Bundesinnenminister Thomas de Maizière (l.) und der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger präsentieren die Konzeption für Zivile Verteidigung im Berliner Wasserwerk Tegel. Foto: dpa

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (l.) und der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger präsentieren die Konzeption für Zivile Verteidigung im Berliner Wasserwerk Tegel. Foto: dpa

24.08.2016
yb/dpa

Neues Konzept zum Zivilschutz entfacht Wehrpflicht-Debatte

 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat heute ein neues Konzept zum Zivilschutz vorgestellt – für einigen Wirbel sorgten bereits im Vorfeld Passagen im Konzept, die sich mit einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht beschäftigen. Ist das alles nur Sommertheater, oder steckt mehr dahinter?

Zunächst waren es die Meldungen über die so genannten Hamsterkäufe, die in den Medien in den vergangenen Tagen die Runde machten. Berechnungen wurden angestellt, wie viel Wasser und wie viele Konserven sich eine Familie in den Keller stellen muss, um im Notfall – wie immer der auch aussehen mag – einen bestimmten Zeitraum zu überstehen. Doch dann war plötzlich wieder die Debatte über die Wehrpflicht in aller Munde. Mit den Schlagzeilen einiger Medien drängte sich der Eindruck auf, dass der erneute Einzug von Wehrpflichtigen in deutsche Kasernen unmittelbar bevorstünde.

Wenn man sich aber die „Konzeption Zivile Verteidigung“ anschaut, stellt man schnell fest, dass das Thema Wehrpflicht nur in wenigen Nebensätzen eine hypothetische Rolle spielt. Zunächst einmal basieren die Punkte der neuen Konzeption auf der Bedrohungseinschätzung der Bundesregierung, wie sie bereits im vor wenigen Wochen vorgestellten Weißbuch zur Sicherheitspolitik 2016 beschrieben ist. Dort ist die Rede von Sicherheitsvorsorge als gemeinsamer Aufgabe von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft – die Fähigkeit der Bundesregierung zum vernetzten Handeln soll dokumentiert werden.

Die Planungen sollen auf bestehenden Katastrophenschutz-Vorkehrungen aufsetzen. In den vergangenen Jahren wurden jedoch insbesondere die Fähigkeiten des Bundes im Zivilschutz und in der Zivilverteidigung abgebaut. Das wurde auch immer wieder dann deutlich, wenn bei Naturereignissen wie etwa Hochwasserlagen die Bundeswehr zu Hilfe gerufen wurde, um dann festzustellen, dass die gewohnten Kapazitäten nicht mehr existieren. Die Regierung will nun mit einem gesellschaftlichen Diskurs Voraussetzungen für einen Grundkonsens über Umfang und Grenzen staatlicher Vorsorgemaßnahmen herstellen. Änderungen soll beispielsweise es beim Technischen Hilfswerk (THW) geben. Ohne ins Detail zu gehen heißt es in der Konzeption, dass die Fähigkeiten des THW bei der Rettung und Bergung sowie der Notversorgung der Bevölkerung neu gewichtet werden sollen. Beim Zivilschutz setzt der Bund als Basis auf die „Fähigkeit der Bevölkerung, sich selbst zu schützen und (auch gegenseitig) zu helfen, bis qualifizierte, in der Regel staatliche organisierte Hilfe eintrifft“. Dies ist der Hintergrund des Hinweises, bestimmte Mengen an Trinkwasser und Nahrungsmitteln vorzuhalten.

Das gesellschaftliche Leben kann schnell beeinträchtigt werden – sei es durch eine Naturkatastrophe oder durch eine menschlich verursachte „Störung“. Ein Anschlag auf Strommasten, eine Vergiftung von Trinkwasser oder ein Cyberangriff auf wichtige Infrastrukturen können weitreichende Folgen haben, die der Staat unter Umständen nicht sofort und umfassend in den Griff bekommt. Die Betreiber von solch kritischen Infrastrukturen, etwa Einrichtungen, die der Versorgung mit Wasser, Energie, Geld oder Telekommunikation dienen, sollen daher auf freiwilliger Basis Sorge für ein angemessenes Sicherheitsniveau übernehmen.

In Bezug auf die Streitkräfte heißt es, dass die Verteidigungsbereitschaft deutscher und verbündeter Streitkräfte von ziviler Seite unterstützt werden soll. Dabei geht es etwa um Notfallhilfe bei der Verlegung von Truppen oder die Versorgung mit Nahrungsmitteln oder Treibstoff im Ernstfall. An keiner Stelle wird im Papier die Wiedereinführung der Wehrpflicht gefordert. Beschrieben wird lediglich, welche Unterstützungsleistungen möglich sein müssen, um die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr im Krisenfall sicherzustellen – etwa auch durch Einrichtungen wie der Deutschen Post im hypothetischen Fall der Wiedereinführung der Wehrpflicht. Die Aussetzung des Pflichtdienstes gilt jedoch. Die Wiedereinführung ist eine verteidigungspolitische Option, die theoretisch besteht, aktuell jedoch alles andere als realistisch ist. Der DBwV hat sich hierzu auch in jüngerer Vergangenheit klar positioniert: Die Notwendigkeit der Wiedereinführung der Wehrpflicht ist zurzeit nicht erkennbar.

Die aktuelle Debatte, die in den Medien ausgetragen wird und in die sich auch einige Politiker eingeschaltet haben, ist daher kaum nachvollziehbar. Begrüßenswert ist es aber, wenn die Bundesregierung mit ihrer neuen Konzeption der Öffentlichkeit verdeutlicht, wie verwundbar Staat, Gesellschaft oder Volkswirtschaft sein können. Der DBwV begrüßt jede konzeptionelle Ableitung aus dem beschlossenen Weißbuch und jede öffentliche Diskussion, die deutlich macht, dass die Bewahrung öffentlicher und staatlicher Sicherheit sowie Handlungsfähigkeit garantiert sein muss. Angesichts realer Bedrohungen und Verwundbarkeiten ist dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Bundeswehr ist dabei nur ein Instrument unter vielen anderen.

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