Scholz und Baerbock fordern Einbeziehung Europas in Ukraine-Friedensverhandlungen
Die Rede des US-Vizepräsidenten hallt in München immer noch nach – obwohl J.D. Vance die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) längst wieder verlassen hat. Um Sicherheitspolitik ging es aber dann auch noch am zweiten Konferenztag.
München. Einen Tag, nachdem US-Vizepräsident J.D. Vance bei seinem Auftritt auf der MSC Demokratieverständnis und angebliche Defizite bei der Meinungsfreiheit in Europa kritisiert hatte, nutzte Bundeskanzler Olaf Scholz die Bühne, um die Kritik des US-Amerikaners sowie seine Äußerungen zugunsten der AfD scharf zurückzuweisen. Scholz verbat sich jede Einmischung in den deutschen Wahlkampf. Aus den Reihen der AfD würden der Nationalsozialismus und dessen monströse Verbrechen verharmlost, sagte der SPD-Politiker. Auch der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz verlangte von der US-Regierung, sich nicht weiter in den deutschen Wahlkampf einzumischen.
Dann sprach der Bundeskanzler aber über Sicherheitspolitik – um die es eigentlich vorrangig gehen sollte bei dieser 61. MSC. Scholz forderte, in den Verhandlungen mit Russland eine „souveräne Unabhängigkeit“ der Ukraine zu achten. Zudem müsse das Land in einem Frieden mit umfangreicher Militärhilfe zu wirksamer Selbstverteidigung befähigt werden, machte Scholz deutlich: „Die Ukraine muss am Ende jeder Verhandlungslösung über Streitkräfte verfügen, mit denen sie jeden erneuten russischen Angriff abwehren kann. Finanziell, materiell und logistisch wird das eine enorme Herausforderung“, sagte der SPD-Politiker. Dafür würden die Europäer und transatlantischen Partner weiter gebraucht.
Scholz wirft Russland Sabotage und Manipulation vor
Ein Sieg Russlands oder ein Zusammenbruch der Ukraine würden keinen Frieden schaffen, warnte er. Auch ein Diktatfrieden werde niemals die Unterstützung Deutschlands finden. „Wir werden uns auch auf keine Lösung einlassen, die zu einer Entkopplung europäischer und amerikanischer Sicherheit führt“, sagte er.
Scholz warf Russland vor, die Lage bereits jetzt mit gefährlichen Aktionen gegen Staaten der transatlantischen Allianz zu eskalieren. Er nannte Sabotage von Unterseekabeln und anderer Infrastruktur, Brandanschläge, Desinformation und Versuche der Manipulation von demokratischen Wahlen.
Auch Außenministerin Annalena Baerbock unterstrich die Forderung, Europa müsse in Verhandlungen der USA und Russlands für einen Frieden in der Ukraine einbezogen werden – sonst werde es keinen dauerhaften Frieden geben.
Selenskyj warnt vor russischen Truppenverlegungen nach Belarus
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht keine Signale für einen Frieden aus Moskau. Selenskyj warnte vor militärischen Vorbereitungen Russlands auf mögliche weitere Konfrontationen. Die Ukraine habe nachrichtendienstliche Erkenntnisse, dass die Führung in Moskau noch in diesem Sommer Soldaten in das verbündete Belarus verlegen wolle, sagte ukrainische Präsident auf der MSC. Er wies auch auf die weitere Aufrüstung der russischen Streitkräfte sowie die Rekrutierung zusätzlicher Soldaten hin.
Der Aufmarsch in Belarus werde als Militärübung deklariert werden. Aber so sei auch die Invasion der Ukraine vor drei Jahren vorbereitet worden. Unklar sei, wem ein solcher Truppenaufmarsch gelten könne.
Sikorski: „Nichts Gefährlicheres als leere Garantien“
Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski warnte in der Debatte um eine Friedenslösung für die Ukraine vor wirkungslosen Sicherheitsgarantien. „In internationalen Beziehungen gibt es nichts Gefährlicheres als leere Garantien“, warnte Sikorski auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
„Es schadet dem Empfänger, weil es ihn zu mutig macht. Und es schadet dem Geber, weil es die Entscheidung über einen Konflikt in die Hände des Empfängers legt. Da sollten wir uns nicht hinbegeben“, sagte Sikorski zu den Gefahren eines solchen Weges.
Er forderte, es müssten glaubwürdige Garantien gegeben werden und erinnerte daran, dass die Ukraine bereits einmal folgenlose Sicherheitsgarantien erhalten habe – als sie 1994 zugestimmt habe, auf ihr Atomwaffenarsenal zu verzichten.