Mit einem Appell besiegelten über 300 deutsche und niederländische Soldatinnen und Soldaten die Integration der 13. Leichten Brigade in die 10. Panzerdivision. Foto: Bundeswehr/Lena Schiehandl

24.06.2023
Autorenteam Kommando Heer

Multinationalität ist ein Bestandteil der DNA des Deutschen Heeres

In der Zusammenarbeit mit Verbündeten und Partnern verfügt das Heer über jahrzehntelange Erfahrung. Ganz neue Maßstäbe hat dabei in den vergangenen Jahren die deutsch-niederländische Heereskooperation gesetzt.

Deutschland hat gegenüber der NATO angezeigt, ab 2025 eine Division für die Landes- und Bündnisverteidigung bereitzustellen. Diese Division wird der Schwerpunkt des Heeresbeitrages im Rahmen der neuen NATO-Streitkräftestruktur in den nächsten Jahren sein. Die Division 2025 wird im Kern durch die 10. Panzerdivision gestellt, mit Divisionstruppen sowie mit zwei deutschen Brigaden und der niederländischen 13. Leichten Brigade. Als wichtiger Beitrag für eine glaubwürdige Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit der NATO sowie als Zeichen für die Geschlossenheit der Allianz sind neben dem niederländischen Heer auch weitere Partnernationen eingeladen, spezifische Fähigkeiten zu dieser Division beizutragen – besonders im Bereich der Divisionstruppen.

Jahrzehntelange Erfahriung in der Multinationalität

Mit einer, in diesem Sinne „multinationalen“ Division 2025, betritt das Deutsche Heer kein Neuland. Multinationalität ist als fester Bestandteil der DNA des Deutschen Heeres schon immer ein wesentliches Gestaltungsprinzip. Mit dem Multinationalen Korps Nordost, dem I. Deutsch-Niederländischen Korps und dem Eurokorps, jeweils mit Deutschland als Rahmennation, der deutsch-französischen Brigade oder dem deutsch-britischen Panzerpionierbrückenbataillon 130 verfügt das Deutsche Heer in der Zusammenarbeit mit Verbündeten und Partnern bereits über jahrzehntelange Erfahrung. Auch die seit 2015 zu leistenden einsatzgleichen Verpflichtungen mit der „Very High Readiness Joint Task Force“ in Brigadestärke im Rahmen der NATO Response Force oder der Gefechtsverband im Rahmen der „enhanced Forward Presence“ sind durch multinationale Kräftebeiträge gekennzeichnet.

In den vergangenen Jahren setzt dabei insbesondere die Breite und Tiefe der deutsch-niederländischen Heereskooperation neue Maßstäbe. Seit dem 30. März 2023 ist nunmehr auch die letzte der drei niederländischen Heeresbrigaden in eine deutsche Division integriert. Die deutsch-niederländische Heereskooperation hat damit eine Intensität erreicht, die weltweit ihresgleichen sucht. Das Deutsche Heer und die niederländische „Koninklijke Landmacht“ sind die ersten Armeen, die über unterschiedliche Führungsebenen, von der Kompanie bis zur Brigade, militärische Fähigkeiten in die Grundstruktur des jeweils anderen integriert haben und auch zum Einsatz bringen. Mit der deutsch-niederländischen ministeriellen Absichtserklärung von 2019 wurden als Ziele das Erreichen eines höchstmöglichen Interoperabilitätsniveaus sowie das Aufstellen binationaler Einheiten für Einsätze festgelegt.

Binationale Verbände im Einsatz

Das Deutsche Heer und die „Koninklijke Landmacht“ setzen diese militärpolitische Absicht in konkrete Maßnahmen um. Nach gemeinsamen Kontingenteinsätzen im Rahmen des Krisen- und Konfliktmanagements in Afghanistan, im Irak und in Mali, werden seit 2020 integrierte binationale Verbände für Einsatzverpflichtungen im Rahmen der NATO und der EU bereitgestellt. Im zweiten Halbjahr 2020 stellte die Deutsche Division Schnelle Kräfte (DSK) zusammen mit der niederländischen 11. Luchtmobiele Brigade die „Stand-by Battlegroup“ für die EU. Im zweiten Halbjahr 2021 wurde das binationale PzBtl 414 erstmalig als Leitverband der «enhanced Forward Presence Battlegroup“ in Litauen eingesetzt. Zuletzt ermöglichte die langjährige Zusammenarbeit im Bereich der Artillerie Anfang 2022 die schnelle und reibungslose binationale Ausbildung von ukrainischen Soldaten an der PzH2000.

Regelmäßige Treffen der Stäbe

Die tiefe Integration beider Heere ist eine besondere Herausforderung für den Einsatzwert der Verbände, besonders im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung. Die Bereitstellung einsatzbereiter binationaler Kräfte für Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen erfordert ein hohes Maß an Interoperabilität. Dieser kommt höchste Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund treffen sich seit 2020 die beiden Stäbe des Kommando Heer (KdoH) in Strausberg und des „Staf Commando Landstrijdkrachten“ (StCLAS) in Utrecht unter Führung der jeweiligen Chefs der Stäbe turnusmäßig zweimal im Jahr. Neben dem gegenseitigen persönlichen Kennenlernen dienen diese Besprechungen dazu, Kenntnisse über die jeweiligen Prozesse und Verfahren der Stabsarbeit im Kommando der Partnernation zu erlangen, diese wo immer möglich zu synchronisieren und zu harmonisieren und dadurch eine enge und abgestimmte Zusammenarbeit in allen Führungsgrundgebieten zu erreichen.

Um diese, in Europa einzigartige Zusammenarbeit weiter zu vertiefen, haben beide Inspekteure einen gemeinsamen Fahrplan entwickelt und mit einer „Army Vision“ Ende 2022 auf den Weg gebracht. Die am 28. November 2022 während der gemeinsamen Interoperabilitätstagung der Generalität beider Heere, dem sogenannten „Griffin Seminar“, durch InspH und C-LAS gezeichnete „Army Vision”, sieht hierzu unter dem Motto „organize as we fight“ fünf weitere Handlungsfelder vor.

Integration der 13. Leichten Brigade in die deutsche 10. Panzerdivision

Am 30. März 2023 wurde mit einem Integrationsappell und in Anwesenheit der beiden Verteidigungsminister die niederländische 13. Leichte Brigade aus Oirschot in die deutsche 10. Panzerdivision integriert. Um Anfang 2025 als multinationale Division für die NATO kaltstartfähig zu sein, wird in den kommenden Monaten ein intensives und gemeinsames Übungsprogramm absolviert –  Höhepunkt ist die Teilnahme an der Großübung Quadriga 2024. Die gemeinsame Entwicklung „Mittlerer Kräfte“ wird dabei wichtiges Thema sein.

Verbesserung der binationalen Führungsfähigkeit über alle Führungsebenen

Hierzu werden zusätzliche Austauschoffiziere über alle Führungsebenen, von der Kommandoebene bis zur Brigadeebene, im Schwerpunkt bei den neuen integrierenden Verbänden, etabliert, um die notwendige binationale Abstimmung zu unterstützen und „unity of effort“ zu generieren.

Zusammenarbeit im Bereich der Heeresentwicklung

Die Planungs- und Entwicklungsprozesse beider Heere sollen miteinander synchronisiert sowie die Konzept- und Doktrinentwicklung in Einklang gebracht werden, um ein höchstmögliches Maß an „unity of thinking“ zu entfalten. Hierzu hat im Januar dieses Jahres bereits eine erste Abstimmung zwischen KdoH und StCLAS gemeinsam mit dem AHEntwg stattgefunden. Vereinbart wurde, bis Sommer 2023 in allen Bereichen der Weiterentwicklung weitere Möglichkeiten zur Synchronisierung der Arbeiten zu untersuchen. Die Ergebnisse sollen in einem binationalen Workshop im Spätsommer abgestimmt und anschließend umgesetzt werden. Zusätzlich wurde vereinbart, dass beide Stäbe die Entwicklung eines gemeinsamen Zukunftskonzepts für Landoperationen einleiten.

Förderung der gemeinsamen Beschaffung

Die Heeresentwicklung soll unter dem Motto: „Was gut genug für das Niederländische Heer ist, ist auch gut genug für das Deutsche Heer – und umgekehrt“ gestaltet werden und so langfristig die gemeinsame Beschaffung von Ausrüstung fördern. Dahinter steht die Absicht, zukünftig gleiche, ähnliche oder zumindest kompatible Landsysteme zu beschaffen, um in der Folge beispielsweise die logistische Versorgung und Instandhaltung mehr und mehr binational harmonisieren und gestalten zu können.

Zukünftige Aufgabe des I. DEU/NLD Korps in Münster

Das höchste deutsch-niederländische und taktische Hauptquartier erhält im Rahmen der Überlegungen der NATO zur Anpassung der NATO Streitkräftestruktur („NATO Force Model“) eine neue Aufgabe. Beabsichtigt ist der Einsatz als „Warfighting Corps Headquarters“, obwohl die finale Entscheidung dazu in der NATO noch aussteht. Das Hauptquartier hat diesbezüglich bereits mit ersten Untersuchungen begonnen, um sich ggf. schnellstmöglich an den neuen Auftrag anpassen zu können. Seine Aufgabe als „professional training platform“ für die Beübung der deutschen und niederländischen Großverbände soll beibehalten werden.

Der politische Wille muss da sein

Die dargestellten Handlungsfelder der „Army Vision“ werden weit über die beiden Heere hinaus Wirkung entfalten. Mit der Integration der 13. Leichten Brigade in die 10. Panzerdivision wurden die ersten Schritte zur Umsetzung der Army Vision gemacht. Viele werden in den kommenden Jahren folgen. Beide Stäbe werden weiter die Voraussetzungen schaffen, dass beide Heere bereits in 2025 gemeinsam einen bedeutsamen, umfassenden und schlagkräftigen Beitrag zur Verteidigung des Bündnisgebietes der NATO leisten und gleichzeitig die militärische Krisenreaktionsfähigkeit der EU stärken können. Dabei liegt jedoch nicht alles in der Entscheidungshoheit der Inspekteure. Gerade in der Rüstung sind entsprechender politischer Wille und Unterstützung notwendig. Darüber hinaus wird auch von den Angehörigen beider Heere Durchsetzungs- und Anpassungsfähigkeit verlangt, da die Tiefe der Integration neue Herausforderungen im Alltag stellen wird. Das fängt an mit der häufigeren Verwendung einer englischen Arbeitssprache und erstreckt sich bis zu Anpassungen der jeweiligen nationalen Prozesse. So liegt es auch bei jedem einzelnen, die Tiefe der Integration zu einem Erfolg zu führen.

Die deutsch-niederländische Heereszusammenarbeit kann als Beispiel für die Integration und Interoperabilität militärischer Fähigkeiten und damit als Katalysator für die Verbesserung der Zusammenarbeit im Rahmen von LV/BV in NATO und EU dienen. So wie Multinationalität Bestandteil der DNA des Heeres ist, so ist die deutsch-niederländische Heereskooperation die Helix der DNA, auf der neue Strukturen weiter ausgebaut werden können. Gemeinsam sind wir stärker!

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