Bis zu 4.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten sollen dauerhaft als Kampfbrigade in Litauen stationiert werden, hat Verteidigungsminister Boris Pistorius angekündigt. Foto: Bundeswehr

26.06.2023
Von Frank Jungbluth

Pistorius verspricht Litauen 4.000 deutsche Soldaten

Vilnius. Auf dem Truppenübungsplatz im litauischen Paprade ist man dem Feind so nahe wie selten irgendwo im Baltikum: 20 Kilometer sind es bis zur Grenze mit Weißrussland. Vilnius, die Hauptstadt Litauens, ist 50 Kilometer entfernt. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat bei einem Treffen mit seinem litauischen Amtskollegen Arvydas Anusauskas am Montag in Paprade angekündigt, dass die Bundeswehr mittelfristig eine komplette Brigade mit 4.000 Soldatinnen und Soldaten in dem baltischen Staat stationieren will. Damit erfüllt Deutschland eine langjährige Forderung der litauischen Regierung. Bereits nach der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 ist Litauen immer wieder mit dem Wunsch nach mehr Schutz an die NATO-Partner herangetreten.

Zur Zeit dienen und trainieren in Litauen 720 Soldaten der Bundeswehr bei der international aufgestellten eFP Battlegroup zusammen mit der litauischen Iron Wolf Brigade in Rukla. Insgesamt sind 1.700 Soldaten in der Battle-Group im Einsatz. Das deutsche Kontingent wird zwei mal im Jahr ausgetauscht. Die Bundeswehr führt die eFP. Die Truppe hat Schützenpanzer Marder, Kampfpanzer Leopard 2A6 und Panzerhaubitzen 2000 im Einsatz.

Litauens Armee hat keine Kampfpanzer

In der litauischen Armee dienen derzeit circa insgesamt 17.500 Soldaten, das Heer hat 12.000 Soldaten. Die litauische Armee hat weder Kampfpanzer noch Kampfflugzeuge. Deshalb ist der Schutz durch eine voll ausgestattete Brigade so wichtig für das Land mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern. „Wir haben inzwischen sehr gute Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Wir stehen in bewegten Zeiten. Im Vorfeld des NATO-Gipfels in zwei Wochen steht die weitere Stärkung des deutschen Beitrags zur Verteidigung Litauens und der NATO-Ostflanke an“, sagte Pistorius.

Oberst Wüstner: Es sind noch viele Fragen zu beantworten

„Die Stationierungsentscheidung der Bundesregierung inklusive der von Boris Pistorius gemachten Auflagen ist grundsätzlich nachvollziehbar. Zwischen Ankündigung und Realisierung liegen jetzt allerdings eine Menge Hausaufgaben für Litauen selbst, aber insbesondere für unser Verteidigungsministerium", sagt dazu der DBwV-Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner. Innerhalb der Bundeswehr habe die Ankündigung von Boris Pistorius überrascht. „Es gibt eine Menge konzeptioneller Fragen, angefangen beim fehlenden Material, notwendigen strukturellen Anpassungen und schließlich, wie sich diese Ankündigungen unmittelbar auf Soldatinnen und Soldaten von Heer, Streitkräftebasis und Sanitätsdienst sowie auf deren Familien auswirken", so Wüstner.

Pistorius: Konnten uns immer auf die NATO verlassen

„Wir Deutsche konnten uns zur Zeit des Kalten Krieges, als unser Land an der Ostflanke des NATO-Gebietes lag, immer auf den Schutz der Verbündeten verlassen, darauf, dass sie für Deutschland eintreten und kämpfen würden. Wir als Bundesrepublik Deutschland bekennen uns zu unserer Verantwortung und zu unserer Verpflichtung, in diesen Zeiten für den Schutz der Ostflanke in Litauen einzutreten. Wir haben diese langfristigen Planungen heute besprochen“, betonte der Bundesverteidigungsminister.

Eine Entscheidung, die finanzielle Folgen hat

Für den Bundessvorsitzenden Wüstner sind bis dahin noch viele Fragen zu beantworten: „Beabsichtigt man, eine Liegenschaft in Litauen zu errichten, wie wir es von den US-Streitkräften in Deutschland kennen, bspw. mit einer kompletten Unterkunfts-Infrastruktur inklusive Schulen, Einkaufseinrichtungen und Sportanlagen? Werden Soldatinnen und Soldaten, die sich mit ihren Familien im Heer zur Einnahme der Zielstruktur für die NATO-Verpflichtungen 2025 gerade im Umzug befinden, erneut mit Versetzungen, dann nach Litauen, konfrontiert? Am Ende darf niemanden wundern, dass die entsprechende Ausgestaltung einen höheren Finanzbedarf für den Verteidigungshaushalt - bereits für 2024 - nach sich ziehen wird. Fehlt dies, wird die Ankündigung als Luftbuchung enden."

„Ich gehe davon aus", so Wüstner weiter, „dass so eine Entscheidung nicht kurzfristig gefällt wurde und es bereits entsprechende konzeptionelle Vorüberlegungen seitens des Generalinspekteurs gibt. Nun wäre wichtig, nicht nur die Obleute, sondern die Bundeswehr insgesamt und insbesondere die in den nächsten Jahren voraussichtlich betroffenen Organisationsbereiche schnellstmöglich darüber zu informieren. Das „Ob“ und „Wozu“ einer solchen Entscheidung betrifft die Bundesregierung als Ganzes, das „Wie“ und „Womit“ muss seitens des Verteidigungsministeriums zumindest in Groblinien gegenüber der Bundeswehr kommuniziert werden.“

Unterkünfte auch für die Familien der deutschen Soldaten

Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade im Rahmen der eVA (enhanced Vigilance Activities/erhöhte Wachsamkeit) in Litauen zu stationieren. Derzeit ist nur das vorgeschobene Führungselement dauerhaft in Litauen. Voraussetzung für die ständige Stationierung einer Brigade ist, dass die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird. Boris Pistorius: „Das heißt, wir brauchen Unterkünfte für die Soldaten und ihre Familien, Depots und Truppenübungsplätze. Das ist von zentraler Bedeutung. Wir reden hier am Ende über die Verteidigung unserer gemeinsamen Freiheit. Wir werden deshalb auch den NATO-Gipfel in Vilnius mit unseren Fähigkeiten wie dem Flugabwehrsystem Patriot schützen.“

Tagesbefehl von Verteidigungsminister und Generalinspekteur

In einem gemeinsamen Tagesbefehl von Verteidigungsminister Pistorius und Generalinspekteur Carsten Breuer zur geplanten Stationierung der Brigade in Litauen wird auf die Bedrohung hingewiesen, der die baltischen Staaten sowie Polen an der NATO-Ostflanke ausgesetzt sind. „Wir sind gefordert, für den Schutz des Bündnisgebietes mehr Verantwortung zu übernehmen. Diese Verantwortung drückt sich auch in verstärkter Präsenz aus“, heißt es in dem Tagesbefehl. Voraussetzung sei die Schaffung der notwendigen Infrastruktur für rund 4000 Männer und Frauen sowie das entsprechende Material, aber auch der „notwendigen Rahmenbedingungen für Familien“.

Bei seinem Besuch am Montag in Litauen hat Verteidigungsminister Pistorius die frühere litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite mit der Manfred-Wörner-Medaille geehrt. Die Auszeichnung wird im Gedenken an den früheren Verteidigungsminister und NATO-Generalsekretär Manfred Wörner verliehen.

 

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick