Fast 20 Jahre war die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz, hier ein Bild vom April 2013 am OP North. Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert

Fast 20 Jahre war die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz, hier ein Bild vom April 2013 am OP North. Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert

01.02.2025
Von Frederik Koch

Lehren aus knapp zwanzig Jahren Einsatz gezogen

Zum Ende der Enquete-Kommission Afghanistan ist jetzt der Abschlussbericht veröffentlicht worden.

Anfang dieser Woche, am 27. Januar, ist mit der 55. Sitzung der Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ das Ende der Arbeit der Kommission eingeläutet worden. Der fertige Bericht wurde am Folgetag der Bundestagspräsidentin übergeben. Nur wenige Tage später ist nach einer anderthalbstündigen Plenardebatte zum bereits veröffentlichten Abschlussbericht auch der letzte Tagesordnungspunkt der Enquete-Kommission im Bundestag beendet. Während die Abgeordneten die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten erneut deutlich machten, verfolgten die Sachverständigen, zu denen auch Oberst André Wüstner gehörte, die Debatte größtenteils von der Tribüne.

Eigentlich ein vorzeitiges Ende, da die Wahlperiode wegen der anstehenden Neuwahlen kürzer war als geplant. Das bedeutete in den letzten Monaten nochmals einen kleinen Schlussspurt im ohnehin nicht arbeitsarmen Betrieb der Kommissionsarbeit. Denn neben den öffentlichen Anhörungen mit den externen Sachverständigen und der eigentlich höchsten Außenwirkung, gab es mehr noch nichtöffentliche Veranstaltungen, Arbeits- und Clustergruppensitzungen, Obleutebesprechungen, fraktionsinterne Termine sowie Arbeits- und Koordinierungsbesprechungen, die in keiner öffentlich einsehbaren Tagesordnung vermerkt waren.

Auftrag an die kommende Bundesregierung

Nicht zu vergessen auch der eigentliche Arbeitsteil der Enquete-Kommission: Die Erstellung eines Zwischen- und eines Abschlussberichtes, die der eigentliche Arbeitsnachweis sind und gleichzeitig den schriftlich fixierten Auftrag an die kommende Bundesregierung und Mitglieder des Bundestages darstellt. Hier waren die Sachverständigen, die Bundestagsabgeordneten sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Personal der Fraktionen sowie des Bundestagssekretariats mehr als zwei Jahre gefordert, um die Arbeit hinter den Kulissen voranzubringen. Neben der reinen Schreibarbeit betraf das insbesondere die Vor- und Nachbereitung der Sitzungen, eine umfassende Recherche sowie die Koordinierung unter den verschiedenen Mitgliedern und sachverständigen Gästen. Aber auch der Austausch mit den jeweiligen Fraktionsführungen, mit den Repräsentanten und Referenten der Bundesregierung, mit unabhängigen Experten oder Vertretern der Zivilgesellschaft, war umfassend und brauchte ausführliche Absprachen und damit entsprechende Zeit und Aufwand. Eines ist sicher: Für keinen einzigen der Beteiligten dürfte es langweilig geworden sein.

Die gesamte Arbeit der Kommission war in zwei Phasen aufgeteilt: In einer ersten Phase ging es um die Aufarbeitung der Lehren aus knapp zwanzig Jahren Einsatz in Afghanistan. Diese endete bereits mit dem Zwischenbericht vor knapp einem Jahr. In der darauffolgenden Zeit ging es dann allgemeiner um mögliche zukünftige Anpassungen beim integrierten Ansatz der deutschen Sicherheitspolitik, ob wünschenswert oder erforderlich, aufgrund der in Afghanistan gemachten Erfahrungen. Trotz der am Ende – nach bereits anders vereinbartem Zeitplan – um zwei Monate verkürzten Arbeit der Enquete-Kommission, konnten einige wichtige Schwerpunkte gemeinsam für das Lastenheft zukünftiger Bundesregierungen erarbeitet werden.

Die Empfehlungen im Abschlussbericht lassen sich in folgende Hauptkategorien zusammenfassen:

  • Institutionelle und organisatorische Vorschläge für eine bessere Vorbereitung,
  • eine bessere personelle und materielle Ausstattung für die Einsätze,
  • eine effizientere Koordinierung innerhalb der Bundesregierung sowie
  • eine stärkere parlamentarische Kontrolle.

Neben der allgemeinen Formulierung, dass zukünftig von der Bundesregierung ausformulierte Strategien inklusive erforderlicher Exitstrategien bei Einsätzen im Rahmen des Integrierten Ansatzes erwartet und (Bündnis-)Partner besser eingebunden werden, gibt es im Bericht auch sehr konkrete Forderungen hinsichtlich einer institutionellen Verbesserung im Zusammenspiel aus Regierung, Parlament und Zivilgesellschaft. So sollen Monitoring- und Evaluationsstrukturen sowie der breitere Aufbau einer gemeinsamen Wissensbasis dafür sorgen, zukünftig besser auf Einsätze im Rahmen des Integrierten Ansatzes vorbereitet zu sein. Entweder ein gemeinsamer Kabinettsausschuss oder aber ein erweiterter und intensivierter Sicherheitspolitischer Jour Fixe auf Staatssekretärsebene, jeweils unterfüttert mit einem gemeinsamen Lagezentrum könnten der Bundesregierung helfen, die praktische Vernetzung der Ressorts besser zu bewerkstelligen. Zudem würde ein eingestufter jährlicher Bericht dazu beitragen, das gemeinsame Wissen der Bundesregierung zur sicherheitspolitischen Lage und strategischen Vorausschau mit den Abgeordneten im Bundestag zu teilen und diese inhaltlich mitzunehmen. Dort, im Parlament, wiederum würde ein eigenständiger (Unter-)Ausschuss für vernetzte Einsätze eine spiegelbildliche, institutionelle Verankerung der verschiedenen Fachausschüsse ermöglichen.

Im Abschlussbericht werden künftige Bundesregierungen, Fraktionen des Bundestages und die Zivilgesellschaft dazu aufgerufen, die gemachten Empfehlungen zu berücksichtigen, zu erweitern, zu kommentieren oder darauf zurückzugreifen. Sinnvoll, so der Bericht weiter, wäre es, wenn schon in der kommenden Wahlperiode eine Überprüfung stattfände, inwieweit diese Empfehlungen eine Rolle für die sie betreffenden Ressorts spielen könnten.

Zentrale Forderungen des BundeswehrVerbandes

Eine Vielzahl der Empfehlungen, die sich insbesondere mit einem besseren Zusammenwirken im Rahmen des Internationalen Konfliktmanagements (IKM) auseinandersetzen, umfassen auch einige zentrale Forderungen des Deutschen BundeswehrVerbandes, insbesondere was die Verbesserung der Vor- und Nachbereitung, aber auch die Durchführung der Einsätze in einem ressortübergreifenden Ansatz betrifft. Aber auch das Thema Anerkennung und Wertschätzung wurde in der Enquete-Kommission mehrfach aufgeworfen und führte unter anderem – direkt wie indirekt – zu einer noch breiteren Akzeptanz der Parlamentarier für Bundeswehrthemen.

Dass es nun auch in der verkürzten Zeit mit einem gemeinsamen Bericht im gemeinschaftlichen Zusammenspiel funktioniert hat, spricht für das Zusammenwirken über Fraktionsvorbehalte, Parteigrenzen oder Einzelbefindlichkeiten hinweg. Die Berücksichtigung unabhängiger Sachverständiger sowie der zielgerichtete, konstruktive Gedanke aller Beteiligten sprechen für dieses besondere Format parlamentarischer Arbeit, das sich so erstmalig mit einem sicherheitspolitischen Thema auseinandergesetzt hat. Neben der eigentlichen Arbeit der Enquete-Kommission, der Aufarbeitung sowie dem Herausarbeiten von Empfehlungen, war somit auch die Art und Weise der Durchführung eine Werbung für zukünftige sicherheitspolitische Sachverhalte. Last but not least war es ein neuerlich deutliches Zeichen für die besondere Form der Vernetzung und Bedeutung des Deutschen BundeswehrVerbandes im politischen Berlin.

Neben dem Abschlussbericht der Enquete-Kommission war Afghanistan in dieser Woche ein weiteres Mal Thema im Bundestag: Im Plenum wurde auch über den Abschluss der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss debattiert. Aufgabe dieses Ausschusses ist es, die Umstände des Abzuges aus dem Einsatzgebiet und den Umgang mit afghanischen Ortskräften aufzuklären.

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