Brommys Flagschiff „Barbarossa“. Foto: Gemeinfrei

Brommys Flagschiff „Barbarossa“. Foto: Gemeinfrei

14.06.2023
Von Frank Jungbluth

Leidenschaftlicher Streiter für Deutschlands Stärke auf See

Berlin. Gerade 14 Jahre alt war Carl Rudolph Bromme, als er 1818 seinem Elternhaus den Rücken kehrte und sich auf in die große, weite Welt machte. Seine Eltern waren verstorben: „Das Vaterhaus verließ ich – noch ein Knabe – und eilte fort, des Wissens Durst zu stillen“, hat Bromme viele Jahre später in einem autobiografischen Gedicht beschrieben. Da war der kleine Carl Rudolph aus dem Dorf Anger bei Leipzig schon ein gestandener Mann, Seeoffizier, der erste Befehlshaber einer deutschen Flotte, der Reichsflotte, deren Aufstellung am 14. Juni 1848 von der verfassungsgebenden Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche beschlossen worden war.

Es war eine Zeitenwende für die ersten deutschen Demokraten, die 1848 eine Verfassung aufgeschrieben haben, die erst 1919 Grundlage der Weimarer Republik war und dann 1949 das Fundament der Bundesrepublik Deutschland, die mit der Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai der erste deutsche demokratische Staat nach der Hitler-Barbarei und einem alles vernichtenden Weltkrieg geworden ist. Die Marine hat mit ihrem Inspekteur Vizeadmiral Jan Christian Kaack einen an der Spitze, der an die Vordenker und Pioniere der ersten deutschen Marine denkt. Auch im Jahr 2023 steuert die Marine wieder durch die Untiefen einer Zeitenwende. Seit dem Überfall Russlands auf den Nachbarn Ukraine ist die Landes- und Bündnisverteidigung wieder mehr als eine Floskel.

Die 700 Delegierten, die sich vom 18. Mai 1848 an in Frankfurt am Main versammelt hatten, waren mitnichten revolutionäre Umstürzler, sondern Bürger der deutschen Staaten und Fürstentümer, die für den ersten deutschen Nationalstaat streiten wollten. Sie wollten die Freiheit des Individuums, Pressefreiheit und andere Grundrechte, sie wollten aber auch eine schlagkräftige Armee und eine starke Flotte, um ihr neues Deutschland gegen die Feinde von außen verteidigen zu können. Eine deutsche Reichsflotte gab es nicht, die Anfänge waren schwer, aber der erste Schritt war getan, als das Thema am 14. Juni 1848 auf der Tagesordnung der Nationalversammlung stand und sich eine Mehrheit der Delegierten fand, die am Ende zu dem Beschluss kamen, insgesamt sechs Millionen Taler für die neue deutsche Marine bereit zu stellen.

Diese Parlamentarische Kiellegung ist der Geburtstag, an den Marine, Marinebund und hessische Landesregierung in Berlin mit einem parlamentarischen Abend am Mittwoch in Berlin erinnern. Wenige Monate nach dem historischen Datum machten sich die Parlamentarier ans Werk.

Patriotismus war nicht nur ein deutsches Phänomen

„Drei Millionen sofort, und die ferneren drei Millionen nach Maßgabe des Bedürfnisses, und dies auf bisher verfassungsgemäßen durch die hohe Bundesversammlung“, wie es in dem Beschluss hieß. Den hatte zuvor der Marineausschuss der Nationalversammlung zu Frankfurt gefasst, denn die Zeit drängte. Das kleine Nachbarland Dänemark drangsalierte im Sommer 1848 den Deutschen Bund mit einer Seeblockade. Man wollte schnell eine schlagkräftige Flotte, da waren auch die Bürger der deutschen Länder gefordert. In einem Spendenappell hieß es damals: „Wenn das deutsche Volk will, werden bald schwarz-rot-goldene Flaggen auf deutschen Kriegsschiffen wehen, werden bald unsere Feinde uns achten zur See, wie auf dem festen Lande.“

Die patriotische Prosa war ein Kind ihrer Zeit, was heute befremdlich wirken würde, war damals Ausdruck einer nationalen Begeisterung und Gesinnung, von der viele in der verspäteten deutschen Nation begeistert waren. Dieser – zuweilen ausufernde – Patriotismus war aber mitnichten ein deutsches Phänomen. Auch in Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten, Griechenland, das erst die Fesseln der jahrhundertelangen Besatzung und Unterdrückung durch das osmanische Reich durchschnitten hatte, wurde das Lied vom mächtigen Nationalstaat lautstark gesungen.

Eine deutsche Kriegsmarine wünschten sich Militär und Wirtschaft seit Jahrzehnten, allein, der nationale Flickenteppich aus Staaten in Deutschland verhinderte die konzertierte Aktion bis zum 14. Juni 1848. Preußen, lediglich im Besitz des kampffähigen Seglers Amazone, ersuchte sogar einen dänischen Offizier, doch den Oberbefehl über eine zu gründende Flotte zu übernehmen. Vergeblich.

Die Demokraten der 1848er-Bewegung in Frankfurt ließen dem Beschluss vom 14. Juni schnell Taten folgen. Segler und Raddampfer wurden zu einer Flotte zusammengekauft, die ihren Heimathafen in Brake an der Unterweser hatte. Karl Rudolf Bromme, der schon 1845 versucht hatte, in der preußischen Marine dienen zu dürfen, wurde im Auftrag von Marineminister Arnold von Duckwitz, einem Bremer Kaufmann, in Griechenland heimgesucht, um ihn aus den Diensten des griechischen Königs herauszulösen. Bis dahin hatte Bromme, der sich inzwischen Brommy nannte, für den Regenten gekämpft, ein Wittelsbacher aus dem Haus Bayern. Der Offizier aus Leipzig folgte dem Ruf der Nationalversammlung und nahm 1849 den Dienst als Oberbefehlshaber auf. Zuvor hatte er seine Expertise mit einem Standardwerk zur Marine bewiesen. Jetzt arbeitete er vom Flottenkommando in Brake aus Tag und Nacht für den Aufbau der ersten deutschen Seestreitkräfte.

„Das erste deutsche Kriegsschiff, das erscheint und sich vor die Mündung des Rio de la Plata legt, zeigt den dortigen zahlreichen Deutschen, daß sie nicht mehr von der Willkür eines Tyrannen ausschließlich abhängen, sondern daß hinter ihnen ein Volk von vierzig Millionen steht. (Andauerndes Bravo) […] Die Schöpfung der Flotte ist nicht bloß eine militärische Frage, eine kommerzielle Frage, sondern in höchstem Grade eine nationale Frage“, rief der preußische General Joseph von Radowitz den Delegierten in der Frankfurter Paulskirche zu.

Dänen waren auf See der Hauptgegner

Neun seetüchtige Raddampfer, zwei Segelschiffe und 27 Ruderkanonenboote, Brommys Flagschiff „Barbarossa“ an der Spitze – das war die erste Ausstattung der neuen deutschen Flotte. Auf den Schiffen diente eine internationale Mannschaft, vielen Briten und auch Belgier waren an Bord. Genug deutsche Marinesoldaten waren ad hoc nicht zu rekrutieren. Am 4. Juni 1849 kam es zum ersten und einzigen Seegefecht der Bundesflotte mit der dänischen Marine. Die war Hauptgegner zur See zu dieser Zeit. Zwischen Nord- und Ostsee wurde der Sundzoll erhoben, dänische Kriegsschiffe blockierten 1848 den Kieler Hafen. Die Bedrohung war alltäglich, vor allem auch gegen die Handelswege der deutschen Wirtschaft.

Das Scheitern der Revolution von 1848 und das Ende der verfassungsgebenden Nationalversammlung führten zur Wiederherstellung des Deutschen Bundes unter preußischer Führung ab 1851. Am 2. April 1852 wurde die Auflösung der ersten deutschen Flotte vom Bundestag in Frankfurt beschlossen. Die Schiffe wurden noch im selben Jahr – stark unter Wert – versteigert.

Am 31. März 1853 musste der Befehlshaber, der inzwischen zum Admiral aufgestiegene Karl Rudolph Brommy, den Abschlussbefehl unterzeichnen. Zum 1. April wurden alle Marinebehörden aufgelöst und das komplette Personal – mehr als 1000 Matrosen, Unteroffiziere und Offiziere – entlassen. Brommy starb 1860 verbittert in Burglesum.

Er ruht auf dem Friedhof von Kirchhammelwarden, der zur Hafenstadt Brake gehört, wo einst die Flotte vor Anker lag. Sein Sarg war mit der Flagge der „Barbarossa“ in den schwarz-rot-goldenen Farben bedeckt. „Karl Rudolf Brommy ruht in diesem Grabe. Der ersten deutschen Flotte Admiral. Gedenkt des Wackren und gedenkt der Zeiten, an schöner Hoffnung reich und bittrer Täuschung. Und welche Wendung dann durch Gottes Fügung“, steht auf seinem Grabstein geschrieben.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick