Air Force Base in Florida erfolgen. 350 Techniker werden dort in den ersten fünf Jahren ausgebildet. 2029 werden dann alle Maschinen in Deutschland sein.

„Ziel ist“, sagt B., „ein bruchfreier Aufgabentransfer von Tornado auf die F-35.“ Weil ein neues Flugzeug nicht nur eine neue Ausbildung benötigt, sondern auch eine neue Infrastruktur, haben die Bauarbeiten in Büchel bereits vor knapp einem Jahr begonnen. Die F-35 ist zu modern für die bisherige Infrastruktur. „Sehr hohe Sicherheitsanforderungen für den Betrieb“, sagt B. Einerseits. Andererseits wurde schlicht lange nichts investiert und so ist Büchel zusammen mit Weeze ein wenig Sinnbild für die gesamte Bundeswehr: Umbau, Neubau, jetzt aber echt mal, neues Image, neues Ansehen. Und Investitionstau, den man auch mit gutem Willen so schnell nicht beheben kann, weil Dinge eben dauern.

In Büchel wird unter anderem eine neue Betankungsanlage gebaut, ein neues Anflugleitsystem, dazu wird die Start- und Landebahn erneuert und verbreitert. Rückbau, Neubau, Werftzufahrt, neue Gebäude für die Soldaten, neue Hangar für die Flugzeuge. Die erste Phase wird im Februar 2026 abgeschlossen sein, der Flugbetrieb kann dann weitergehen, insgesamt wird alles aber mindestens vier Jahre dauern.

Alleine die Ausschreibung „18E0681 NATO Flugplatz Büchel – Sanierung Außenzaun“, elfeinhalb Kilometer lang, ist von „Schachtentlüftung herstellen“ über „Zuschneiden von Sicherheitsbauzaun als Unterkriechschutz“ bis zu „Zwischenbegrünung Ansaat Ölrettich“ sehr detailliert und kostet inklusive Postenweg und technischer Überwachung rund 18 Millionen Euro.

Unmittelbar und intuitiv

Die Gesamtkosten für die Flugzeuge, inklusive Waffen, Software, Ersatzteilen, Wartung und Logistik, betragen 9,99 Milliarden Euro, 9,99 – einmal alles, das klingt ein wenig wie ein Lockangebot im Supermarkt oder im Dönerladen, aber es ist ein Griff ins allerhöchste Regal: Die F-35 ist ein taktisches Allround-Flugzeugsystem, zwei relativ große interne Waffenschächte mit jeweils zwei Laststationen, geringe Radar- und Wärmesignatur, was bedeutet: geringe Entdeckbarkeit – solange außen keine Waffen montiert sind.

Aber selbst das ginge: Sechs Außenlastträger für Raketen, Marschflugkörper und zur Not auch Freifallatomwaffen sind vorhanden. Acht Tonnen Nutzlast insgesamt. Der Jet ist netzwerkfähig, hat Hochleistungssensoren für alles Mögliche, Datenlinks, dadurch unterstütztes Situationsbewusstsein. Im Unterschied zum Tornado, der eine, maximal zwei taktische Rollen innerhalb derselben Mission abdecken kann, weil er vor jedem Einsatz vorbereitet und konfiguriert werden muss, ist das bei der F-35 aufgrund der Fülle der verarbeitenden Daten nicht der Fall – mit Ausnahme der Bewaffnung.

Klappt alles, verschmilzt der Pilot durch den Helm, Gen III Helmet Mounted Display System, HMDS, mit seinem Flugzeug. Dank Kamerabildern, die live auf das Helm-Display übertragen werden, kann er durch sein Flugzeug hindurchsehen. Der Zugriff auf den Jet und dessen Daten wird so unmittelbar und intuitiv, das ist zumindest der Plan. Mithilfe von Sensoren im Helm steuern die Piloten die Waffen der F-35 per Augenbewegung – weil die aber bei allen Menschen unterschiedlich platziert sind, ist jeder Helm an seinen Träger per Scan genau angepasst, selbst der Pupillenabstand wird vermessen.

Weil die Maschine allerdings Hunderttausende Informationen gleichzeitig verarbeitet, wird nur auf das Display geschickt, was für die Piloten in der aktuellen Situation relevant ist. „Mit der neuen Fülle und Qualität an verbauten Sensoren entwickelt man als Pilot ein situatives Bewusstsein im Raum“, sagt B. „Die F-35 ermöglicht es dem Piloten allein hierdurch, neue Taktiken umsetzen zu können.“

Dabei wird das Flugzeug auch aufgrund seiner geringen Entdeckbarkeit als sogenannter „Enabler“ betrachtet, der Ermöglicher, was bedeutet, dass seine Waffen die gegnerische Flugabwehr ausschalten, und es Kampfflugzeugen der 4. Generation wie dem Eurofighter ermöglichen, ihre Raketen, „die erforderlichen Effektoren“, wie B. das formuliert, ins Ziel zu bringen.

Für Deutschland besonders wichtig: Die F-35 wird die nukleare Teilhabe sicherstellen, genauso wie in Italien, Belgien und den Niederlanden, da sie für einen Einsatz von Atomwaffen bereits zertifiziert ist. Auch deswegen ist der Jet mittlerweile fast der Standardflieger der europäischen Luftwaffen. Insgesamt bestellten die europäischen NATO-Partner über 550 Maschinen – obwohl die F-35 formal noch immer im Vorserienstatus ist.

Kritik gibt es allerdings auch: Die F-35 ist energie- und damit wartungsintensiver als anfangs gedacht, hat ein Triebwerk, das immer mal wieder Problem macht und ist angeblich nicht besonders wendig und so modernen Jagdflugzeugen unterlegen. Allerdings wird eine zusätzliche Triebwerksaufrüstung ohnehin erforderlich werden, weil die F-35 bis 2070 im Einsatz bleiben soll.

Bemängelt wird auch ab und an in Foren, dass das Flugzeug nicht besonders schnell ist. Stimmt. Mach 1,6, das ging schon in den 1970ern viel schneller und ist nicht besonders flott. Aber eben auch ausreichend, weil Geschwindigkeit nicht das primäre Ziel der Entwicklung gewesen ist, warum auch, einer modernen Flugabwehrrakete wird man durch Geschwindigkeit nicht entgehen können, die sind alle schneller.

In den 1970ern ist das anders gewesen. Die SR-71 etwa, ebenfalls gebaut von Lockheed Martin, hat Mach 3 erreicht. Aber mit ihrer Geschwindigkeit sollte sie eben auch der Raketenabwehr entkommen. Oder die MiG-25, Abfangjäger, auch aberwitzig schnell, im Wesentlichen allerdings nur gebaut, um den sehr schnellen strategischen Bomber XB-70 abzufangen – der dann allerdings nie in Serie ging.

F-35 und Eurofighter

Die F-35 dagegen ist auf ihre Tarnkappeneigenschaften optimiert. So sind die Lufteinläufe S-förmig, das ist gut, damit Radarstrahlen nicht auf die Verdichter treffen können, aber schlecht, wenn man schneller unterwegs sein will, weil die Einläufe dann eben nicht optimal für höchste Geschwindigkeiten sind. Sind die Waffen intern, hilft das, um möglichst wenig Radarsignatur zu erzeugen, in der Mitte sieht das Flugzeug dann allerdings aus wie ein durchschnittlicher älterer Mann: dick am Rumpf.

Für einen niedrigen Luftwiderstand ist das nicht förderlich. So war das Ziel auch niemals der direkte Luftkampf, sondern die Bekämpfung feindlicher Kräfte über große Distanz und da ist es dann einfach besser, wenn die Radarsignatur so klein wie möglich ist. Denn unsichtbar ist die F-35 für das gegnerische Radar nicht. Tatsächlich spricht man von der „Very-Low-Observability“, der VLO. Bedeutet: Aufgrund der Bauart können gegnerische Radargeräte das Flugzeug mit der eigenen Sensorik erst sehr spät erfassen. Das gilt sowohl für Luft/Luft-Gegner als auch Luft/Boden-Attacken.

Wenn eine Flotte zudem noch aus anderen Kampffliegern besteht, etwa dem Eurofighter, ist das Problem im Grunde keins mehr. B. sagt: „Betrachtet man die reinen Flugeigenschaften wie Geschwindigkeit, Dienstgipfelhöhe und G-Last, dann liegt der Eurofighter mit seinen zwei Triebwerken und seinem geringen Grundgewicht wahrscheinlich sogar etwas im Vorteil.“

Zusätzlich zur Bestellung der F-35 werden daher bis 2029 noch fünfzehn Eurofighter für die elektronische Kampfführung umgebaut. Ziel ist elektronische Aufklärung und die Abwehr elektromagnetischer Angriffe – eine Fähigkeit, über die die deutsche Luftwaffe bisher nicht ausreichend verfügt. „Aus meiner Sicht“, sagt B. „ist es äußerst gewinnbringend, die F-35 mit dem Eurofighter zu kombinieren.“ Durch Anschaffung und Umrüstung wird die Flotte insgesamt stärker, weil sie Kompetenz gewinnt.

Das gilt auch, weil die F-35 nicht nur Einsatzdaten sammelt und dem Piloten anzeigt, sondern sie im Verbund mit anderen Maschinen zusammensetzt – so ähnlich wie Google Maps: Je mehr Telefone, desto genauer wird die Navigation. Je mehr Maschinen in Europa eingesetzt werden, desto größer wird der technische Vorteil, denn die F-35 kann die Daten auch anderen Jets wie dem Eurofighter zur Verfügung stellen und so wiederum deren Einsatzwert steigern. B. sagt: „Projiziert man dies auf die Luftwaffe, ist der Mix aus F-35 und Eurofighter hervorragend.“

Und hervorragend ist ja schon mal nicht schlecht.  

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