Nach 18 Monaten Arbeit war es soweit: Die Bundesregierung hat in Berlin die neue Nationale Sicherheitsstrategie vorgestellt. Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

14.06.2023
Von Yann Bombeke

Nationale Sicherheitsstrategie: Deutschland soll wehrhafter, resilienter und nachhaltiger werden

Viel Geduld war gefragt, nun ist die im Koalitionsvertrag von den Ampelparteien versprochene Nationale Sicherheitsstrategie da. Die Eckpunkte haben Bundeskanzler Olaf Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock, Finanzminister Christian Lindner, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Innenministerin Nancy Faeser in Berlin vorgestellt.

Berlin. Wehrhafter, resilienter und nachhaltiger will Deutschland künftig in Fragen der Sicherheit agieren – den Rahmen für diese von der Bundesregierung definierte „Politik der Integrierten Sicherheit“ soll die jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Nationale Sicherheitsstrategie bilden.

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass die Nationale Sicherheitsstrategie einen viel umfassenderen und systematischeren Ansatz verfolge, als dies zuvor in den Weißbüchern, die sich ausschließlich auf die Verteidigungspolitik beschränkten, der Fall gewesen sei. Das sicherheitspolitische Umfeld Deutschlands habe sich stark verändert, sagte der Sozialdemokrat mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und eines aggressiver auftretenden Chinas.

„Es geht um die gesamte Palette der Sicherheit“

„Bei allen Veränderungen bleibt es die zentrale Aufgabe des Staates, für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürgern zu sorgen – ohne Abstriche“, sagte der Kanzler. Dies geschehe mit der Sicherheitsstrategie, die dem Leitbild der integrierten Sicherheit folge. Der Kanzler weiter: „Es geht nicht allein um Verteidigung und Bundeswehr, sondern um die gesamte Palette unserer Sicherheit, über Diplomatie genauso wie Polizei, Feuerwehr und THW, über Entwicklungszusammenarbeit, über Cybersicherheit und über die Resilienz von Lieferketten.“ Um drei Dinge muss es nach Ansicht des Kanzlers immer gehen: „Erstens: Die Stärke unserer demokratischen Institutionen. Zweitens: Die Stärke unserer Wirtschaft. Und drittens: Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft.“

Außenministerin Baerbock fügte hinzu: „Wir müssen uns integriert aufstellen – das bedeutet, dass alle relevanten Akteure, Mittel und Instrumente ineinandergreifen.“ Die Herausforderungen würden sich dabei durch alle Lebensbereiche ziehen. „Sicherheit im 21. Jahrhundert ist mehr als Militär und Diplomatie“, sagte Baerbock. Sicherheit bedeute auch, in der Apotheke verlässlich lebensnotwendige Medikamente zu bekommen, beim Chatten mit Freunden nicht von China ausspioniert oder beim Scrollen in sozialen Netzwerken nicht von russischen Bots manipuliert zu werden. Die Nationale Sicherheitsstrategie richte sich daher nicht nur an die Bundesregierung, sondern ebenso an „Universitäten, Unternehmen, Kommunen und die Menschen in unserem Land“. Und: „Die Nationale Sicherheitsstrategie wird nur funktionieren, wenn wir sie europäisch und transatlantisch verankern, denn das macht uns stark“, sagte die Grünen-Politikerin.

Sondervermögen ist „Anpassungspfad“ für den Haushalt

Festgelegt in der Nationalen Sicherheitsstrategie ist auch, dass die Bundeswehr dauerhaft gestärkt wird. Finanzminister Christian Lindner blickt daher bereits auf den Tag, an dem das Sondervermögen nach vielen notwendigen Investitionen in die Streitkräfte erschöpft ist. „Wir werden uns also in den nächsten Jahren, Richtung Ende dieses Jahrzehnts, im Haushalt Schwerpunkte für die Sicherheitsstrategie erarbeiten müssen.“ Mit Blick auf Resilienz und Nachhaltigkeit habe somit auch das Finanzressort seinen Beitrag zu leisten, sagte der FDP-Vorsitzende.

Auch auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO ging Lindner ein: Dieses Ziel ad hoc einzurichten, wäre nur möglich durch den „massiven Eingriff in gesetzliche Leistungen, die Streichung von anderen notwendigen Investitionen oder massive Steuererhöhungen“. Das Sondervermögen sei daher eingerichtet worden, um einen „Anpassungspfad“ innerhalb des Bundeshaushalts bis in die zweite Hälfte des Jahrzehnts zu ermöglichen.

Verteidigungsminister Pistorius ergänzte: „Zwei Prozent sind ehrgeizig und mit Aufwand verbunden. Das Sondervermögen trägt dazu bei.“ Wenn das Sondervermögen verausgabt worden sei, müsse ein Weg gefunden werden, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO mit anderen Mitteln zu erreichen. Bundeskanzler Scholz sagte, dass für die Zukunftsplanung der Bundeswehr wichtig sei, dass für die Zeit nach dem Sondervermögen die zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts maßgeblich seien. „Die zwei Prozent als Planungshorizont, die sind natürlich mit den Entscheidungen, die wir getroffen haben, verbunden. Und darauf kann die Bundeswehr ihre Planung aufbauen.“

Kritik kam von Unionsfraktionschef Friedrich Merz. „Was wir jetzt hier vorliegen haben als Nationale Sicherheitsstrategie ist inhaltlich blutleer, strategisch irrelevant, operativ folgenlos und außenpolitisch unabgestimmt“, sagte Merz. Eine Abstimmung mit den Bundesländern, den europäischen Partnern und im transatlantischen Bündnis mit den USA habe es nicht gegeben. Die Linke warf der Bundesregierung vor, ihre Nationale Sicherheitsstrategie zu sehr auf das Militär auszurichten. Nur die Rüstungsausgaben seien mit konkreten Finanzierungszielen unterlegt, sagte Parteichefin Janine Wissler. „Statt Milliarden für Klimaschutz, Entwicklungszusammenarbeit, globale Gesundheit und Armutsbekämpfung zu mobilisieren, schreibt die Bundesregierung das Zwei-Prozent-NATO-Aufrüstungsziel in die Sicherheitsstrategie.“

Sicherheitskabinett statt Sicherheitsrat

Der Nationale Sicherheitsrat hat den Sprung aus dem Koalitionsvertrag in die Realität nicht geschafft. Vor allem Bündnis 90/Die Grünen und SPD wurden sich nicht einig, wo das Gremium angesiedelt werden sollte – beim Kanzleramt oder beim Auswärtigen Amt. Dabei setzen viele Staaten auf einen Nationalen Sicherheitsrat: In den USA etwa berät dieses Organ den US-Präsidenten in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Außenministerin Baerbock verteidigte die Entscheidung, ein solches Gremium nicht in Deutschland zu etablieren. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine habe die Bundesregierung ein Sicherheitskabinett zusammengerufen. „Dieses Sicherheitskabinett hat gezeigt, dass wir auch in kritischen Momenten in der Lage sind, zusammenzukommen und vertrauensvoll Entscheidungen zu treffen“, sagte Baerbock.

Die vollständige Fassung der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung stellen wir Ihnen hier zur Verfügung.

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