Beim Mali-Abschlussappell: Bundeskanzler Olaf Scholz (r.), Verteidigungsminister Boris Pistorius (2.v.l.), Generalinspekteur General Carsten Breuer (l.) und der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Bernd Schütt, schreiten die Front ab.

Beim Mali-Abschlussappell: Bundeskanzler Olaf Scholz (r.), Verteidigungsminister Boris Pistorius (2.v.l.), Generalinspekteur General Carsten Breuer (l.) und der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Bernd Schütt, schreiten die Front ab. Foto: Bundeswehr/Jörg Hüttenhölscher

12.04.2024
Von Yann Bombeke

Scholz würdigt Mali-Einsätze beim Abschluss-Appell – die Aufarbeitung steht allerdings noch bevor

Ende des vergangenen Jahres sind die letzten deutschen Soldatinnen und Soldaten aus dem Mali abgezogen – nun wurde der Einsatz der Bundeswehr mit einem feierlichen Abschlussappell gewürdigt. Was gerade beginnt, ist die Aufarbeitung des zehnjährigen deutschen militärischen Engagements in der Sahel-Zone.

Berlin. Manchmal lernt die Politik aus ihren Fehlern: Gut in Erinnerung ist noch das Ende des Afghanistan-Einsatzes im Sommer 2021, als das letzte deutsche Kontingent Afghanistan verließ. Im niedersächsischen Wunstorf landeten die Soldatinnen und Soldaten und setzten einen Schlussstrich unter zwei Jahrzehnten Einsatz am Hindukusch. Dass bei der Begrüßung der Rückkehrer auf dem Luftwaffen-Stützpunkt der Berliner Politikbetrieb durch Abwesenheit glänzte, sorgte seinerzeit für viel Kritik.

Ein ganz anderes Bild am Donnerstagabend auf dem Paradeplatz des Bendlerblocks in Berlin: Beim Abschlussappell für den Mali-Einsatz der Bundeswehr, der im vergangenen Dezember endete, sind sie alle da. Der Verteidigungsminister als Gastgeber, das ist klar. Aber auch Außenministerin Annalena Baerbock, Innenministerin Nancy Faeser, Entwicklungsministerin Svenja Schulze, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und eine Vielzahl von Bundestagsabgeordneten haben an diesem Tag den Weg ins BMVg gefunden. Auch Christine Lambrecht, ehemalige Verteidigungsministerin ohne Fortune, ist auf der Gästetribüne zu sehen. Die Hauptrede vor den Soldatinnen und Soldaten und vielen ihrer Angehörigen hält der Bundeskanzler, Olaf Scholz. Wir sind in der Zeitenwende, die Bundeswehr hat einen ganz anderen Stellenwert in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung, als dies noch vor zweieinhalb Jahren der Fall war.

„Alles gegeben im roten Wüstensand Malis“

Zunächst ergreift der Verteidigungsminister das Wort. „Dieser Appell ist kein alltägliches Ereignis für die Bundeswehr“, sagt Boris Pistorius. Der Sozialdemokrat spricht von einem Abschluss von zwei prägenden Einsätzen der Bundeswehr, die dem Frieden und der Stabilität im westlichen Afrika gedient hätten. Mehr als 16.000 malische Soldaten habe man im Rahmen der europäischen Mission EUTM Mali ausgebildet, für den UN-Einsatz MINUSMA habe man wichtige Fähigkeiten zur Verfügung gestellt. „Sie alle haben Ihren Einsatz mit Bravour erfüllt“, sagt Pistorius, auch wenn man sich eingestehen müsse, mit dem Engagement in der Region gescheitert zu sein – dies sei jedoch nicht die Schuld der Bundeswehr, betont der Minister. Und ergänzt: „Sie haben jeden Tag alles gegeben, auf Sie ist Verlass, auch im roten Wüstensand Malis. Darauf bin ich stolz.“

Dann übergibt Pistorius das Rednerpult dem Bundeskanzler. Es sei richtig gewesen, „die damalige Chance für den Frieden zu ergreifen“, sagt Olaf Scholz. Und, an die Soldatinnen und Soldaten gerichtet: „Mit Ihrem Einsatz haben Sie Menschenleben gerettet – Zehntausende. Das bleibt.“ Der Kanzler würdigt auch die Opfer, die das deutsche Engagement in Mali forderte. Im Sommer 2017 kamen zwei Soldaten beim Absturz eines Kampfhubschraubers Tiger ums Leben, auch wurden Anschläge auf die Bundeswehr verübt, etwa im Juni 2021, als durch den Angriff eines Selbstmordattentäters zwölf Soldaten zum Teil schwer verwundet wurden.

Kanzler hält am Engagement in der Sahel-Region fest

Scholz hebt positiv hervor, dass der Mali-Einsatz nun auch evaluiert wird. Und trotz des Scheiterns in der Sahel-Zone will sich der Kanzler nicht von der Region abwenden. „Mali zu stabilisieren und die gesamte Region, das bleibt wichtig.“ Dazu gehöre der Austausch mit den Regierungen in der Region, auch wenn dieser schwierig sei, so der Regierungschef.

Für den Deutschen BundeswehrVerband ist bei diesem Abschlussappell, der von einer Kranzniederlegung und einer Serenade umrahmt wird, der Stellvertretende Bundesvorsitzende, Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert, vor Ort. Bohnert, im Bundesvorstand für die Auslandseinsätze zuständig, spricht von einer würdigen Veranstaltung. „Die Anwesenheit vieler wichtiger Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Politik und Gesellschaft ist ein großes Zeichen der Anerkennung für unsere Einsatzrückkehrer“, sagt Bohnert. Dies zeige, dass das Bewusstsein für die Erfordernisse einer Parlamentsarmee inzwischen auf vielen Ebenen gewachsen sei, betont er. Und: „Diese Verantwortung gilt es auch für zukünftige Einsätze zu bewahren. Wir werden als Verband immer wieder daran erinnern.“  

Mali-Einsätze auch Thema der „Gespräche am Ehrenmal“

Für den Deutschen BundeswehrVerband ist es ebenfalls von zentraler Bedeutung, dass die Einsätze Bundeswehr in angemessener Weise aufgearbeitet werden – geht es doch darum, die richtigen Lehren zu ziehen und Fehler, die vielleicht gemacht wurden, beim nächsten Einsatz zu vermeiden. Während sich ein Untersuchungsausschuss und eine Enquete-Kommission des Bundestages mit der Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes beschäftigen, steht man in der Aufarbeitung des Mali-Engagements noch ganz am Anfang. Nur wenige Meter vom Schauplatz des Mali-Abschlussappells entfernt, im Informationsraum des Ehrenmals der Bundeswehr, wurde in dieser Woche ein Beitrag zur Evaluierung geleistet – in der BMVg-Reihe „Gespräche am Ehrenmal“ ging es um die Lehren und Erfahrungen aus zehn Jahren Mali-Einsatz.

Und diese Erfahrungen sind nicht nur negativ: „Ich habe nur positive Erinnerungen an Mali“, sagt Hauptmann Torsten Konopka, der in der frühen Phase des Einsatzes als interkultureller Einsatzberater beim Kommandeur des deutschen Einsatzkontingents EUTM tätig war. Konopka ergänzt: „Diese fünf Monate bei EUTM in Bamako waren die erfülltesten in meiner Bundeswehrdienstzeit.“ Aus wissenschaftlicher Perspektive, Konopka ist Mitherausgeber des „Wegweisers zur Geschichte – Mali“, habe er aber ein differenzierteres Bild, sagt der Hauptmann. So fehlt ihm im deutschen Diskurs bislang eine selbstkritische Bewertung. „Welche Rolle haben wir gespielt, dass sich die Lage so entwickelt hat, wie sie sich entwickelt hat?“ Konopka weiter: „Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass wir das Mali-Engagement so aufarbeiten, wie wir es beim Afghanistan-Einsatz machen.“

Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses diskutiert mit. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) gibt zu, dass sie sich anfangs gefragt hätte: Was machen wir da eigentlich? Letztendlich sei der Einsatz aber aus ihrer Sicht richtig gewesen. „Wie er uns entrissen wurde, lag nicht in unseren Händen“, sagt die Verteidigungspolitikerin, die jetzt für ihre Partei in den Europa-Wahlkampf zieht. Die Ziele für den Einsatz habe man nach bestem Wissen und Gewissen gesetzt, nun gehöre es zur Reflexion, zu fragen: Was hat es gebracht? Auch der Historiker Dr. Christian Hartmann, ehemals Abteilungsleiter Einsatz am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, vermisst eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Einsatz – dies sei aber angesichts der aktuellen Lage aber auch verständlich. Die Sahel-Region sieht er „am Abgrund“, allerdings sei es in zehn Jahren Einsatz auch gelungen, Vertrauen aufzubauen.

Konkret wird in der Gesprächsrunde Generalleutnant Gunter Schneider, Abteilungsleiter Militärstrategie, Einsatz und Operationen im BMVg. Zum Ausbildungseinsatz EUTM sagt er: „Wenn Sie richtig ausbilden wollen, müssen Sie erstmal die Leute richtig ausrüsten – auch mit Waffen. Dann müssen Sie die Kräfte begleiten, um zu evaluieren.“ Die Frage sei dabei: Wie weit ist man politisch bereit, in einen solchen Einsatz zu gehen? Schneider mahnt: „Wir sollten es uns gut überlegen, ob wir so große Kontingente mit rund 1000 Soldaten künftig noch aufstellen – bis zum Sankt-Nimmerleinstag.“ Dennoch haben die Auslandseinsätze der Bundeswehr nach wie vor ihre Berechtigung, auch unter einem anderen Aspekt. Schneider lenkt in der Diskussion den Blick auf den Westbalkan und die aktuellen Spannungen in Bosnien und im Kosovo, die auch von Russland geschürt werden: „Ist das noch Internationales Konfliktmanagement? Für mich ist das schon Bündnisabschreckung.“

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