Soldat beim KSK: „Dies ist der beste Beruf der Welt“
Calw. Das Kommando Spezialkräfte (KSK) agiert weitgehend abseits der Öffentlichkeit. Nur selten lassen sich die Elite-Soldaten von Medienvertretern über die Schulter schauen. Für „Die Bundeswehr“ machten sie jetzt eine exklusive Ausnahme. Im Interview spricht Oberstabsfeldwebel Ronny, 51, der schon seit Gründung des Verbands 1996 dabei ist, über die harte und fordernde Ausbildung, Charakter und Rambo-Typen.
Die Bundeswehr: Ronny, ich bin überrascht, dass Sie keine Maske tragen. Ich dachte immer, das sei Standard bei Interviews?
Ronny: Das stimmt auch. Irgendwann hat mich aber mal jemand gefragt, ob ich die Maske nicht ablegen würde, um in einer Reportage authentischer zu wirken. Man sollte erkennen, dass beim KSK keineswegs irgendwelche wüsten Typen arbeiten, sondern es auch der Nachbar sein kann. Wie man da auf mich gekommen ist, weiß ich bis heute nicht. Ich habe selbstverständlich aber gerne zugesagt, denn alles, was dem Kommando vielleicht helfen könnte, bin ich auch sehr gerne bereit zu tun.
Sie sind ein KSK-Soldat der ersten Stunde. Was hat Sie damals dazu bewogen sich zu bewerben?
Ich war schon raus aus der Bundeswehr und im Berufsförderungsdienst, da hat mich jemand angerufen und gesagt: „Komm mal her, wir machen hier was ganz Neues.“ Ich war eigentlich damals unzufrieden in der Armee und habe zu dem Zeitpunkt auch keine Perspektive mehr für mich gesehen. Die Pläne für das Kommando aber klangen gut. Die Frage war für mich: Kannst du das wirklich schaffen, was die hier verlangen? Bist du in der Lage, das Eignungsfeststellungsverfahren zu bestehen? Das war am Anfang der absolute Antrieb. Ich wollte unbedingt wissen, ob ich das kann.
Welche Voraussetzungen muss denn jemand mitbringen, um erfolgreich zu sein – auch später als Kommandosoldat?
Das Körperliche ist gar nicht so das Problem. Wir haben auch Bewerber um 1,65 Meter Größe, nicht unbedingt muskulös, aber mit eisernem Durchhaltewillen. Auf die Muskeln kommt es gar nicht so sehr an. Die sind sicherlich auch wichtig, aber eben nicht ausschließlich. Der mit Abstand wichtigste Muskel liegt zwischen den Ohren! Wenn der nicht funktioniert, geht es nicht. Sie dürfen sich hier absolut keine Selbstzweifel erlauben.
Wie viele haben es damals bei Ihnen geschafft? Wissen Sie das noch?
Das waren damals mehr als zwei Drittel der Bewerber.
Doch so viele?
Wir kamen damals aus der Fallschirmjägertruppe und von den Fernspähern. Die Gefechtsfeldkondition hat jeder damals bereits durch andauerndes Training mitgebracht. Deshalb war auch die Besteherrate in den ersten Jahren relativ hoch. In den letzten Jahren hat sie abgenommen. Die Gesellschaft verändert sich und die Bundeswehr verändert sich mit ihr. Das spüren wir natürlich auch hier.
Ist die Nachwuchsgewinnung denn ein großes Thema?
Natürlich! Denn wir brauchen hier auch zukünftig die Besten. Insgesamt sind wir gut aufgestellt, dürfen uns aber nie zufrieden geben.
Wie ist das denn mit Frauen? Soweit ich weiß, gibt es auch für sie die Möglichkeit sich zu bewerben, bisher aber noch keine ausgebildeten Kommandosoldatinnen. Ist das richtig?
Das ist richtig. Wobei man wissen muss, dass wir da nicht alleine sind, denn Frauen gibt es bei den anderen Spezialkräften des Bundes auch nicht. Im Gegenteil: Wir haben in unseren taktischen Kräften durchaus Frauen! Wir sind da sozusagen vor der Welle.
Können Sie vielleicht in wenigen Sätzen umreißen, wie man Kommandosoldat wird?
Der erste richtige Schritt ist das Eignungsfeststellungsverfahren Teil 1. Da prüfen wir nur basispsychische und -physische Leistungen ab. Dazu gehören ein Sporttest, ein Konzentrations- sowie ein Wissenstest. Dazu mehrere Tests, mit denen wir die erweiterte intellektuelle und die körperliche Leistung prüfen. Ein normal trainierter und schulisch ausgebildeter Mensch sollte diesen Test bestehen. Wenn die Mindestanforderungen erfüllt sind, geht es mit einem Zehn-Wochen-Programm zur Vorbereitung auf den Teil 2 des Eignungsfeststellungsverfahrens weiter. Da gehen wir raus ins Gelände und bereiten die Kandidatinnen und Kandidaten gezielt auf diesen Teil vor. Dieses Trainingsprogramm soll dem Mann oder der Frau helfen, sich wirklich bestmöglich auf den Teil 2 vorzubereiten.
Was passiert im Teil 2 der sogenannten „Belastungswoche“ genau?
(schmunzelt) Fünf Tage Überleben draußen im Wald unter erheblichem körperlichen und psychischen Stress. Jeder kämpft für sich - aber alle müssen auch für die Gruppe arbeiten. Einige Inhalte wie das Baumstammtragen, die schwimmende Durchquerung eines Sees mit vollem Gepäck und verschiedene Orientierungsaufgaben sind ja bereits bekannt. Wenn die Gruppe am Ende der Woche mitten in der Nacht in die Kaserne zurückkommt, wird sie euphorisch von den aktiven Kommandosoldaten empfangen. Jeder hier weiß, was die Kandidatinnen und Kandidaten dann geleistet haben.
Sie selbst sind nun seit mehr als 20 Jahren dabei. Können Sie ein bisschen von Ihren Einsätzen erzählen?
Nein.
So gar nicht?
Noch nicht. Man denkt darüber nach, den ein- oder anderen Einsatz in Zukunft freizugeben. Ich denke, man muss nach einiger Zeit auch über Dinge sprechen dürfen, die man gut gemacht hat.
Ärgert es Sie, dass Ihre Arbeit so im Schatten und abseits der Öffentlichkeit steht?
Ich bin keiner, der unbedingt im Rampenlicht und im Zentrum stehen muss. Mir macht das nichts aus. Das ist auch ein Teil der Vertragsgrundlage, wenn man hier zu uns kommt. Man muss einfach schauen – und das ist z.B. eines der Auswahlkriterien – sind die Leute so redselig, dass sie alles in die Öffentlichkeit tragen, oder können sie Dinge für sich behalten? Haben sie verstanden, warum es nicht möglich ist, Dinge zu erzählen, die im Augenblick einfach noch nicht erzählbar sind?
Damit schützen wir natürlich auch wieder Menschen. Uns selbst und alle, die mit uns zusammengearbeitet haben. Außerdem: Wer hier dabei ist, weiß, dass er gut ist. Der bekommt von innen heraus Bestätigung. Vielleicht ist sogar gerade diese Bestätigung von innen manchmal viel mehr wert als irgendeine Bestätigung von außen.
So werden Sie aber nie mit den Mythen aufräumen, mit diesem Bild da draußen, dass KSK-Soldaten muskelbepackte Rambos sind ...
Sagen wir mal so: Ich glaube, es schadet nicht, wenn ein paar Dinge etwas geheimnisvoll bleiben. Das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum Menschen hierher zu uns kommen. Weil sie dazugehören wollen. Aber es darf nicht so weit gehen, dass man überhaupt nichts preisgibt. Das ist dann auch verkehrt. Ein bisschen Geheimnis ist wichtig und richtig, aber es muss auch ein Anteil sichtbar sein.
Es gilt dann eben genau nur die Leute auszusortieren, die allein deswegen kommen. Wir wollen hier keine Action-Cowboys! Andererseits haben wir Traditionsbildendes im KSK für uns, aber auch für die Bundeswehr. Ich glaube, hier können wir viel beitragen.
Wie sieht der Alltag in Calw aus? Es ist ja nicht jeden Tag Operation.
Wir haben verschiedene Phasenmodelle, die ein Kommandosoldat, aber auch unsere Unterstützungssoldaten in einer gewissen Zeit durchlaufen müssen. Irgendwann kommt er in die Phase, wo er in seiner Kompanie für die Aufgabe Geiselbefreiung zuständig ist. Dann kommt die Zeit, in der er in einen Einsatz geht. Dann gibt es wieder eine Zeit, in der er für sich selbst und seine Familie da sein kann.
Es ist für uns ganz wichtig, die Leute auch mal rauszunehmen und zu sagen: „Jetzt kümmerst du dich mal eine Weile um deine Familie und um dich selbst.“ So hat der Mann ein festgelegtes Ablaufprogramm über mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre, in dem er in einem Zyklus immer wieder verschiedene und dann auch wieder gleiche Dinge tut.
Beim KSK wird der Soldat ganzheitlich ausgebildet, was genau ist damit gemeint?
Bei uns geht es um den Charakter des Menschen und was wir aus ihm gemacht, wie wir ihn ausgebildet haben. Der Kommandosoldat identifiziert sich nicht über seine Waffen oder über seine Ausrüstung. Er identifiziert sich über seine Auswahl und über das, was er gelernt hat und wer er ist. Natürlich braucht und bekommt er eine gute Ausrüstung. Aber er muss lernen zu improvisieren, um seinen Auftrag zu erfüllen. „Geht nicht“ gibt es nicht bei uns. Wir versuchen unter Beachtung der rechtlichen Grenzen immer alles möglich zu machen, um unser Ziel zu erreichen.
Würden Sie persönlich nach mehr als 20 Jahren sagen, dass Sie das gefunden haben, wonach Sie gesucht haben?
Klar! Das ist für mich Beruf und Berufung zugleich. Mir ist nicht einmal der Gedanke gekommen, hier weg zu gehen. Im Gegenteil. Man will hier bleiben, mitkreieren und aufbauen, immer weiter verbessern. Das ist auch das Schöne an diesem Verband. Jeder ist angesprochen, sich einzubringen und zur Verbesserung beizutragen.
Aus meiner Sicht ist dies der beste Beruf der Welt. Jeder, der gerne Soldat ist und gerne etwas leisten möchte, muss sich hier bewerben. Es gibt viele Menschen dort draußen, die immerzu darüber nachdenken, zu uns zu kommen um es zu versuchen. Meine Message nach draußen ist ganz klar: „Kommt!“ Einen Versuch ist es immer wert. Viel schlimmer ist es am Ende, es gar nicht erst versucht zu haben!