Erstmalig wurden die Petersberger Gespräche zur Sicherheit im digitalen Format ausgerichtet. Screenshot: DBwV

Erstmalig wurden die Petersberger Gespräche zur Sicherheit im digitalen Format ausgerichtet. Screenshot: DBwV

13.03.2021
Yann Bombeke

Petersberger Gespräche: Die Zukunft der Nato im Blick

Der sonst übliche und wunderschöne Ausblick vom Petersberg auf den Rhein fehlte bei der 16. Auflage der Petersberger Gespräche, nicht aber die hochkarätige Besetzung der sicherheitspolitischen Veranstaltung, die zum ersten Mal in digitaler Form durchgeführt wurde. Thema des Tages der Diskussionsrunde, die vom Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Wolfgang Hellmich, von der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) und vom Bildungswerk des Deutschen BundeswehrVerbandes ausgerichtet wird: Die zukünftige Entwicklung des transatlantischen Bündnisses.

Nachdem Moderator Oberst a.D. Hans-Joachim Schaprian die Diskussion eröffnet hatte, zeigte Wolfgang Hellmich (SPD) einige der Punkte auf, welche die Nato aktuell beschäftigen: Da ist nicht nur die Frage, welcher Weg nun in Afghanistan beschritten wird, sondern auch die grundlegende Frage, wie sich das Bündnis für die Zukunft aufstellt. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Ex-US-Präsident Donald Trump das Bündnis als obsolet bezeichnet und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Wort „hirntot“ für die Nato genutzt hatte. Spätestens da wurde klar: Es muss etwas passieren, das transatlantische Bündnis braucht eine Reform, wenn es noch weiterhin Bestand haben soll.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte dazu eine sogenannte Reflexionsgruppe ins Leben gerufen, deren Aufgabe es war, Vorschläge zu erarbeiten, wie die Solidarität unter den Bündnispartnern und die politische Rolle der Nato gestärkt werden kann. Co-Vorsitzender der Reflexionsgruppe ist Thomas de Maizière. Der frühere Verteidigungsminister stellte nun in der Expertenrunde die wesentlichen Empfehlungen vor, die im vergangenen Herbst in einem Dokument erarbeitet worden sind. De Maizière wies auf die veränderten Herausforderungen hin, auf die sich das Bündnis einstellen muss: „Wir sind auf dem Weg zu einem multipolaren System, es ist komplexer und wahrscheinlich auch gefährlicher, weil es unberechenbarer ist.“ Es gebe mit China einen neuen großen Akteur auf der Weltbühne, zudem gebe es eine Fülle von regionalen Spannungen. Die Nato müsse ebenso Antworten finden auf den immer noch fortbestehenden internationalen Terrorismus, aber auch auf die Auswirkungen des Klimawandels und den „dramatischen Entwicklungen“ im Bereich neuer Technologien.

Aktualisierung des strategischen Konzepts der Nato dringend erforderlich

Zunächst müsse die Nato dringend ihr strategisches Konzept aktualisieren, forderte de Maizière. Das immer noch gültige Konzept von 2010 erwähne China mit keinem Wort, Russland werde noch immer als „strategischer Partner“ betrachtet und neue Technologien würden kaum erwähnt. Die Diskussionen über ein neues strategisches Konzept dürften nun aber nicht über viele Jahre geführt werden, sondern müssten in ein bis zwei Jahren abgeschlossen sein, forderte der Christdemokrat. In dem Konzept müsse der Umgang mit Russland ebenso verankert werden wie der mit China. „Die Nato muss eine China-Strategie entwickeln“, sagte de Maizière.

Wichtig sei es zudem, eine neue transatlantische Kooperation zwischen Nato und EU zu initiieren. In Bezug auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik attestierte de Maizière den Europäern ein ernüchterndes Ergebnis: „Die EU ist immer weit vorn mit Sprüchen, liegt aber weit zurück mit Taten.“ Der frühere Minister sagte, er halte wenig vom Begriff der strategischen Autonomie der EU. „Mehr europäische Verantwortung reicht mir schon, wenn sie denn umgesetzt wird“, so de Maizière.

Insgesamt müssten die Konsultationen innerhalb der Allianz systematisch gestärkt werden, ganz konkret in Form von einer größeren Anzahl an Treffen sowohl der Verteidigungs- als auch der Außenminister des Bündnisses. Deutschland sieht de Maizière auch durch seine auch geographische Mittelposition in Europa als Brückenbauer.

Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, zeigte sich sehr dankbar für die Arbeit der Reflexionsgruppe. „Es gab in der Nato eine extrem schwierige Situation, wir brauchen Wege aus dieser Krise heraus“, sagte Annen und forderte zu konkreten Schritten auf: „Unser Anliegen im Auswärtigen Amt ist, dass wir mit den Ergebnissen tatsächlich arbeiten. Die Nato kann es sich nicht leisten, die Punkte einfach abzuhaken. Mit der neuen, transatlantisch ausgerichteten Regierung in Washington sei jetzt eine Chance gegeben, „die wir nicht verpassen dürfen“, so der SPD-Politiker.

Probleme in der politischen Dimension des Bündnisses

Prof. Dr. Johannes Varwick, Präsident der GSP, lobte das Papier als eine „hervorragende Bestandsaufnahme“, die fast schon zu breit ausgelegt sei. „Wir müssen uns überlegen, ob wir uns richtig fokussieren“, sagte der Politikwissenschaftler. Und weiter: „Militärisch funktioniert die Nato eigentlich hervorragend, die Probleme liegen eher in der politischen Dimension.“ Das Bündnis müsse im vollen Spektrum handlungsfähig sein, was es den vergangenen Jahren nicht immer gewesen sei.

Aufgrund technischer Probleme kam der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans nur kurz zu Wort. Der Sozialdemokrat betonte aber: „Die Nato ist für die SPD eine unverrückbare Größe.“ Walter-Borjans betonte, dass seine Partei für eine „gut ausgerüstete Bundeswehr als eine Säule unserer nationalen Sicherheit steht“.

Für den Deutschen BundeswehrVerband nahm Hauptmann Andreas Steinmetz an der Diskussion teil. Der stellvertretende Bundesvorsitzende sagte, dass man der Frischzellenkur des Bündnisses aufgeschlossen gegenüberstehen müsse. „Alle Institutionen können nur erfolgreich sein, wenn sie gestärkt werden“, sagte Steinmetz. So müsse auch der europäische Pfeiler des Bündnisses gestärkt werden. Der Verbandsvertreter betonte, dass bei allen Maßnahmen die Menschen mitgenommen werden müssten. „Wir lassen zu oft die Menschen außer Acht, um die es geht – hier sind es die Soldatinnen und Soldaten.“ So sei auch die Nachwuchsgewinnung eine zentrale Herausforderung der Bündnispartner: „Der demographische Wandel betrifft ganz Europa“, sagte Steinmetz.

Wichtig sei es zudem, den Fokus wieder mehr auf gemeinsame Standards bei Verfahren in der Nato zu legen – so wie dies früher der Fall war, als das Bündnis noch nicht so zahlreiche Mitglieder zählte. „Dafür brauchen wir vor allem eine enge Abstimmung mit Frankreich“, sagte Steinmetz. Zudem müsse man sich auf die Kernaufgabe der Nato fokussieren, nämlich das Bündnisgebiet vor Angriffen schützen. Steinmetz betonte: „Da sind wir in vielen Bereichen nicht wirklich gut aufgestellt, man denke nur an die Luftabwehr.“

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