Der personelle Zielumfang bleibt: Bis 2031 soll die Bundeswehr auf 203.300 Soldatinnen und Soldaten anwachsen. Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Der personelle Zielumfang bleibt: Bis 2031 soll die Bundeswehr auf 203.300 Soldatinnen und Soldaten anwachsen. Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

20.05.2022
Von Karsten Logemann

Planer, Mittler und Notar für personell hoch einsatzbereite Streitkräfte

Unter den gegenwärtigen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen und der „Zeitenwende“ kommt einer realistischen und flexiblen Personalplanung, harmonisiert mit der Ausrüstungsplanung, entscheidende Bedeutung zu, um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu erhöhen. Ein Gastbeitrag von Kapitän zur See Karsten Logemann, FüSK III 6.

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine veränderte sich über Nacht die außen- und sicherheitspolitische Ausrichtung Deutschlands und seiner Verbündeten – ein Krieg in Europa. Die daraus resultierende, viel zitierte „Zeitenwende“, durch den Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am 27. Februar 2022 deutlich zum Ausdruck gebracht, hat daher natürlich auch elementare Auswirkungen auf die Bundeswehr. Der personelle Zielumfang von rund 203.300 aktiven Soldatinnen und Soldaten und zusätzlich einer starken Reserve bleibt bis auf weiteres unverändert. Dieser personelle Zielumfang, 100 Milliarden Sondervermögen und die hieraus finanzierten Ausrüstungsvorhaben stehen für den klaren politischen Willen, die Fähigkeit der Bundeswehr zur Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der Systeme kollektiver Sicherheit vollends zu erreichen und an der offenbar gewordenen Bedrohungslage ausgerichtet, anzupassen. Für dieses strategische Ziel stellt das Referat Führung Streitkräfte (FüSK) III 6 im Bundesministerium der Verteidigung mit der Planung, Steuerung und Kontrolle des militärischen Personalbedarfs die Weichen für den Aufwuchs hin zu einsatzbereiteren Streitkräften.

Besonders unter der aktuellen „Zeitenwende“ kommt einer realistischen und mit der Ausrüstungsplanung harmonisierten Personalplanung große Bedeutung zu. Die hierfür genutzten Instrumente und Verfahren sollen in diesem Artikel vorgestellt und erläutert werden.

Abgeleitet aus dem Weißbuch der Bundesregierung (2016) sowie der Konzeption der Bundeswehr (2018) beschreibt das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr den Bedarf der Streitkräfte in Zwischenschritten bis zum Jahr 2031. Dieser politische Wille wurde mit der Trendwende Personal im Jahre 2016 nachdrücklich so formuliert, dass der Personalbestand der Bundeswehr auf insgesamt rund 203.300 Soldatinnen und Soldaten bis dahin aufwachsen soll.

Nachdem der militärische Personalbestand seitdem zunächst jährlich kontinuierlich wuchs, führte die Covid-19-Pandemie zu einem wesentlichen Einschnitt. In den vergangenen zwei Jahren konnte aufgrund umfänglicher Schutzauflagen in der Personalgewinnungs- und Ausbildungsorganisation weniger Personal eingestellt werden. Jedoch wurden durch verstärkte Maßnahmen der Personalbindung die verminderten Einstellungen so weit aufgefangen, dass der militärische Personalbestand noch auf dem Niveau der Vorjahre gehalten werden konnte. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass sich der geplante Aufwuchs um etwa zwei Jahre verzögert hat und voraussichtlich auch für das aktuelle Jahr kein „Normalbetrieb“ zu erwarten ist.

Mit dem Regierungswechsel im November 2021 und der im Koalitionsvertrag vereinbarten Bestandsaufnahme in der Bundeswehr wurde vielerorts spekuliert, ob die Lagefeststellung der neuen Regierung zwangsläufig zu einer Korrektur der personellen Zielumfänge „nach unten“ führen werde. Der Angriffskrieg Russlands, die veränderte außen- und sicherheitspolitische Ausrichtung und die Zäsur in der Gestaltung des Verteidigungshaushalts sowie das klare Bekenntnis zu einer hochmodernen und leistungsfähigen „Allround-Armee, die Deutschland zu einem starken militärischen Kooperationspartner in Europa macht – und damit zu einem europäischen Kräfteverstärker in NATO und EU“  beendeten diese Spekulationen. Der personelle Zielumfang und die damit verbundene, zu erreichende Einsatzbereitschaft stehen unverändert als strategische Handlungsmaxime.

Dieses Ziel gilt es in einem engen Schulterschluss gemeinsam mit der Personalgewinnungs- und Ausbildungsorganisation, Maßnahmen der Personalbindung sowie der Personalstruktur- und Personalbedarfsplanung, entlang des sinnstiftenden Fähigkeitsprofils der Bundeswehr mit Nachdruck zu erreichen. Dabei kommt es in diesem Jahr darauf an, zunächst die personelle Stagnation zu überwinden, um so den dringend benötigten Umfang an einsatzbereiten Streitkräften für die Bundeswehr und ihren Schwerpunktauftrag, der Landes- und Bündnisverteidigung, zur Verfügung zu stellen.

Die Abbildung zeigt die Zusammenhänge und den Ablauf der Personalplanung sowie die unterschiedlichen Aufgaben von FüSK III 6 auf. Erläuterungen: BS/ SaZ: Berufssoldatinnen und Berufssoldaten/ Soldatinnen und Soldaten auf Zeit; PersPlgSdt: A-1322/12 Personalplanung für Soldatinnen und Soldaten; KBmP: Arbeitsgruppe Koordinierung der Bedarfsplanung militärisches Personal; KBmA: Arbeitsgruppe Koordinierung Bedarfsplanung militärisches Ausbildung; PSPm: Personalstrukturplan militärisch; PSM: Personalstrukturmodell; FPBw: Fähigkeitsprofil der Bundeswehr.

 

Im Fokus dieses Ziels steht dabei vor allem der qualitative Aufwuchs von Soldatinnen und Soldaten auf Zeit sowie Berufssoldatinnen und -soldaten. Personalumfang und -struktur müssen dabei, gemessen an der Aufgabenerfüllung der Bundeswehr, bedarfsgerecht ausgeplant sowie nachhaltig finanziert sein.

In diesem Spannungsfeld nimmt BMVg FüSK III 6 die Rolle als Planer, Mittler, Wegbereiter und Gradmesser für den Aufwuchs personalplanerisch hinterlegter, realistisch aufwachsender und einsatzbereiter Streitkräfte ein.

Der Weg zum Ziel: Eine realistische, flexible und agile Personalstruktur

Aufbauend auf der Konzeption und dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr wurde das Personalstrukturmodell (PSM) erarbeitet, das der militärischen Personalplanung als Referenz dient und einen idealtypischen, geschlossenen Zielzustand eines vorgegebenen Personalkörpers nach Umfang und innerer Struktur beschreibt (der sogenannte „eingeschwungene Zustand“).

Der Dienstpostenbedarf wird, angepasst über das Verfahren der Mittelfristigen Personalplanung (MPP), mit der jährlichen Organisationsplanungsweisung festgelegt. Mit dem daraus abgeleiteten Personalstrukturplan militärisch (PSPm) wird ein idealtypischer, schrittweiser und regenerativer personeller Aufwuchs für den militärischen Personalkörper bis zur Einnahme der vorgesehenen quantitativen und qualitativen Zielumfänge („100%“) modelliert und beschreibt so den „Weg zum Ziel“. Hier werden dann beispielsweise auch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie (sogenannte „Corona-Delle“) personalplanerisch berücksichtigt.

Aus diesem Vorgehen entstehen zwei Linien mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten: Die Organisationsentwicklung („Linie 1“) schreitet schneller voran, als sich Personal auf Dienstposten auswirken kann („Linie 2“). So kann beispielsweise die Einrichtung eines neuen, zusätzlichen Dienstpostens „Offizier Truppendienst Major (A13)“ organisatorisch rasch umgesetzt werden. Die Besetzung kann jedoch theoretisch bis zu 13 Jahren dauern (Beförderung zum Major), sofern der zukünftige Dienstposteninhaber noch eingestellt und ausgebildet werden muss.

Diese Diskrepanz wird als „Planerische Vakanz“ bezeichnet, die erst mit Erreichen des Zielumfanges vollständig abgebaut sein wird. Dabei kann es jedoch zu einem zeitlich begrenzten „systemischen Nachlauf“ kommen, bei dem sich beide Entwicklungslinien final einpendeln und daher kurzfristige Unter- oder sogar Überdeckungen in einzelnen Werdegängen bestehen können.

Die zentrale „Mindestforderung“ für die Einsatzbereitschaft – Steuerung, Überprüfung und Anpassung mit der Personalplanungsweisung

Die jährliche Weisung „Personalplanung für Soldatinnen und Soldaten“ baut auf dem jeweiligen PSPm auf und setzt diese in konkrete Maßnahmen und Vorgaben in einer „Jahresscheibe“ für die Personalbedarfsdeckung um (Einstellungsumfänge, Personalbindungsmaßnahmen (z.B. Verpflichtungsprämien), Priorisierung zu besetzender Dienstposten, durchschnittliche Zurruhesetzungsalter, interne Personalflüsse bei Erstverpflichtungen, Laufbahnwechsel usw.. Diese zwischen Bedarfsträger und -decker abgestimmten sowie durch den Generalinspekteur der Bundeswehr gebilligten Mindestforderungen für die Personalbedarfsdeckung spiegeln dabei die personalplanerischen Vorgaben wider und setzen Steuerungsimpulse, die sich aus der regelmäßig erhobenen „Realentwicklung des Personalkörpers“ und der daraus resultierenden „Kontrolle“ von Vorgabe und Erfüllung (Personaldeckung) ergeben. Denn trotz Berücksichtigung einer Vielzahl von validierten Parametern im Rahmen der Modellrechnungen entwickelt sich der Personalkörper selten exakt so wie vorhergesagt – gesellschaftliche, wirtschaftliche oder andere Faktoren, wie zuletzt die Corona-Pandemie, nehmen sofort und oft unvorhersehbar Einfluss auf dessen Entwicklung.

Ungünstigen Entwicklungen kann so frühzeitig entgegengewirkt werden, ohne dass weitreichende Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt notwendig wären. Gleichzeitig können aber auch positive Effekte kurzfristig nutzbar gemacht und verstärkt werden. Die militärische Personalbedarfsplanung ist durch dieses Vorgehen stets adaptions- und reaktionsfähig. Die „Personalplanung für Soldatinnen und Soldaten“ ist damit das zentrale Steuerungsinstrument mit Auswirkungen auf die qualitative Dienstpostenbesetzung und somit die Erhöhung der personellen Einsatzbereitschaft.

„So what?“ – „Kaltstartfähigkeit“ und einsatzbereite Streitkräfte

Die Feststellung und Messbarkeit der personellen Einsatzbereitschaft der Streitkräfte ist Dreh- und Angelpunkt für die durch den Generalinspekteur der Bundeswehr ausgegebene „Zielgröße“, der „Kaltstartfähigkeit“, der Durchhaltefähigkeit und somit der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte. Wenn wir den Grad der Einsatzbereitschaft kennen, dann haben wir ein umfassendes Lagebild zur Verfügung und können zielorientiert unsere Aufträge im Sinne der Leitung erfüllen. Dann erst sind wir in der Lage, Personal so „zu bewegen“, dass „das richtige Personal mit der richtigen und notwendigen Ausbildung am richtigen Ort ist und das richtige Material zur Verfügung hat“. Dabei ist ein bloßer Abgleich zwischen dem SOLL an Personal und dessen IST nicht (mehr) ausreichend – es gilt, wie im „Würfel der Personellen Einsatzbereitschaft – kurz „PersEB-Würfel“ (siehe Abbildung) – abgebildet, verschiedene Komponenten aus unterschiedlichen Dimensionen zusammenzuführen, auszuwerten und die folgerichtigen Optionen abzuleiten und umzusetzen. Jede Dimension der Personellen Einsatzbereitschaft besteht dabei aus verschiedenen Kategorien.

Alle Dimensionen und Kategorien hängen mit einander zusammen und bedingen einander – im Kern geht es um die Verknüpfung von Mensch, Material, Fähigkeit und Auftrag, retrospektiv, gegenwärtig und prognostisch („wen benötige ich wann, mit welcher Qualifizierung für welche (definierte) Dauer“).

Um den während der Aufwuchsphase zwangsläufig bestehenden, planerischen Vakanzen in der Dienstpostenbesetzung und die Frage nach der personellen Einsatzbereitschaft im Sinne der Steigerung der Einsatzbereitschaft sinnvoll zu begegnen, ist in 2020 die Priorisierung zu besetzender Dienstposten als ein steuerndes Instrument geschaffen und als Anlage der Personalplanungsweisung eingeführt worden. Auswirkungen der „planerischen Vakanzen“ für alle Organisationsbereiche werden nicht nur transparent dargestellt, sondern insbesondere die absehbar noch begrenzten, aber kritischen (personellen) Bedarfe (Stichwort : Mangelverwendungen) in enger Abstimmung mit den Bedarfsträgern identifiziert, einzelne Dienstposten oder ganze Bereiche (bspw. der Bereich Ausbildung, fliegerischer Dienst, die JSEC etc.) priorisiert, um sie in Abstimmung mit dem Bedarfsdecker prioritär besetzen zu lassen. Damit kann – trotz des Personalmangels in einigen Bereichen bzw. Verwendungsreihen – die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte möglichst hoch gehalten werden.
Seit Anfang 2020 wird daran gearbeitet, die im Würfel aufgezeigten Dimensionen und Kategorien schrittweise in einem Digitalen Lagebild Personelle Einsatzbereitschaft abzubilden. Es soll der Seismograf für die personelle Entwicklung sowie Einsatzbereitschaft der Bundeswehr werden und wird in drei Realisierungsabschnitten bis 2025 umzusetzen sein. Dabei werden die Organisationsbereiche umfänglich beteiligt.

Mit Hilfe des Digitalen Lagebildes Personelle Einsatzbereitschaft werden die Informationen des PersEB-Würfels zukünftig als Parameter kurzfristig abrufbar zur Verfügung stehen und können so fundiert in die Lagebeurteilung einfließen und Personalflüsse auslösen.

Das Erreichen der personellen Zielumfänge, die Modellierung der Einzelschritte, die Personalbedarfe und die Anforderungen und Ableitungen für die Personalgewinnung und Personaldeckung sowie die Priorisierung ergeben das Spannungsfeld, das zur Erhöhung der (personellen) Einsatzbereitschaft der Streitkräfte führen wird. Dafür ist nicht nur ein breites, vertrauensvolles Kommunikations- und Arbeitsnetzwerk mit allen Akteuren auf allen Ebenen notwendig, sondern ein Selbstverständnis als „Mittler, Makler und Notar“, der alle Interessen möglichst konsensual verknüpft und festschreibt.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Seriöse und transparente Planung ist besonders auch in Krisenzeiten und der aktuellen Zeitenwende wichtig, um die (personelle) Einsatzbereitschaft der Streitkräfte kontinuierlich zu erhöhen und hoch zu halten!

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