Diversity-Management gibt einen enormen Schub
Im Mai schuf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die neue Stabsstelle „Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion“. Dieses moderne Unternehmensprinzip versucht, die Vielfalt seiner Mitarbeiter stärker für die Ziele der Organisation zu nutzen.
Für Menschen mit Migrationshintergrund, mit Handicaps und für Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung ist dieser Ansatz ein „Sprungbrett“ – auch für den „Arbeitskreis Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr“, kurz AHsAB e.V..
1979 war die homosexuelle Neigung bei Wehrpflichtigen noch Ausmusterungsgrund – diese Zeiten sind längst vorbei: 2016 ist jede Benachteiligung homosexueller Soldaten untersagt, Vorurteile gibt es aber trotzdem noch. Dass Schwule als „unmännlich“ und „erpressbar“ gelten, ist in der Bundeswehr weit verbreitet.
Ein „Coming Out“ in der Bundeswehr ist deshalb nach wie vor von existentiellen Ängsten begleitet. In einigen Fällen kann es ein Karrierekiller sein: Es gibt Menschen in der Bundeswehr, die wurden „vor dem Outing gut beurteilt, aber auf dem gleichen Posten danach gab es eine schlechte Beurteilung“, weiß Marcus Otto, Vorsitzender des Arbeitskreises. Die Konsequenz aus der Angst: Es gibt viele Betroffene, aber wenig Beschwerden. Otto: „Es gibt ja das Beschwerderecht, aber man braucht auch Mut diesen Weg zu gehen. Und das trauen sich die meisten nicht, sondern sagen sich: ‚Ich werde es lieber so hinnehmen‘.“
Diesen Kreislauf versucht der Verein zu durchbrechen: 2002 gegründet, hilft er homo-, bi-, trans- und intersexuellen Angehörigen der deutschen Streitkräfte, versteckte Diskriminierung abzubauen, für ihre Themen in der gesamten Bundeswehr zu sensibilisieren und aktiv in der Phase des Outings zu unterstützen. Dazu trägt der Verein in Seminaren und Workshops vor, klärt über Verwaltungsbestimmungen, Vorschriftenänderungen oder Statuswechsel auf und berät Vorgesetzte. Der Hauptmann ist seit 2009 Mitglied bei AHsAB e.V. und wurde 2016 sein Vorsitzender. In diesem Jahr bearbeitet er zehn spezielle Anfragen zum Thema Transsexualität und berät gleich in fünf Diskriminierungsfällen.
In weiten Teilen muss er noch immer grundsätzliche Aufklärungsarbeit leisten: „Die neue Generation geht schon besser mit dem Thema um, da sie ja heutzutage öfter in Schulen und im Alltag damit konfrontiert werden. Aber es gibt immer noch Scheuklappen, gerade in den Kampftruppen. Viele Soldaten können sich dort einen Homosexuellen nicht als Vorgesetzten vorstellen. Von den Frauen wird auch immer noch Ähnliches berichtet. Mit der neuen Stabsstelle „Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion“ hat AHsAB e.V., ein privat organisierter Verein mit rund 100 Mitgliedern, einen enormen Schub bekommen. „Die Bundeswehr hat endlich verstanden, dass wir ein Diversity-Management brauchen. Nun werden wir viel mehr wahrgenommen und zu diversen Veranstaltungen eingeladen“, sagt Otto.
Auf dem Parlamentarischen Abend des Deutschen BundeswehrVerbands im Sommer unterstrich die Verteidigungsministerin wiederholt, wie wichtig ihr die gesellschaftliche Vielfalt in der Bundeswehr ist:
Trotz des Medienrummels hat die Idee aber noch nicht überall die Basis erreicht – guter Wille ist nicht genug, so Otto: „In der Führungsebene ist es ganz nett, Diversity-Management zu behandeln, aber es muss in der Truppe ankommen und bis in die Grundausbildung getragen werden! Pfarrer und Truppenpsychologen stellen sich dort vor, nicht aber unser Verein oder andere Personen, die für dieses Thema sensibilisieren können. Das muss sich ändern.“