Im Rüstungsbericht wird der Eurofighter als das „umfangreichste Rüstungsprojekt der Bundeswehr“ bezeichnet. Foto: Bundeswehr/Stefan Petersen

Im Rüstungsbericht wird der Eurofighter als das „umfangreichste Rüstungsprojekt der Bundeswehr“ bezeichnet. Foto: Bundeswehr/Stefan Petersen

12.06.2020
Yann Bombeke/Katharina Fechner

Rüstungsbericht: Update zu den wichtigsten Beschaffungsvorhaben

Berlin. Der 11. Bericht des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten liegt vor: Auf mehr als 100 Seiten werden Zahlen, Daten, Fakten sowie projektbezogene Informationen zu Rüstungsvorhaben bekanntgegeben. Interessant ist der Blick auf die verschiedenen Beschaffungsvorhaben. Verzögerungen bei der Lieferung durch die Industrie und erforderliche Nachbesserungen haben unmittelbare Auswirkungen auf die materielle Einsatzbereitschaft, wenn etwa betagte Waffensysteme erst viel später als vorgesehen durch moderne Systeme abgelöst werden können.

Unter besonderer Beobachtung stehen die Großprojekte, die schon in der Vergangenheit für viele negative Schlagzeilen gesorgt haben, weil sie viel später als vorgesehen an die Truppe ausgeliefert und zudem deutlich teurer wurden. In vielen Fällen wurden diese Systeme auch so ausgeliefert, dass noch umfassende Änderungen im laufenden Betrieb notwendig waren.

Ein Beispiel ist der Transporthubschrauber NH90. Nach Angaben des BMVg hat sich die Verfügbarkeit des Systems „verstetigt und stabilisiert“. Das Programm unterliege aber immer noch „Verzögerungen im Fähigkeitsaufwuchs sowie operationellen Einschränkungen“. Die ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der materiellen Einsatzbereitschaft „zeigen positive Tendenzen“. Inwieweit die Einsatzbereitschaft des NH90 weiter gesteigert werden kann, hängt laut BMVg von der weiteren Unterstützung durch die Industrie bei Inspektionen sowie der Lieferung von Ersatz- und Austauschteilen sowie von der Reduzierung der Wartungsintensität ab. Interessanter Aspekt: Aus dem Rüstungsbericht geht hervor, dass ab dem kommenden Jahr vier NH90 des Heeres für 18 Monate Einsatz in Afghanistan eingeplant werden sollen – trotz der Abzugspläne nach dem Abkommen zwischen der US-Regierung und den Taliban. Zudem sind ab 2022 bis zu zehn Hubschrauber zuzüglich Reserve für die Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) eingeplant.

Auch die Marine wartet auf ihre Version des NH90, den „Sea Lion“, der das betagte Muster „Sea King“ als Bordhubschrauber für die Einsatzgruppenversorger sowie als SAR-Hubschrauber ablösen soll. Die ersten „Sea Lion“ befinden sich im Zulauf, Anfang Juni wurde der Flugbetrieb bei der Marine aufgenommen.

Beim Kampfhubschrauber „Tiger“ stagniert die materielle Einsatzbereitschaft laut Rüstungsbericht „auf einem unzureichenden Niveau“. Diese soll durch ähnliche Maßnahmen wie beim NH90 der Heeresflieger mittel- bis langfristig angehoben werden. Das Modell soll mindestens bis 2038 von den Heeresfliegern genutzt werden, dafür wird bereits an der Weiterentwicklung gearbeitet.

Der Rüstungsbericht gibt auch ein Update zum Stand der Dinge beim Projekt „Schwerer Transporthubschrauber“. Die Bundeswehr benötigt dringend ein Nachfolgesystem für den seit 1972 genutzten CH-53G. Anfang des Jahres sind Angebote für das Modell CH-47F „Chinook“ von Boeing sowie das Muster CH-53K „King Stallion“ von Lockheed Martin/Sikorsky eingegangen. Seit Anfang Mai laufen die Verhandlungen, zunächst mit dem Hersteller Boeing. Gemäß Rüstungsbericht ist eine Auslieferung des neuen schweren Transporthubschraubers bis Mitte dieses Jahrzehnts notwendig.

"Rückgrat der Luftwaffe"

Beim Kampfflugzeug Eurofighter geht es um den Ersatz von Flugzeugen aus der ersten Tranche sowie um Weiterentwicklungen, etwa mit dem neuen Radar-System ASEA. Eurofighter in der aktuellsten Konfiguration (Tranche 4) sollen frühestens ab 2025 zur Auslieferung kommen. Im Rüstungsbericht wird der Eurofighter als das „umfangreichste Rüstungsprojekt der Bundeswehr“ bezeichnet. Das Modell sei „über einen langen Zeitraum hinweg das Rückgrat der Luftwaffe“.

Vom Transportflugzeug A400M sind bislang 32 von 53 geplanten Exemplaren an die Luftwaffe ausgeliefert worden. Der Fähigkeitsaufwuchs, etwa der Schutz gegen Bedrohungen durch Boden-Luft-Raketen, verlaufe stetig, aber „technische Probleme schränken weiterhin die Verfügbarkeit ein“.

Schon betagter sind die Seefernaufklärer P3-C „Orion“ der Marineflieger. Bei diesem Muster, das eine wichtige Rolle bei Marinemissionen wie Irini spielt, sind Modernisierungsmaßnahmen im Bereich der Avionik erforderlich. Diese verzögern sich jedoch, was laut BMVg „maßgeblich durch die industriellen Auftragnehmer zu verantworten“ ist. Und: „Die bestehenden Risiken machen ein enges Projektcontrolling und ggf. die Betrachtung von Handlungsalternativen erforderlich“.

Eine immer größere Rolle spielen bi-nationale Kooperationen. Ein Beispiel ist die Beschaffung von Transportflugzeugen des Typs C-130J „Super Hercules“. Diese sollen gemeinsam mit Frankreich als Partner betrieben werden. Erfreulich dabei: Nach derzeitigem Stand soll die Auslieferung der Transportmaschinen, die eine Fähigkeitslücke im taktischen Lufttransport schließen sollen, wenn die C-160 Transall ihr Nutzungsende erreichen, bereits im Februar 2022 beginnen – vier Monate vor dem ursprünglich geplanten Termin.

Ein weiteres Beispiel für internationale Kooperation ist bei der Marine zu finden. Zwei U-Boote der Klasse 212 „Common Design“ sollen für die Bundeswehr beschafft werden, vier weitere sind für die norwegische Marine geplant.

Deutlich später im Zulauf und erheblich teurer als geplant sind die Fregatten der Klasse F125. Gemessen an der ersten parlamentarischen Befassung beträgt der Lieferverzug 67 Monate, bei Mehrkosten von über einer Milliarde Euro. Doch jetzt scheint der Zeitrahmen konsolidiert zu sein. Erst in dieser Woche hat die Marine mit der „Nordrhein-Westfalen“ das zweite von vier Schiffen in Dienst gestellt.

Beim Heer hinkt der Schützenpanzer „Puma“ den ursprünglichen Lieferplanungen hinterher. Die Einsatzbereitschaft des Systems ist aktuell noch nicht befriedigend – das wurde auch schon im jüngst vorgestellten Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft deutlich. Mit verschiedenen Maßnahmen soll nun erreicht werden, dass das System wie vorgesehen das betagte Vorgängermodell „Marder“ ablösen kann und auch für die VJTF 2023 zur Verfügung steht.

Das Ziel VJTF 2023 steht auch bei der persönlichen Ausstattung im Fokus. Soldaten sollen bis zum Jahr 2031 mit dem Kampfbekleidungssatz Streitkräfte ausgestattet werden. In einem ersten Schritt sollen die 16.000 Soldatinnen und Soldaten, die für den Einsatz bei der VJTF vorgesehen sind, diese Ausrüstung erhalten.

Modernisierung des Rüstungswesens

Ein wichtiger Teil des Rüstungsberichts beschäftigt sich mit der Modernisierung des Rüstungswesens. So hat das Bundeskabinett im Februar ein „Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ beschlossen. Auf Basis dieses Papiers sollen nationale sicherheits- und verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien bestimmt werden, etwa Marineschiffbau, elektronische Kampfführung oder künstliche Intelligenz. Es soll sichergestellt werden, dass der künftige Bedarf der Bundeswehr gedeckt ist und zugleich das erforderliche Know-how sowie die Industriekapazitäten vorhanden sind.

Im Bereich der Beschaffungs- und Nutzungsorganisation soll es keine großen Umstrukturierungen geben: Die Änderung der Rechtsform des BAAINBw in eine Anstalt des öffentlichen Rechts wird nach wie vor nicht beabsichtigt und die noch im Jahr 2012 vorgenommene Zusammenführung von Beschaffung und Nutzung im BAAINBw wird nicht rückgängig gemacht. Dennoch soll der Bereich mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen optimiert werden.

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