Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (r.) und ihre französische Amtskollegin Florence Parly sprachen sich für einen Ausbau der militärischen Zusammenarbeit in Europa aus. Foto: MSC/Kuhlmann

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (r.) und ihre französische Amtskollegin Florence Parly sprachen sich für einen Ausbau der militärischen Zusammenarbeit in Europa aus. Foto: MSC/Kuhlmann

20.02.2022
yb/dpa

MSC-Abschluss: Lambrecht verspricht Erhöhung der Militärausgaben – EU befürchtet Flüchtlingskrise

Im Zeichen Europas stand der letzte Tag der Münchner Sicherheitskonferenz 2022. Erneut waren alle Akteure bemüht, Zeichen der Einheit und des Zusammenhalts angesichts der angespannten Lage im Osten des Kontinents zu setzen. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht versprach steigende Verteidigungsausgaben, erteilte Waffenexporten in die Ukraine aber eine erneute Absage.

München. Die gemeinsamen Anstrengungen im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, eine stärkere Kohäsion in der Europäischen Union – das waren die wesentlichen Themen am dritten und letzten Tag der MSC im Hotel Bayrischer Hof in der Bayrischen Landeshauptstadt. Wie an beiden vorangegangen Tagen war der Blick dabei stets gen Osten gerichtet, wo sich an den bedrohten Grenzen der Ukraine immer noch keine Entspannung abzeichnet.

Vor diesem Hintergrund haben die Verteidigungsministerinnen Deutschlands und Frankreichs für einen weiteren Ausbau der militärischen Zusammenarbeit in der EU plädiert. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, Deutschland sei verlässlicher Partner und werde mehr Geld in das Militär stecken. „Wir werden kontinuierlich diese Verteidigungsausgaben auch erhöhen“, sagte sie in einer Diskussionsrunde zur Zukunft der EU-Sicherheits- und Außenpolitik. Mit dem neuen Drei-Prozent-Ziel der Ampel-Koalition sollten die Ausgaben für Verteidigung und Entwicklungszusammenarbeit in einem vernetzten Ansatz betrachtet werden.

Der von der Ukraine geforderten Lieferung von Waffen erteilte Lambrecht erneut eine Absage. Restriktive deutsche Richtlinien zur Rüstungsexportkontrolle seien längere Praxis und sollten unter Umständen auch verschärft werden. „Wir haben 80 Prozent Zustimmung in Deutschland für diese restriktive Politik“, sagte sie. Auch sei deutlich geworden, dass zur Stärkung der Ukraine nicht alle Partner das Gleiche machen müssten. So betonte Lambrecht wiederholte die umfangreichen Wirtschaftshilfen, die man der Ukraine seit 2014 habe zukommen lassen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borell erklärte in der Runde, das Ergebnis der Auseinandersetzung im Ukraine-Konflikt werde die künftigen politischen Verhältnisse bestimmen und entscheiden, ob eine machtbasierte Politik mit Einflusszonen bestimmend werde. Er sagte, die EU gebe vier Mal so viel wie Russland für Verteidigung aus und fast so viel wie China, doch sei die EU nicht entsprechend militärisch handlungsfähig, „weil das alles zu fragmentiert ist“.

Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly forderte: „Wir brauchen ein stärkeres Europa im Bereich Sicherheit und Verteidigung.“ In der EU gebe es für Militärausgaben relativ gesehen weniger militärische Leistungsfähigkeit als in den USA. Kostentreiber sei die Vielzahl der unterschiedlichen Systeme. Als Beispiel nannte Parly Kampfjets: Wo sich die USA zwei Hauptwaffensysteme leisteten, seien es derer in EU „10 bis 15“.

EU-Ratspräsident Charles Michel gab bekannt, dass er im Fall eines russischen Angriffs auf die Ukraine sofort einen Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschef einberufen will. Man werde sicherstellen, dass vollständig geeint über Sanktionen entschieden werde, sagte der Belgier. In den vergangenen Wochen seien dafür unterschiedliche Szenarien vorbereitet worden. Zu dem Bedrohungsszenario, das Russland mit seinem massiven Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine aufbaut, sagte Michel: „Sie haben gehofft, Zwietracht zu säen, unser Bündnis zu schwächen und uns zu spalten, aber sie haben genau das Gegenteil erreicht.“ Der Zusammenhalt sei zementiert worden – sowohl in der EU als auch über den Atlantik hinweg.

Die EU bereitet sich für den Fall eines russischen Angriffes gegen die Ukraine auf einen möglichen Zustrom von Kriegsflüchtlingen vor. „Ja, wir arbeiten daran“, sagte die für das Thema zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson am Rande der Konferenz der Deutschen Presse-Agentur. Bereits seit einigen Wochen würden mit den Mitgliedstaaten Notfallpläne erstellt – insbesondere mit denen, die unmittelbar an die rund 41 Millionen Einwohner zählende Ukraine grenzen.

Grundlage für die Vorbereitungen sind nach Angaben von Johansson unterschiedliche Szenarien, die basierend auf Informationen der Vereinten Nationen und Erfahrungen nach dem russischen Vorgehen gegen die Ukraine im Jahr 2014 erstellt wurden. Für den Fall eines Angriffs nur im Osten wird so zum Beispiel damit gerechnet, dass die meisten flüchtenden Menschen erst einmal im westlichen Teil der Ukraine Schutz suchen. Sie würden dann dort Unterstützung brauchen, sagte die Schwedin.

Als vermutlich wichtigstes Fluchtziel in der EU nannte Johansson das direkt an die Ukraine grenzende Polen, daneben aber auch Italien, Deutschland und Frankreich. Nicht sagen wollte sie, mit vielen Kriegsflüchtlingen in den unterschiedlichen Szenarien gerechnet wird.

Zum Schluss hieß es Abschied nehmen von Botschafter Wolfgang Ischinger als langjährigem Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz – er übergab den Staffelstab an den Diplomaten Christoph Heusgen, dem früheren sicherheitspolitischen Berater von Angela Merkel. Ischinger sagte, dass diese Münchner Sicherheitskonferenz zum richtigen und wichtigen Moment der Geschichte stattgefunden habe. Er habe den Eindruck, dass an diesem Wochenende eine Botschaft der transatlantischen Einheit ausgesendet worden sei. „Was nicht so gut ist, ist dass unsere Kolleginnen und Kollegen aus Moskau sich entschieden haben, nicht anzureisen, um uns ihre Sichtweise mitzuteilen“, bedauerte Ischinger die Abwesenheit Russlands bei dieser MSC. Ischinger gab sich sehr besorgt, dass bald wieder militärische Gewalt angewendet werden könne, um Grenzen in Europa zu verschieben und sagte abschließend: „Ich hoffe sehr, dass ich falsch liege.“

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