Ein evangelischer Militärpfarrer im Gespräch mit Bundeswehrsoldaten im Feldlager Kundus, Afghanistan. Foto: ddp images/dapd

Ein evangelischer Militärpfarrer im Gespräch mit Bundeswehrsoldaten im Feldlager Kundus, Afghanistan. Foto: ddp images/dapd

06.09.2019
ts

Seelsorge ist Fürsorge

Für jemanden Sorge zu tragen, ist bei der Bundeswehr nicht nur eine freiwillige Leistung des Vorgesetzten gegenüber den ihm anvertrauten Menschen. Vielmehr ist Fürsorge im Bereich der Bundeswehr die gesetzliche Pflicht eines jeden Vorgesetzten. Diese Personalisierung der Fürsorge ergibt sich aus der Fürsorge des Staates auch und besonders gegenüber seinen Staatsdienern – unabhängig davon, ob zivil oder uniformiert, für innere oder äußere Sicherheit, für Ausbildung oder Finanzwesen zuständig.

Aus dieser Pflicht zur Fürsorge unter Berücksichtigung der Freiheit der Religionsausübung folgt eine staatlich festgelegte Seelsorge. Diese Seelsorge wird in den deutschen Streitkräften von Militärseelsorgern der christlichen Kirchen, der evangelischen und katholischen, angeboten. Im christlichen Sinne ökumenisch stehen die Seelsorger – neben den Unterrichtungen im Rahmen des lebenskundlichen Unterrichts und den gottesdienstlichen Angeboten – zu seelsorgerlichen Gesprächen zur Verfügung. Dieses Angebot richtet sich an Soldaten im Einsatz und am Standort ebenso wie an deren Familien. Es ist ein Angebot an die Menschen, die sich in bestimmten Situationen besonderen Herausforderungen stellen und Belastungen so verarbeiten müssen, dass die Einsatzbereitschaft in Familie und Dienst auch mental hoch bleibt.

Militärseelsorger sind keine Beschäftigten des Staats, also auch nicht der Bundeswehr. Auf der Grundlage von geschichtlichen Erfahrungen nehmen Militärseelsorger ihre Aufgabe in der Bundeswehr ohne Dienstgrad wahr. Diese Regelung hat sich in der Bundeswehr seit mehr als 60 Jahren bewährt. Dennoch sind Militärseelsorger Teil der Bundeswehr und kennen sich hier aus – ein wichtiges Moment in der glaubwürdigen und verlässlichen Betreuung.

Die Militärseelsorge hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt. Das Zusammenwachsen von Ost und West musste auch mit Blick auf die Militärseelsorge gestaltet werden. Die Einsätze der Bundeswehr haben eine neue zusätzliche Aufgabe für Militärseelsorger im Inland wie im Einsatz entstehen lassen. Dort, wo es um existenzielle Fragen der Soldatinnen und Soldaten im Angesicht von Tod und Verwundung geht, wo die Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen zur Lebenswirklichkeit gehört, suchen sie nach Gesprächspartnern, die Hilfestellung anbieten durch Zuhören und im Gespräch – auch auf der Grundlage ihres Glaubens.

Die gesellschaftliche und religiöse Weiterentwicklung in Deutschland durch Migration ist Realität. Auch in der Bundeswehr gibt es mittlerweile viele Menschen, die einer nichtchristlichen Glaubensgemeinschaft angehören. Die Militärseelsorge stellt sich auch darauf ein. Die frühere Ministerin Ursula von der Leyen hat im April 2019 angeordnet, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit sich jüdische Soldatinnen und Soldaten in Fragen der Seelsorge Militärrabbinern anvertrauen können. Auch soll nach Lösungen für Soldatinnen und Soldaten islamischen Glaubens gesucht werden.

Als der im Bundesvorstand des Deutschen BundeswehrVerbands zuständige Mandatsträger begrüße ich diese Entwicklung. Die Umsetzung dieses Vorstoßes, der auch politisch motiviert ist, sollte jedoch – über eine politische Lösung hi­naus – auch mit Blick auf praktische Erfordernisse zuvor mit allen Beteiligten besprochen werden. Dazu gehören die Militärseelsorger, die heute „im Einsatz“ sind, die Beteiligungsgremien, der Beirat für Fragen der Inneren Führung und auch die Interessenvertretungen. Die Ankündigung der Ministerin und erste Ideen zur Umsetzung lösen bei den Menschen bereits heute zahlreiche Fragen aus, die beantwortet werden müssen. Dazu gehören nicht nur die juristischen Grundlagen. Nur so kann Seelsorge auch künftig religionsübergreifend unter Beachtung der Prinzipien der Inneren Führung als Teil der Fürsorge praktiziert werden.

Oberstleutnant a.D. Thomas Sohst ist im Bundesvorstand themenverantwortlich für die Seelsorge an Soldaten.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick