Militärbischof Bernhard Felmberg ist Initiator der friedenstethischen Positionspapiers "Mass des Möglichen". Archivfoto: Militärseelsorge/Walter Linkmann

04.05.2023
Von Katja Gersemann

„Mass des Möglichen“ – Friedensethik im Schatten des Krieges

Die sogenannte Zeitenwende stellt die in weiten Teilen friedensbewegte evangelische Kirche geradezu vor eine Zerreißprobe – so weit gehen die Ansichten in der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine auseinander.

Eines der nach wie vor wohl bekanntesten Gesichter der Evangelischen Kirche Deutschlands, deren ehemalige Ratsvorsitzende Margot Käßmann, zählte etwa im Februar zu den Erstunterzeichnern des „Manifests für Frieden“ von Sahra Wagenknecht (Linke) und Alice Schwarzer. Die aktuelle Ratschefin, Annette Kurschus, befürwortet hingegen Waffenlieferungen. Wo Menschen rohe Gewalt erfahren, so Kurschus im vergangenen Jahr, hätten sie alles Recht, sich zu verteidigen.

Frieden bleibt Leithorizont politischen Handelns

In diesem kontroversen Umfeld wagte nun die evangelische Militärseelsorge einen bemerkenswerten Aufschlag. In dem aktuellen Papier „Mass des Möglichen“ beleuchten sieben Theologen die Friedensethik – und kommen zu klaren Ergebnissen: Frieden bleibe der wesentliche Leithorizont politischen Handelns. Eine Friedensethik dürfe aber „an den sicherheitspolitischen und soldatischen Herausforderungen“ nicht vorbeigehen. Es sei ein kirchlicher Kernauftrag, das Bewusstsein dafür wachzuhalten, dass bewaffnete Gewalt äußerster Notfall und Ausnahmezustand sei. Aber es sei auch entscheidend, für das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung einzutreten.

Waffenlieferungen fallen unter Pflicht zur Nothilfe

So sieht Friedrich Lohmann, Mitautor und evangelischer Theologieprofessor von der Universität der Bundeswehr in München, eine Pflicht zur Nothilfe, sofern sie den Rahmen der Verhältnismäßigkeit beachte. „Die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine fallen klar unter diese Pflicht“, sagte Lohmann bei einer Diskussionsveranstaltung, zu der kürzlich der Initiator des Papiers, der evangelische Militärbischof Dr. Bernhard Felmberg, in Berlin geladen hatte. Auch Generalmajor Ruprecht von Butler, Kommandeur der 10. Panzerdivision und Mitglied der EKD-Synode, kritisierte in der Diskussion einen Pazifismus, der jedwede Gewalt ablehnt.

„Mutiger und wichtiger Schritt“

„Die Veröffentlichung dieses Papiers ist ein mutiger und zugleich wichtiger Schritt“, sagte im Nachgang Hauptmann a.D. Jörg Greiffendorf, der im Bundesvorstand des DBwV für das Thema Militärseelsorge zuständig ist. Es sei gut, im öffentlichen Diskurs eine wahrnehmbare Stimme der evangelischen Kirche für die Unterstützung der Ukraine zu haben. „Radikale pazifistische Positionen mögen dem einen oder anderen Seelenfrieden geben“, so Greiffendorf. Brauchbare Antworten auf wichtige Fragestellungen unserer Zeit gäben diese aber nicht. Hinzu komme, dass in der aktuellen Situation eine klare Orientierung für Soldaten wichtig sei.

Ähnlich dachten offenbar die Teilnehmer der Veranstaltung bei Militärbischof Felmberg. Sinnvoll sei, so die Auffassung mehrerer Teilnehmer, eine Zusammenfassung des Papiers für die Truppe, die knapp und verständlich den Inhalt des über 60-seitigen Debattenbeitrags wiedergibt.

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