Anfang April besuchte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (M.) Armeeeinheiten im Osten des Landes. Selenskyj hatte seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin ein Treffen in der umkämpften Region vorgeschlagen. Foto: Ukrainian Presidential Office

Anfang April besuchte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (M.) Armeeeinheiten im Osten des Landes. Selenskyj hatte seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin ein Treffen in der umkämpften Region vorgeschlagen. Foto: Ukrainian Presidential Office

23.04.2021
fk/yb/dpa

Russland kündigt Rückzug von Soldaten von der Krim an – aktuelle Stunde im Bundestag

Moskau. Russland hat den Abzug mehrerer Militäreinheiten angekündigt, die in den vergangenen Tagen an umstrittenen Manövern auf der 2014 von Moskau einverleibten Schwarzmeer-Halbinsel Krim beteiligt waren. Die Lage in der Ostukraine war gestern auch Gegernstand einer aktuellen Stunde im Bundestag.

Die Soldaten hätten die Überprüfung ihrer Verteidigungsbereitschaft bestanden und würden von diesem Freitag an zu ihren ständigen Stationierungsorten zurückkehren, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Donnerstag (22. April) bei einem Krim-Besuch laut Agentur Tass.

An den Übungen hatten russischen Angaben zufolge 10.000 Soldaten teilgenommen. Es waren mehr als 40 Kriegsschiffe sowie Bodentruppen, Kampfflugzeuge und Luftabwehreinheiten beteiligt. Truppenaufmärsche auf russischer, aber auch auf ukrainischer Seite hatten zuletzt die Befürchtung ausgelöst, dass die Kämpfe im Konfliktgebiet Ostukraine erneut eskalieren könnten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die Zurückverlegung der russischen Soldaten. „Die Verringerung der Truppenzahl an unserer Grenze reduziert entsprechend die Spannung“, schrieb Selenskyj auf Twitter.

Nach Angaben von Schoigu sollen auch an der westlichen Grenze Russlands Einheiten abgezogen werden. Um wie viele Soldaten es sich insgesamt handelt, war zunächst aber unklar. Gleichzeitig erklärte der russische Verteidigungsminister, dass die Militärtechnik eines Truppenverbands in die Nähe von Woronesch gebracht und dort für ein Manöver im Herbst gelagert werden sollen. Der Ort ist rund 170 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Grenze entfernt.

Von der Nato kamen dementsprechend zunächst zurückhaltende Kommentare. „Wir haben die Ankündigung des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu zur Kenntnis genommen“, sagte ein Sprecher am Abend. Die Nato bleibe wachsam und werde Russlands „ungerechtfertigten Ausbau der Militärpräsenz“ in und um die Ukraine weiterhin genau beobachten. Jede Deeskalation Russlands wäre „wichtig und überfällig“.

Aktuelle Stunde im Bundestag

In einer aktuellen Stunde besachäftigten sich auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit der Lage in der Region. Die Bundesregierung, vertreten durch Staatsminister Michael Roth, warf Russland vor, Frieden, Stabilität und Souveränität in der ganzen Region zu gefährden und wies die Behauptungen, die Ukraine würde militärische Aktionen durchführen, zurück. Es läge nun an Russland, zu deeskalieren. „Wir erwarten schlicht die Einhaltung dessen, wozu sich  Russland  als  Mitgliedsland  der  OSZE  verpflichtet hat", sagte der Staatsminister.

Weitere Vertreter der Koalition, darunter die Unionspolitiker Johann Wadephul, Roderich Kiesewetter und Frank Steffel (CDU) sowie die Sozialdemokraten Johann Saathoff, Daniela de Ridder und Josip Juratovic bekräftigten diese Haltung mit zusätzlichen Argumenten. Sie verwiesen auf den Fall Nawalny und auf den Umgang der russischen Regierung mit der Protestbewegung im Land.

Die AfD- und die Linksfraktion sahen das erwartbar anders. Beide sahen die Provokation bei der Ukraine und ihren Partnern. Heike Hänsel (Die Linke) benannte dabei auch die Beteiligung der Bundeswehr an Nato-Manövern (Defender Europe 21), die Russland provozieren würden.

Gestützt wurde die Position der Bundesregierung hingegen von Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Sie forderten eine klare Haltung gegenüber Putin ein. Auch sahen beide in der Situation in der Ostukraine eine Ablenkung von innenpolitischen Problemen.


Putin schlägt Treffen in Moskau vor

Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich unterdessen zu einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj bereit – allerdings nicht wie von Selenskyj vorgeschlagen in der Ostukraine, sondern in der russischen Hauptstadt Moskau. „Wenn es um die Entwicklung der beidseitigen Beziehungen geht, dann bitte. Wir empfangen den Präsidenten der Ukraine zu jeder für ihn angenehmen Zeit in Moskau“, sagte Putin am Donnerstag laut Agentur Interfax.

Vor dem Hintergrund der angespannten Situation in der Ostukraine hatte Selenskyj dem Kremlchef zuvor ein Treffen im Konfliktgebiet Donbass vorgeschlagen. „Ich bin bereit, weiter zu gehen und Ihnen ein Treffen an jedem Punkt des ukrainischen Donbass vorzuschlagen, wo Krieg herrscht“, sagte der 43-Jährige auf Russisch in einer Ansprache. Sollte Selenskyj die Probleme im Donbass besprechen wollen, müsse er sich allerdings mit den Führern der ostukrainischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk treffen, sagte Putin.

Die Anführer der beiden Gebiete zeigten sich bereit zu einem Treffen mit dem ukrainischen Staatsoberhaupt an der Frontlinie. „Wollen Sie reden?! Kommen Sie friedlich und wir werden reden!“, sagte der Luhansker Separatistenchef Leonid Passetschnik. Ein wackliger Frieden sei besser als ein „guter Streit“.

Sein Donezker Kollege Denis Puschilin sagte: „Ich rufe Sie auf, Herr Selenskyj, nicht die Führer von dritten Staaten zur Kontaktlinie einzuladen, sondern besser selbst dorthin zu einem ehrlichen und offenen Gespräch mit uns zu kommen.“ Die Unterredungen könnten auch online stattfinden, falls Selenskyj der Mut fehle, betonte Puschilin.

Vor seiner Wahl vor zwei Jahren hatte Selenskyj gesagt, dass er selbst mit dem „glatzköpfigen Teufel“ reden würde, um Frieden in der Ostukraine zu erreichen. Kiew kämpft nach eigenem Verständnis gegen die russische Armee statt gegen ukrainische Rebellen. Daher könne nur direkt mit Moskau, jedoch nicht mit Donezk und Luhansk verhandelt werden.

Seit knapp sieben Jahren werden Teile der Gebiete in der Ostukraine entlang der russischen Grenze von moskautreuen Separatisten kontrolliert. UN-Schätzungen zufolge wurden bei den Kämpfen mehr als 13 000 Menschen getötet. Ein 2015 unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs vereinbarter Friedensplan liegt auf Eis.

Laut ukrainischer Armee wurde am Donnerstag trotz geltender Waffenruhe ein Soldat infolge von Beschuss durch moskautreue Rebellen getötet. Die Aufständischen wiederum warfen den Regierungstruppen Beschuss ziviler Objekte am westlichen Stadtrand der Rebellenhochburg Donezk vor. Ein knapp 60-jähriger Mann sei schwer verletzt worden. Unabhängige Bestätigungen der Berichte lagen zunächst nicht vor. Seit Jahresbeginn sind im Konfliktgebiet insgesamt rund 60 Menschen getötet worden.

 

Aktualisiert am 23.04.2021, 13:50 Uhr

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