Nachhaltig bei der Erfüllung des Auftrags
Russlands Aggression und der Versuch der NATO, sich strategisch gegenüber dem Kreml zu positionieren, lenkt von einem anderen Thema ab, das die Allianz selbst adressiert: die Bedrohung der eigenen Einsatzfähigkeit durch den Klimawandel.
Der Eurofighter stößt pro Flugstunde elf Tonnen CO2 aus, das ist etwa das, was ein Deutscher im Jahr emittiert. Auch der Leopard 2 benötigt sehr viel Treibstoff: etwa 530 Liter Diesel auf 100 Kilometer. „Militärspezifische Mobilität“ nennt die Bundeswehr das – und sie steigt, nicht nur in Deutschland. So produzieren die US-amerikanischen Streitkräfte jährlich rund 59 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, eine Maßeinheit zur Vereinheitlichung unterschiedlicher Treibhausgase wie CO2, Lachgas oder Methan. Das entspricht fast den jährlichen Emissionen Israels. Die ganze NATO? 233 Millionen Tonnen, fünfzehn Prozent mehr als noch im Jahr zuvor.
Um das 1,5 Grad-Ziel im Militär bis 2030 zu erreichen, bedürfe es laut einer niederländischen Studie aber einer „jährlichen Reduzierung der militärischen Emissionen um mindestens fünf Prozent“. Mit der fortgesetzten russischen Aggression und der notwendigen Reaktion und Anpassung der NATO ist dieses Ziel realistischerweise nicht zu erreichen.
Klimafreundliches Militär, wiekann das überhaupt klappen?
„Das Problem ist, wie wir die Herausforderungen des Klimawandels und den Auftrag des Militärs gleichzeitig bewältigen können“, sagt Dr. Annika Vergin, wissenschaftliche Referentin im Referat Zukunftsanalyse des Planungsamts der Bundeswehr, wo sie für den Bereich „Environment“ zuständig ist. Sie beschäftigt sich unter anderem mit den Themen Klimawandel, Ressourcen und Energieversorgung. Die Herausforderungen, vor der die Bundeswehr, aber auch alle anderen Streitkräfte stehen, sei, sagt sie: „Wie weit kann ich mich dahin bewegen, dass ich etwas gegen den Klimawandel unternehme, aber gleichzeitig noch meinen Auftrag erfülle?“ Wie sehr kann also sich Militär wandeln, ohne Wirksamkeit zu verlieren?
Dr. Vergin sagt: „Einen E-Panzer wird es unter heutigen Bedingungen nicht geben.” Zwar ist es schon heute technisch möglich, Panzer auf Elektromobilität umzustellen, ein Einsatzszenario ist aber schwer vorstellbar – weil die Ladeinfrastruktur unzureichend bis gar nicht vorhanden ist. Zudem braucht es für mobile elektrische Anwendungen von Großgeräten ausreichend leistungsstarke portable Speichersysteme, die unter Einsatz- beziehungsweise Kampfbedingungen sicher funktionieren. Mit der heutigen Batterietechnik ist das bisher nicht umsetzbar.
Was nicht bedeutet, dass es in anderen Fahrzeugen nicht doch funktionieren kann. Auch unter Einsatzgesichtspunkten ist schon heute die Anwendung klimafreundlicher Technologien möglich: etwa im U-Boot, um es möglichst unentdeckbar zu machen. Dr Vergin sagt: „Wir gehen davon aus, dass es mehrere Lösungen für die unterschiedlichen Systeme geben wird.“ Mehrere Antriebsstoffe für verschiedene militärische Verwendungen. Sie sagt: „Einige unserer Ideen gehen in die Richtung E-Fuels, synthetische Kraftstoffe.“ Die damit betriebenen Fahrzeuge wären dann „hybrid”, das heißt, sie wären sowohl mit fossilen als auch mit synthetischen Kraftstoffen nutzbar.
Tatsächlich experimentiert die US-Army seit 2022 mit Hybrid-Humvees. Schweden testet bereits Biofuels in seinen Kampfflugzeugen. Frankreich entwickelt einen hypriden Truppentransporter. Die Royal Air Force will bis 2040 gar vollständig klimaneutral sein.
Dabei spielt die Größe des Waffensystems keine Rolle. So wird auch die nächste Generation des amerikanischen Kampfpanzers Abrams, Abrams X, über einen Hybridantrieb verfügen. Die Idee: Logistikprobleme lösen, Betriebskosten senken, Kampfwert steigern. Die zum neuen Modell gehörige Videopräsentation trägt die Slogans „Silent Strike“ und „They´ll never hear us coming“. Der vollelektrische Modus soll einen Vorteil auf dem Schlachtfeld verschaffen, weil er im Gefecht leiser operieren kann. Zudem verbraucht das jetzige Gasturbinen-Antriebssystem, das die M1-Abrams-Familie derzeit verwendet, viel Treibstoff und ist sehr wartungsintensiv. Die mit diesen Panzern ausgerüsteten Einheiten erfordern sehr robuste Logistikzüge und gut ausgebildetes Personal. Dagegen, das ist der Plan, spart die neue Konstruktion Treibstoff, Kosten und Manpower. Ein Elektromotor ist, das zeigt die Zivilwirtschaft, sehr viel weniger wartungsintensiv.
Allerdings ist es ein Trugschluss, die Dekarbonisierung der zivilen Welt 1:1 auf das Militär zu übertragen, zu unterschiedlich sind die Ansprüche. Die Wirkung muss stets erhalten bleiben. Dennoch: „Wir werden veränderte technische Umgebungen haben. Daran muss die Bundeswehr sich anpassen“, sagt Dr. Vergin.
Synthetische Kraftstoffewerden lange erforscht
Und so setzt auch die Bundeswehr künftig auf die Nutzung synthetischer Kraftstoffe. Power-to-Liquid, PtL, nennt sich das Verfahren, es ist die Umwandlung elektrischer Energie zu flüssigem Kraftstoff. Die bisherige Forschung im Geschäftsbereich des BMVg dient allerdings eher dem allgemeinen Erkenntnisgewinn. Die Produktion selbst steckt noch in den Kinderschuhen, doch ab 2026 müssen in Deutschland mindestens 0,5 Prozent des Flugkraftstoffes aus PtL-Kerosin bestehen. Auch E-Fuels fordern eine veränderte Logistik, die aber dadurch vereinfacht wird, dass auch die zivile Luftfahrt denselben Weg gehen muss. Überschneidungen mit technischen Anwendungen in der Zivilgesellschaft sind durchaus erwünscht. Die Bundeswehr hat in der Vergangenheit bereits Studien in Zusammenarbeit mit der Lufthansa angestoßen.
Die Armee kann so nicht nur Teil des Problems sein, sie kann auch zur Lösung beitragen. In der Geschichte war es oft so, dass das Militär Treiber der jeweils neuesten technologischen Entwicklungen war. Dampfschiffe setzten sich nicht zuerst in der Zivilwelt durch, sondern im Militärischen. Die Skalierung der Flugzeugproduktion? Militärisch. Das Internet? Wurde ursprünglich im Auftrag der US Air Force ab 1968 als ARPANET entwickelt.
Plastikflaschen als Kraftstoff?
So wird im „Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe“ in Erding in Bayern untersucht, wie sich aus alten Kunststoffen flüssige Energieträger gewinnen lassen. Die Technik hat das Potenzial, ein Teil der künftigen dezentralen Energieversorgung der Bundeswehr zu werden, die gewonnenen Öle können als Energieträger für Generatoren, etwa in Feldlagern, oder für mobile Systeme verwendet werden. Besonders in Kombination mit könnte das ein wichtiger Beitrag für eine ressourcenschonende Energieversorgung werden.
Denn über das Problem nachgedacht wird schon länger. Bereits 2010 hat die NATO den Klimawandel als Bedrohung ihrer Einsatzfähigkeit adressiert. Tatsächlich schränkt er die Operations- und Verteidigungsfähigkeit vieler Armeen bereits jetzt ein. Auch die Bundeswehr hat eigene Erfahrungen: In Mali etwa war es tagsüber teilweise so heiß, dass Einsätze abgebrochen werden mussten – die Klimaanlagen in den gepanzerten Wagen waren überlastet. Selbst abends und nachts betrug die Lufttemperatur 41 Grad Celsius. „Man ist dann nicht draußen, wenn man nicht muss“, sagte damals etwa Heiko Bohnsack, letzter Kommandeur des deutschen Einsatzkontingents. Auch der Kampfhubschrauber Tiger funktionierte im Staub der Sahelzone vergleichsweise schlecht.
Die Streitkräfte sollenein Teil der Lösung sein
Die stellvertretende US-VerteidigungsministerinKathleen Hicks sagte schon im Winter 2021: „Wenn das Militär nicht Teil der Lösung ist, werden wir technologisch abgehängt.“ Schwer vorstellbar, dass in einer Welt, die sich von fossilen Brennstoffen löst, einzig die Armee diejenige Organisation sein soll, die abhängig von langen und vor allem zentralen Logistik- und Lieferketten ist. Zumal dann auch niemand mehr außerhalb des Militärs den Support leisten kann. Erschwert wird die Umstellung – neben den technischen Problemen und der schwierigen Vergleichbarkeit – von zivilen und militärischen Anforderungen, zusätzlich durch die NATO Single Fuel Policy. In diesem Rahmen ist die Bundeswehr verpflichtet, Standardkraftstoffe fossiler Herkunft zu verwenden. Sinnvolles Ziel ist die Kompatibilität der Verbündeten. Aber auch Dr. Vergin sagt: „Das Militär muss sich anpassen an die Optionen, die die zivile Welt entwickelt.“
Und das passiert auch: Die US-Army rechnet damit, dass ab 2030 vollelektrische komplexe Waffensysteme zugeführt werden. Als Konzept existiert bereits ein vollelektrisches taktische Radfahrzeug, das dem konventionell betriebenen M1301 ISV ähnelt. Das Fahrzeug basiert auf dem Chevy Colorado.
Tradition und Moderne
Das Planungsamt der Bundeswehr in Berlin, das PlgABw, ist eine alte Behörde – und doch wieder nicht. Gegründet 1958 als „Lehrstab A“, war das die Geburtsstunde des „Zentrum für Transformation der Bundeswehr“. Fünf weitere Umbenennungen folgten, bis das Planungsamt 2012 in seiner jetzigen Form entstand.
Dabei hat sich die Aufgabe des Amtes im Kern eigentlich nicht verändert: über die verschiedenen Fachbereiche hinausdenken, interdisziplinär arbeiten. Immer ging es darum, der think tank des BMVg sein. Das Amt ist dazu nicht nur militärisch, sondern auch zivil besetzt.