Ein ukrainischer Soldat raucht nahe der Stadt Charkiw neben einem Schützenpanzer eine Zigarette. Das Gebiet um die Stadt im Nordosten des Landes, unweit der Grenze zu Russland, ist seit Beginn der russischen Aggression schwer umkämpft. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Andrew Marienko

Ein ukrainischer Soldat raucht nahe der Stadt Charkiw neben einem Schützenpanzer eine Zigarette. Das Gebiet um die Stadt im Nordosten des Landes, unweit der Grenze zu Russland, ist seit Beginn der russischen Aggression schwer umkämpft. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Andrew Marienko

26.02.2022
Yann Bombeke/mit Material von dpa

Deutschland liefert Panzerabwehrwaffen und "Stinger" an die Ukraine

Neuer Kurs der Bundesregierung: Deutschland wird der Ukraine Panzerabwehrwaffen und "Stinger"-Fliegerfäuste liefern.  Unterdessen wird in vielen Teilen der Ukraine weiter gekämpft. Die russische Armee stößt offenbar vielerorts auf erbitterten Widerstand.

Kurswechsel beim Thema Waffenlieferungen: Die Bundesregierung hat laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit die Ausfuhr von 1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Luftabwehrraketen vom Typ "Stinger" aus Bundeswehrbeständen in die Ukraine gebehmigt. "Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende. Er bedroht unsere gesamte Nachkriegsordnung", erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz. "In dieser Situation ist es unsere Pflicht, die Ukraine nach Kräften zu unterstützen bei der Verteidigung gegen die Invasionsarmee von Wladimir Putin. Deutschland steht eng an der Seite der Ukraine."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich erfreut über die angekündigte Lieferung deutscher Waffen. "Deutschland hat gerade die Lieferung von Panzerabwehr-Granatwerfern und Stinger-Raketen an die Ukraine angekündigt. Weiter so, Kanzler Olaf Scholz", schrieb Selenskyj am Samstagabend auf Twitter. "Die Anti-Kriegs-Koalition handelt!"

Bereits zuvor war den Niederlanden genehmigt worden, 400 Panzerabwehrwaffen aus deutscher Produktion an die Ukraine abzugeben. Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz wurde am Samstag zudem die Ausfuhr von 14 sondergeschützten gepanzerten Fahrzeugen für die Ukraine genehmigt. Die Fahrzeuge dienten dem Personenschutz, gegebenenfalls auch Evakuierungszwecken, hieß es. Sie sollen an ukrainische Dienststellen übergeben werden. Zudem soll bis zu 10.000 Tonnen Treibstoff über Polen in die Ukraine geliefert werden. Weitere Unterstützungsleistungen würden derzeit geprüft. Nach Angaben der Nachrichtenagentur DPA hat die Bundesregierung nun auch Estland die Ausfuhr der alten Haubitzen aus NVA-Beständen in die Ukraine genehmigt.

Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck (beide Grüne) erklärten hierzu: „Nach dem schamlosen Angriff Russlands muss sich die Ukraine verteidigen können. Sie hat ein unabdingbares Recht auf Selbstverteidigung. Die Bundesregierung unterstützt daher die Ukraine auch bei der Ausstattung mit dringend benötigtem Material.“

Ausgangssperre in Kiew

Unterdessen gehen die Kämpfe in der Ukraine weiter. Die Hauptstadt Kiew bereitet sich auf eine weitere Nacht mit russischen Angriffen vor: So gilt von Samstag 17 Uhr bis Montag 8 Uhr eine Ausgangssperre. Damit wollen die Verteidiger die Aktivitäten russischer Saboteure und Aufklärer erschweren. Präsident Wolodymyr Selenskyj berichtete in einer Videobotschaft über andauernde Kämpfe in Kiew und anderen Landesteilen. Russische Truppen wollten das Stadtzentrum von Kiew einnehmen und „hier ihre Marionetten installieren“, warnte er. „Mehr als 100 000 Eindringlinge sind in unserem Land“, schrieb das Staatsoberhaupt am Samstag bei Twitter. „Sie schießen heimtückisch auf Wohngebäude.“ Er appellierte an den UN-Sicherheitsrat, die Ukraine dringend politisch zu unterstützen.

Aus der Stadt wurden Gefechte gemeldet, unter anderem um ein Heizkraftwerk und eine Kaserne der ukrainischen Streitkräfte. Bilder zeigten Treffer in einem Wohngebäude. Die ukrainischen Behörden warnten: „Auf den Straßen unserer Stadt laufen jetzt Kampfhandlungen. Wir bitten darum, Ruhe zu bewahren und maximal vorsichtig zu sein!“ Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko betonte aber, die Hauptstadt sei weiter in ukrainischer Hand.

Die ukrainische Armee forderte die Bevölkerung auf, den russischen Vormarsch mit allen Mitteln zu stoppen. „Fällt Bäume, baut Barrikaden, verbrennt Reifen! Nutzt alles, was Ihr zur Hand habt!“, zitierte die Agentur Unian aus einer Mitteilung. Auch der Bau sogenannter Molotow-Cocktails könne helfen. „Die Besatzer müssen verstehen, dass sie hier nicht erwünscht sind und dass ihnen in jeder Straße Widerstand geleistet wird“, hieß es weiter.

Schwere Kämpfe werden aus dem Süden des Landes gemeldet, so soll die Hafenstadt Mariupol heftig umkämpft sein. Auch im Norden, in der Region Charkiw, stoßen die russischen Invasoren offenbar auf erbitterten Widerstand der ukrainischen Streitkräfte.

Deutschland bereitet sich auf Flüchtlinge vor

Immer mehr flüchtende Menschen kommen in den Nachbarländern der Ukraine an. Allein in Polen sollen sich schon mehr als 100.000 vor dem Krieg in Sicherheit gebracht haben. Lange Schlangen sind auch an den Grenzübergängen nach Rumänien oder in die Republik Moldau zu beobachten.

In Deutschland kamen erste Flüchtende an, ihre Zahl war aber zunächst noch gering. Ukrainische Bürger können ohne Visum in die EU einreisen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) geht davon aus, dass bereits vor Beginn der russischen Invasion 860 000 Binnenflüchtlinge im Land unterwegs waren. Die Zahl sei nun gestiegen, seriöse Schätzungen zur Zahl der Binnenflüchtlinge seit Kriegsbeginn seien aber bisher nicht möglich. Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Freitagabend über die mögliche Aufnahme von Flüchtlingen beraten. Allein Brandenburg macht sich nach den Worten von Ministerpräsident Dietmar Woidke bereit für mindestens 10.000 Ukraine-Flüchtlinge in den nächsten Tagen.

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