Der Schützenpanzer Marder ist seit 50 Jahren das "Arbeitspferd" der Panzergrenadiertruppe. Dass das Fahrzeug noch immer im Einsatz ist, nahm der Landesvorsitzende West, Oberstleutnant Lutz Meier, als symbolisches Bild für den aktuellen Zustand der Bundeswehr. Foto: Bundeswehr/Carsten Vennemann

Der Schützenpanzer Marder ist seit 50 Jahren das "Arbeitspferd" der Panzergrenadiertruppe. Dass das Fahrzeug noch immer im Einsatz ist, nahm der Landesvorsitzende West, Oberstleutnant Lutz Meier, als symbolisches Bild für den aktuellen Zustand der Bundeswehr. Foto: Bundeswehr/Carsten Vennemann

02.06.2021
Frank Schauka

Marder lügen nicht

Bonn. Ein Marder, ein alter Marder, sagt manchmal mehr als tausend Worte. Will Oberstleutnant Lutz Meier, Vorsitzender des Landesverbands West des Deutschen BundeswehrVerbands, den aktuellen Zustand der Bundeswehr beschreiben, gräbt er auch schon mal in der Geschichte. „Als ich 1985 Soldat wurde, Panzergrenadier, habe ich einen 14 Jahre alten Schützenpanzer Marder in der Ausbildung genossen. Heute, 2021, befindet sich dieser Marder immer noch in der Truppe, weil der Puma noch nicht in allen Panzergrenadier-Bataillonen verfügbar ist. Dieser Marder hat jetzt 50. Geburtstag“, erzählte Meier in einer Diskussionsrunde der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema „Innere Lage der Streitkräfte“. Anlass zu der Diskussion bot die Vorstellung des Jahresberichts 2020 durch die Wehrbeauftragte Eva Högl im Bundestag am Mittwoch, 19. Mai 2021.
 
Meiers Marder-Fabel lässt sich auch in Zahlen transponieren. „In der Truppe gibt es eine neue Formel im Bereich des Materials: 70 Prozent des Materials gleich 100 Prozent“, gibt Meier zum Besten. Damit nicht genug. „Von den 70 Prozent sind weitere 30 Prozent in den notwendigen Instandsetzungen.“ Das heißt: „Wenn es gut läuft, hat die Truppe dauerhaft 40 Prozent ihres Materials für Übungs- und Ausbildungsvorhaben zur Verfügung.“ Meier setzt nach: „Wenn nun noch das verfügbare Material vor allem im Bereich der 69 Hauptwaffensysteme für Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen benötigt wird, bleibt für die Ausbildung so gut wie nichts mehr übrig.“ Bitteres Fazit: „Das führt zu Frust und nicht zu Attraktivität in der Truppe.“

Im Bereich des Personals sieht es nach Meiers Einschätzung „nicht viel besser aus“. Trotz großer Anstrengungen im Bereich der Personalgewinnung und Personalbindung mit Prämien und Zulagen bleibe der Personalmangel in allen Bereichen spürbar. „Auch in diesem Bereich heißt es: 80 Prozent gleich 100 Prozent. Dazu kommt noch das schwierige Jahr 2020, wo 19 Prozent weniger Neueinstellungen waren. Dazu kommen jedes Jahr die Beförderungsstaus in den verschiedenen Besoldungsgruppen aufgrund fehlender Haushaltshinterlegung der Dienstposten." Dies führe ebenfalls nicht zu einer Attraktivität der Bundeswehr.
 
Seit Jahren monieren mehr oder weniger alle Jahresberichte der Wehrbeauftragten des Bundestags offen und ehrlich die Probleme der Truppe: Materialprobleme, Personalprobleme, Planungsprobleme, Strukturprobleme – Stagnationsprobleme nicht zu vergessen. „Leider sind seit Jahren viele Aussagen gleichgeblieben“, ordnet Lutz Meier den ersten Jahresbericht der seit einem Jahr amtierenden Wehrbeauftragten Eva Högl in die lange Reihe der 61 Vorgänger-Berichte ein. „Viele Themen wiederholen sich“, sagt Meier. „Das bedeutet, dass sich die Situation innerhalb der Bundeswehr wenig verändert hat. Trotz vieler Anstrengungen, der Einführung der Trendwenden, einer Erhöhung des Militärhaushaltes, ist es bisher nicht entscheidend gelungen, die Materiallage und damit die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu erhöhen.“
 
An diesem Befund werde sich wohl auch in naher Zukunft wenig ändern, befürchtet Wolfgang Hellmich (SPD), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestags. Das von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) überraschend vorgelegte so genannte Eckpunkte-Papier zu einer Reform der Bundeswehr – welches, laut Hellmich, den Obleuten des Verteidigungsausschusses „exakt zwei Minuten vor der Presse“ zuging – sei, so kurz vor der Bundestagswahl, zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt präsentiert worden. Dass der in dem Papier beschriebene Reformprozess im Frühjahr 2022 in die Umsetzung gehen werde, sei nicht vorstellbar, wenn man, wie er, jahrzehntelang vertraut sei mit politischen Abläufen, sagte Hellmich.

Seine Skepsis gegenüber dem Positionspapier habe auch sachlich-inhaltliche Gründe, erklärte Hellmich. „Ab 2021/2022 müssen wir dauerhaft über 50 Milliarden Euro im Etat liegen, wenn wir die Altsysteme modernisieren, die politisch anvisierten Zukunftsprojekte verwirklichen und unsere internationalen Zusagen erfüllen wollen“, skizzierte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses die Situation der Streitkräfte. Während jedoch der nächste Bundeshaushalt ein strukturelles Defizit von 15 bis 20 Milliarden Euro aufweise, habe das Verteidigungsministerium eine Reformpapier vorgelegt, „ein Positionspapier, das offensichtlich von diesen Finanzierungsfragen nicht ausgeht“.

Oberstleutnant Meier vom BundeswehrVerband lehnte es ab, sich öffentlich zu dem Papier zu positionieren. „Ein Berufsverband wird sich jetzt in Wahljahr nicht in dieses Eckpunktepapier hineinzwängen lassen, sondern erst einmal gucken, was die neue Regierung vorhat“, sagte Meier. „Wir werden sehen, was aus diesem Eckpunktepapier nach den Bundestagswahlen herauskommt.“

Mit klaren Worten bezog Lutz Meier, Vorsitzender des mitgliederstärksten DBwV-Landesverbands West, hingegen Stellung in der Diskussion über rechtsextremistische Bestrebungen innerhalb der Bundeswehr. „Der Anteil der Extremisten in der Bundeswehr bleibt im Promillebereich“, sagte Meier. Rechtsextremistische Tendenzen seien in der Truppe sogar proportional geringer verbreitet als in der Gesamtgesellschaft. „Die Menschen in der Bundeswehr leisten mit überwältigender Mehrheit fantastische Arbeit. Das gilt ganz besonders für die Männer beim KSK. Ich konnte mich bei meinen sieben Auslandseinsätzen immer wieder davon persönlich überzeugen.“

Es habe „verschiedene Entgleisungen“ mit extremistischen Bezügen gegeben, stellte Meier fest, und „jeder einzelne Extremist gleich welcher Couleur ist einer zu viel“. Das Bundesamt für Militärischen Abschirmdienst habe wertvolle Arbeit geleistet, die Aufarbeitung der Fälle sei inzwischen fast abgeschlossen, und „die Verantwortlichen sind zu Recht aus der Bundeswehr entfernt worden“. Es habe allerdings eine „mediale Ausschlachtung dieses Themas“ gegeben, durch welche „die Soldaten des Kommandos Spezialkräfte hart getroffen“ worden seien. „Die eingeleiteten Maßnahmen an der Spitze und die Auflösung einer Kompanie hat die Soldaten dieses Verbandes bis ins Mark getroffen“, gab Meier zu bedenken – folgendes Fazit ziehend: „Die Bundeswehr braucht Spezialkräfte, aktuell in der Sicherung des Abzuges der Bundeswehr aus Afghanistan.“

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