Das deutsche Team um Sportsoldatin Stabsunteroffizier Julia Lier (2.v.l.) jubelt zusammen mit deutschen Fans über Gold in der Ruderregatta bei den Olympischen Spielen 2016. Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt

Das deutsche Team um Sportsoldatin Stabsunteroffizier Julia Lier (2.v.l.) jubelt zusammen mit deutschen Fans über Gold in der Ruderregatta bei den Olympischen Spielen 2016. Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt

04.06.2021
Von Christine Hepner

Medaillenhoffnungen für Deutschland: Sportsoldaten auf dem Weg nach oben

Im vergangenen Jahr mussten sie wegen der COVID-19-Pandemie verschoben werden, nun finden sie aber statt: Vom 23. Juli bis zum 8. August werden Athletinnen und Athleten aus aller Welt in Tokio bei den Olympischen Sommerspielen um das begehrte Edelmetall kämpfen. Japans Hauptstadt ist damit nach 1964 zum zweiten Mal Gastgeber. Unter welchen Bedingungen die Spiele stattfinden, ist noch immer nicht ganz klar – fest steht jedenfalls, dass Corona weiterhin für Einschränkungen sorgen wird.

Deutschland wird bei den Spielen erneut von einer ganzen Reihe Sportlerinnen und Sportler der Bundeswehr vertreten – die Spitzensportförderung der Bundeswehr hat schon in der Vergangenheit für unzählige Medaillen gesorgt. Über die alten und neuen Helden der Bundeswehr bei den Olympischen Spiele wollen wir in den kommenden Tagen an dieser Stelle berichten.

Andreas Hahn, Dezernatsleiter Spitzensport beim Streitkräfteamt, verrät uns zum Auftakt im Interview, mit welchen Erwartungen die Bundeswehr ihre Spitzensportler zu den Olympischen Spielen schickt und warum im Olympiazyklus gedacht, aber in Jahresschritten gehandelt wird.

Am 23. Juli sollen die Olympischen Spiele in Tokio beginnen. Wie viele Sportsoldaten der Bundeswehr werden voraussichtlich daran teilnehmen und welche Erwartungen verbinden Sie mit den Spielen?

Andreas Hahn: Sowohl das IOC als auch der Deutsche Olympische Sportbund und der Deutsche Behindertensportverband signalisieren, dass die Olympischen Spiele und die Paralympics in Tokio durchgeführt werden können, auch wenn es ganz besondere Spiele werden. All das, was den Reiz dieser Spiele ausmacht, die vielen internationalen Zuschauer, die Verständigung der Sportler aus aller Welt, wird diesmal nicht gegeben sein. Man wird sich in sogenannten Bubbles, Blasen, bewegen. Das olympische Dorf wird nur für die Wettkämpfe von den Sportlerinnen und Sportlern verlassen werden können, gleichzeitig wird der Aufenthalt bei den Spielen kürzer sein. Die Impfproblematik spielt eine große Rolle. Es wird auch kein Deutsches Haus als Kommunikationstreffpunkt nach den Wettkämpfen für Presse und Funktionäre geben. Trotzdem sind wir zuversichtlich, dass die Spiele stattfinden.

Die Nominierungen und Qualifikationswettkämpfe laufen noch, sie werden erst kurz vor den Spielen abgeschlossen sein. Die letzte Nominierungsrunde ist am 7. Juli, sodass wir jetzt von Erfahrungswerten ausgehen müssen. Die besagen, dass die Bundeswehrathletinnen und -athleten rund 30 Prozent der deutschen Olympiamannschaft stellen. Das wird eine Zahl zwischen 100 und 130 Sportsoldaten sein, die wir in Tokio am Start sehen werden. Erfahrungsgemäß tragen sie dann zu 40 Prozent aller deutschen Medaillen bei. Das erwarte ich auch für die diesjährigen Olympischen Spiele.

Wie sind die Spitzensportler mit der Verschiebung der Olympischen Spiele um ein Jahr umgegangen?

Andreas Hahn: Natürlich war und ist die Verschiebung eine große Belastung für unsere Sportlerinnen und Sportler. Sie mussten sich neu motivieren, neu ausrichten und ihren Leistungsaufbau neu planen. Das ist einer Vielzahl der Athletinnen und Athleten sehr gut gelungen. Aber auch die Spitzensportlerinnen und Spitzensportler sind nicht freigeblieben von Corona-Erkrankungen. Wir hatten hier unterschiedliche Verläufe, es gibt auch Sportlerinnen und Sportler, die sich bis heute noch nicht richtig erholt haben und für die der Traum von den Olympischen Spielen ausgeträumt ist.

Es war auch für uns als Arbeitgeber ein schwieriges Thema, auf das wir aber flexibel reagiert haben. Die Verschiebung um ein Jahr hat auch bedeutet, dass wir 40 bis 50 Bundeswehrsportlerinnen und -sportler, die ihre Karriere eigentlich nach Tokio 2020 beenden wollten, noch einmal um ein Jahr verlängert haben. Gleichzeitig durften wir aber unseren Perspektivkader für Paris 2024 nicht außer Acht lassen. Uns kam dabei zugute, dass wir im April letzten Jahres die Gesamtobergrenze um 106 Förderplätze erhöht haben – eigentlich, um der Vielzahl neuer olympischer Disziplinen und Sportarten Rechnung zu tragen. Unter anderem diese Erhöhung haben wir genutzt, um die älteren Sportlerinnen und Sportler für ein weiteres Jahr zu versorgen.

Sie sprachen von neuen olympischen Sportarten. Welche werden gefördert?

Andreas Hahn: Wir haben nicht nur in den ganz neuen Sportarten wie Breakdance, Skateboard oder Sportklettern, die in Tokio oder auch erst in Paris zum Tragen kommen, schon unterstützend mit Neueinstellungen begonnen. Es gibt auch nichtolympische Sportarten wie zum Beispiel Karate, die ins olympische Programm genommen wurden. Hier haben wir das Kontingent deutlich auf acht bis zehn Förderplätze erhöht, um die Vielfalt der Gewichtsklassen zu besetzen und um uns mit möglichst vielen Athleten zu qualifizieren und in die Medaillenkämpfe einzugreifen.

Wird von der Öffentlichkeit ausreichend wahrgenommen, dass Sportsoldaten einen großen Anteil an der Olympiamannschaft und an den Medaillen haben?

Andreas Hahn: Sportsoldat, Spitzensportler der Bundeswehr, Sportfördergruppe – diese Begriffe haben sich eigentlich im Sprachgebrauch der Journalisten und in der Berichterstattung schon etabliert. Wir sind aber noch nicht da, wo wir in der externen Wahrnehmung sein wollen. Hierzu sind wir gerade dabei, einen Kooperationsvertrag mit dem Sportinformationsdienst anzuschieben, der zielgerichtet auf die Olympischen Sommer- und Winterspiele in Tokio und Peking eine verstärkte Berichterstattung aus dem Blickwinkel der Spitzensportförderung der Bundeswehr abdeckt. Die Meldungen des Sportinformationsdienstes sind Grundlage für die Medienlandschaft Deutschlands, ob Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitung oder Zeitschriften. Ich glaube, damit wird es uns gelingen, den Fokus der Öffentlichkeit noch stärker zu nutzen und auf das Engagement der Bundeswehr in der Spitzensportförderung hinzuweisen.

Welche Vorteile hat es für Spitzensportler, ihren Sport bei der Bundeswehr auszuüben?

Andreas Hahn: Wir geben ihnen den sozialen Rahmen – vereinfacht gesagt: Zeit und Geld. 90 bis 95 Prozent aller Sportarten stehen maximal alle vier Jahre bei Olympischen Spielen im Fokus der Öffentlichkeit und bringen daher über Prämien und Sponsorengelder nicht so viel ein, als dass ein Sportler oder eine Sportlerin davon ihren Lebensunterhalt bestreiten könnte. Das fachliche Direktionsrecht, also die Verantwortung und Zuständigkeit für Training und Wettkampf, übergeben wir an die Bundessportfachverbände.

Werden Spitzensportler auch in Auslandseinsätze geschickt?

Andreas Hahn: Nein, der Fokus liegt auf dem Sport, also auf Training und Wettkampf. Und wenn Sie die weltweit stattfindenden Wettkämpfe nehmen, dann sind das die Einsätze für einen Sportsoldaten und eine Sportsoldatin. Nichtsdestotrotz sind Sportlerinnen und Sportler auch hin und wieder auf Kurzbesuch in den Einsatzverbänden, um dann mit den Soldaten vor Ort Sport zu treiben oder sich auszutauschen. Das kommt bei den Soldatinnen und Soldaten in den Einsatzverbänden immer sehr gut an. Spitzensportler zeigen schon Flagge und wissen, welches Privileg sie haben, uneingeschränkt Sport zu treiben, und welch harte Arbeit der Soldat und die Soldatin im Einsatz zu erbringen haben.

Welchen Einfluss hat die Spitzensportförderung auf die Sportausbildung und die sportliche Fitness in der Bundeswehr?

Andreas Hahn: Sie hat einen relativ großen Einfluss, den wir immer weiter ausbauen. Zum einen sind unsere Soldatinnen und Soldaten stolz auf ihre Sportsoldaten mit ihren Erfolgen. Die Leistungsbereitschaft und Leidensfähigkeit, die ein Spitzensportler im Tagesgeschäft mitbringen muss, sind Tugenden, die wahrgenommen werden und die Vorbildcharakter haben. Und die vielleicht auch inspirieren, den verpflichtenden Dienstsport zielgerichteter zu betreiben. Außerdem sind wir seit 2019 in einem Pilotprojekt, bei dem hauptamtliche Trainerinnen und Trainer den Dienstsport in der verpflichtenden Sportausbildung in der Truppe anleiten. Derzeit sind dafür 45 Dienstposten vorgesehen und dies sind Arbeitsplätze für ehemalige Spitzensportler und Spitzensportlerinnen der Bundeswehr, die nach ihrer leistungssportlichen Karriere bei der Bundeswehr verbleiben. Das Projekt läuft mit großem Erfolg und soll jetzt verstetigt werden.

Wie kommt man in die Spitzensportförderung der Bundeswehr?

Andreas Hahn: Die Spitzenverbände haben im olympischen Bereich eine Richtzahl an Förderplätzen von uns zugeteilt bekommen, die wir mit dem Deutschen Olympischen Sportbund abgestimmt haben und die der kontinuierlichen Bewertung und Anpassung nach jedem Olympiazyklus unterliegt. Im Rahmen dieses Kontingents können die Spitzenverbände Vorschläge für zu Fördernde unterbreiten. Wir haben natürlich hohe Förderkriterien. Ohne nachgewiesenen Bundeskaderstatus, also Olympia-Kader oder Olympiaperspektiv-Kader, kann keine Aufnahme in eine Sportfördergruppe erfolgen. Dieser Kaderstatus muss jährlich neu bewiesen werden, deshalb gibt es in der Spitzensportförderung der Bundeswehr ausschließlich Jahresverträge. Wir denken im Olympiazyklus, also im Vierjahresrhythmus, aber wir handeln in Jahresschritten.

Sie sprachen bereits Karrieremöglichkeiten für ehemalige Spitzensportler in der Bundeswehr an. Was gibt es noch für Möglichkeiten neben dem Pilotprojekt der hauptamtlichen Trainer?

Andreas Hahn: Seit Aussetzung der Wehrpflicht ist es unser Bestreben, unsere ehemaligen Sportlerinnen und Sportler nicht nur über den Berufsförderungsdienst fit für zivile Arbeitgeber zu machen, sondern auch möglichst viele in den eigenen Reihen zu halten. Dafür wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket aufgelegt, das sich in der erfolgreichen Umsetzung befindet. Wie angesprochen ist die hauptamtliche Trainerin, der hauptamtliche Trainer für die Truppe eine Möglichkeit einer attraktiven Folgeverwendung. Des Weiteren wurde vor zwei Jahren die Offizierlaufbahn geöffnet. Dafür haben wir ein dienstzeitbegleitendes Studium mit individuellen Präsenztagen mit dem Fachgebiet der Sportwissenschaften etabliert – man kann hier also Olympiasieger werden und gleichzeitig studieren. Pro Jahr sollen zehn Sportlerinnen und Sportler für diesen Studiengang zugelassen werden.

Gleichzeitig unterstützen wir alle Möglichkeiten, die der Arbeitgeber Bundeswehr bietet, ob im militärischen Bereich oder als Angestellter oder Beamter. Dazu führen wir bei Laufbahnlehrgängen Personalentwicklungsgespräche durch, sodass wir die Interessen der Sportler kennen und schon während ihrer leistungssportlichen Karriere wissen, welche beruflichen Ziele für die Zeit nach Beendigung des Spitzensports bestehen und darauf hinwirken können.

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