„Servus, Frau Generalarzt“
Das Gespräch auf dem Campus der Sanitätsakademie in München bleibt nicht ohne Unterbrechungen. Eine vorbeigehende Oberstabsärztin findet Augenkontakt, dann fliegt ihre Hand an die Schläfe unterm blauen Barett. „Grüß Gott, Frau Generalarzt.“ Erika Franke, klein und grauhaarig, zwei goldene Sterne unterm Äskulapstab auf der Schulter, grüßt ebenso zurück. „Gewöhnt man sich dran“, sagt sie später mit Berliner Zungenschlag und einem Lächeln. „So heißt das in Bayern eben.“
Mehr als sechs Jahre in München prägen. Seit 2009 Dienst am Sanitätsamt und dann ab 2013 als Kommandeurin der Sanitätsakademie. Wieder drei Jahre später geht Frankes Zeit in Bayern zu Ende. Am Vorabend hat Bayern München die Hertha aus dem Pokal gekegelt. „Nicht mein Wunschergebnis“, kommentiert die Berlinerin knapp. Morgens gegen sechs Uhr war sie wieder im Büro.
Chefroutine bis zum Schluss
Wie immer: E-Mails checken, Telefonate, Befehle abzeichnen, Besprechungen. So geht das ohne große Pause bis in den Nachmittag. Chefroutine. Aber die Abende halten derzeit zusätzliche Termine bereit. Mit Spedition, Nachmieter und Hausverwaltung. Es geht zurück in die Heimat, nach Berlin. Im Mai hat Franke Geburtstag, zum Ende des Monats wird sie pensioniert.
Zahl der Frauen im Generalsrang halbiert
Wenn sie geht, halbiert sich bei der Bundeswehr die Zahl der Soldatinnen im Generalsrang. Darauf angesprochen, muss sie kurz lachen. „Stimmt. Aber sicher nicht für lange.“ Und dann wieder ernst: „Machen Sie sich mal keine Gedanken. Wir haben eine wirklich gute zweite Reihe. Da stehen sehr kompetente Soldatinnen bereit.“ Dem Thema „Frauen beim Bund“ kann sie selten ausweichen. Erika Franke, eine promovierte Mikrobiologin aus Ost-Berlin, die als erste Frau in deutschen Streitkräften den Rang eines Zwei-Sterne-Generals erreicht. Wichtig für sie? Lange nachdenken muss sie nicht. „Ich bin stolz darauf, was ich in den vergangenen 26 Jahren bei der Bundeswehr erreicht habe. Und ich bin mir bewusst, dass das keine Selbstverständlichkeit war.“
Aufstecken ist keine Option
Gerade weil die Streitkräfte noch immer eine Männerdomäne sind. Und Männer können nachtragend sein, wenn sie sich in Karrierefragen übergangen fühlen. Franke hat das selbst erlebt und auch öffentlich angesprochen. „Mobbing, Benachteiligungen und der Quoten-Vorwurf“, zählt sie auf. „Man braucht manchmal ein dickes Fell und darf nicht aufstecken.“ Dennoch war ihr die Beförderung zur Generalstabsärztin im Herbst 2013 nicht übertrieben wichtig, sagt sie. Die Frau als General. „Ich würde es gar nicht merken, wenn mich nicht ständig einer fragen würde. Ich mache einfach meine Arbeit so gut ich kann.“
„Zuerst schaue ich den Leuten ins Gesicht“: Das könnte man für Koketterie halten. Aber die verträgt sich nicht mit dem unprätentiösen Wesen von Franke. Das bedeutet keineswegs, dass die 61-Jährige unmilitärisch wirkt. „Militärische Hierarchie ist wichtig. Und natürlich fühlt es sich gut an, in eine Position aufzusteigen, in der man den Dingen eine Richtung geben kann“, fügt sie hinzu. „Aber als Erstes schaue ich den Leuten immer noch ins Gesicht. Nicht auf die Schulter.“
Freude an der medizinischen Praxis
Einen Blick über die Schulter riskiert sie an diesem Tag in der Fürst-Wrede-Kaserne gleich gegenüber. Dort vertiefen Militärärzte ihre Kenntnisse in der Notfallmedizin. Ein Lehrfeldwebel mit viel Erfahrung als Rettungsassistent referiert, gestandene Sanitätsoffiziere hören zu. Dann geht es an den praktischen Teil der Übung. Franke hospitiert, fragt beim Lehrfeldwebel nach. Fachsimpelt und wirkt ganz in ihrem Element. Da passt es, dass sie die Zeit als Chefärztin des Ulmer Bundeswehrkrankenhaus als ihre fachlich spannendste Phase in Erinnerung hat. „Da sein, wo die Wertschöpfung passiert. Mit vielen hervorragenden Klinikern.“
Stolz auf ihre Leute
Die hat sie in München natürlich auch. Nach der Stippvisite im Kurs schwärmt sie von „ihren Leuten“ und der praxisorientierten Ausbildung an der Akademie. Bei allen Herausforderungen – sie hinterlässt ihrer Nachfolgerin ein gut bestelltes Feld. Das ist deutlich herauszuhören. Und es erklärt auch, warum vor ihrem Abschied die Floskel vom lachenden und weinenden Auge unpassend wäre. „Meine Kameraden und Mitarbeiter werden mir fehlen. Die Menschen und auch die Arbeit – klar“, sagt Franke geradeheraus.
Vorfreude auf mehr Zeit mit den Lieben
„Aber ich freue mich auf die Familie zu Hause. Meinen Mann, die Kinder und die fünf Enkel. Berlin und den Garten.“ Nach so vielen Jahren unterwegs sei sie froh, dafür nun mehr Zeit haben. „Die Bundeswehr, die Kameraden und Kollegen sind ja nicht aus der Welt. Der Kontakt wird eng bleiben.“
Vita
Generalstabsarzt Erika Franke, Jahrgang 1954, nahm nach dem Abitur das Studium der Humanmedizin im damaligen Ost-Berlin auf. Seit 1979 war sie beim Krankenhaus der Volkspolizei tätig. Auf die Anerkennung zur Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie 1985 folgte ein Jahr später die Promotion. Im Jahre 1990 wurde das Krankenhaus von der Bundeswehr übernommen. Franke wurde als Oberfeldarzt in den Sanitätsdienst übernommen. Bis 2001 leitete sie die Laborabteilung I – Medizin im Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Berlin und fungierte zugleich als Stellvertreterin des Institutsleiters. Zweimal war sie in dieser Zeit im Auslandseinsatz auf dem Balkan. Nach verschiedenen Führungsverwendungen, unter anderem am Sanitätsamt der Bundeswehr und im Einsatzführungskommando, wurde Franke im Juli 2013 Kommandeurin der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München.