Mit neuem Selbstbewusstsein stellt die Rüstungsindustrie ihre Entwicklungen vor, wie hier auf der ILA. Doch die Unternehmen brauchen Sicherheit - in Form von zuverlässigen Auftragseingängen. Foto: DBwV/Yann Bombeke

Mit neuem Selbstbewusstsein stellt die Rüstungsindustrie ihre Entwicklungen vor, wie hier auf der ILA. Doch die Unternehmen brauchen Sicherheit - in Form von zuverlässigen Auftragseingängen. Foto: DBwV/Yann Bombeke

12.08.2024
Von Frank Jungbluth

Rüstung: „Die Ziele sind richtig – wir brauchen mehr Geld für Verteidigung“

900 Tage nach dem Überfall russischer Truppen auf das Nachbarland Ukraine haben sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) auf eine Sicherheits- und Verteidigungsindustrie-Strategie geeinigt: Damit soll der Einstieg des Staates in die Rüstungsindustrie erleichtert werden. Hintergrund: Die Bundeswehr muss in den nächsten Jahren massiv in die Ausrüstung der Streitkräfte investieren. Das Bundeskabinett wird sich bereits in seiner nächsten Sitzung Anfang September damit befassen.

Die deutsche Rüstungsindustrie braucht dafür zuverlässige Auftragseingänge, um Kapazitäten aufbauen zu können. So können bestehende Werke erweitert und neue gebaut werden. Wäre der Staat Teilhaber bei Rüstungsbetrieben, so wäre eine Versorgung der Bundeswehr mit Rüstungsgütern auch im Krisen- und Kriegsfall sichergestellt. Rüstungsvorhaben, so heißt es im Papier von Habeck und Pistorius, sollen als Maßnahmen „von besonderem öffentlichen Interesse“ deklariert werden. So kann man Genehmigungsverfahren beschleunigen.

Wüstner: Ein überfälliger Schritt zur Wehrhaftigkeit

Für den Bundesvorsitzenden Oberst André Wüstner ist diese Strategie der Regierung überfällig: „Gut so: Die Entscheidung der Bundesregierung, ist ein überfälliger Schritt hin zur Verteidigungsfähigkeit und Wehrhaftigkeit unseres Landes. Ehrlich gesagt, ich hätte mir diesen Ansatz bereits viel früher gewünscht. Die Ukraine, die Bundeswehr und die NATO würden besser dastehen als heute, hätten wir uns eher auf den Weg gemacht, aber jetzt sollten wir nach vorne blicken.“

Die Ziele, so Wüstner, seien richtig und deren Erreichung wichtig: Allerdings brauche es dafür nicht nur bessere Rahmenbedingungen, wie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, sondern schlussendlich auch mehr Geld für Verteidigung. „Denn ohne Geld keine Planungssicherheit für Großunternehmen sowie Mittelstand und ohne Planungssicherheit kein Kapazitätsaufbau. Heißt im Klartext, ein noch so gutes Papier fürs Schaufenster wird nicht ausreichen, es muss tatsächlich auch erkennbar etwas in den Laden kommen“, sagt der Bundesvorsitzende.

„Kapazitätsaufbau ist überlebenswichtig“

Oberst André Wüstner macht deutlich: „Letztendlich muss verstanden werden, dass der Kapazitätsaufbau im Bereich der Rüstungsindustrie bezogen auf die Bedrohungslage überlebenswichtig ist, sie ist ein wichtiger Teil unserer Sicherheitsvorsorge und Wehrhaftigkeit. Deshalb ist es folgerichtig, dass wir endlich auch das tun können, was bei Bündnispartnern längst möglich ist: Besser als bisher Staatseinstiege bei Rüstungsfirmen ermöglichen, insbesondere wenn es sich um für Deutschland relevante Schlüsseltechnologien handelt.“

Seit Beginn der zweiten russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 sei über die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie-Strategie im Hintergrund beraten worden, leider ohne Ergebnis. „Denn schon im Jahr 2022 ging es um Rüstungsfirmen, welche zumindest einen Teil ihres Risikos, beispielsweise für den Bau neuer Anlagen für die Munitionsherstellung, abgefedert haben wollten. Übergreifend geht es dabei auch darum, wieviel Marktwirtschaft in Zeiten des Krieges in Europa möglich und wieviel Planwirtschaft nötig ist, um nicht nur der Ukraine schnell zu helfen, sondern gleichzeitig die eigene Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen“, betont Wüstner.

FDP-Fraktion kritisiert Strategie-Plan

Obwohl das Papier auf Ebene der Staatssekretäre von Kanzleramt, Verteidigungsministerium, Finanzministerium und Wirtschaftsministerium abgestimmt worden ist, hat die FDP-Bundestagsfraktion den Plänen zum Einstieg des Staates bei deutschen Rüstungskonzernen eine Absage erteilt. „Die FDP hält nichts von staatlichen Beteiligungen an Unternehmen, auch nicht im Bereich der Rüstungsindustrie“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dadurch würden Insolvenzen hinausgezögert und der Wettbewerb gerate in Gefahr.

„Und die Schaffung von europäischen Verteidigungs-Champions wird torpediert, wenn jeder Staat nur seine eigenen nationalen Schätzchen pampert. Die Zersplitterung der europäischen Rüstungs-Landschaft bleibt dann ein teures Ärgernis“, sagte Müller. Er plädierte stattdessen für Bürokratieabbau, langfristigere Beschaffungsverträge und europäische Kooperation.

Der Staat ist bereits beim Radargerätehersteller Hensoldt beteiligt, über die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist eine Beteiligung am Rüstungsunternehmen ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel geplant.

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