Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrer Ankunft in Sofia. Foto: picture alliance/dpa/Carsten Hoffmann

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrer Ankunft in Sofia. Foto: picture alliance/dpa/Carsten Hoffmann

16.07.2020
yb/mit Material von dpa

Kramp-Karrenbauer auf Werbetour für den strategischen Kompass der EU

Berlin. Bedrohungen sind ein subjektives Empfinden. Ein Mensch, der in einem direkt neben einem Vulkan lebt, nimmt diesen als direkte Bedrohung wahr. Für seinen Freund, der 200 Kilometer entfernt wohnt, ist die Bedrohung durch den Vulkan eher abstrakt. Ähnlich ist es in der EU: Was bedrohlich ist und was nicht, nehmen die Mitgliedstaaten unterschiedlich wahr. Das will die Verteidigungsministerin ändern. Im Zuge der deutschen EU-Ratspräsidentschaft strebt sie eine gemeinsame Bedrohungsanalyse für die Union an. Das Ziel ist jetzt schon mehrfach genannt worden: Es geht um einen strategischen Kompass der EU.

Für dieses Vorhaben warb Annegret Kramp-Karrenbauer zunächst per Videoschaltung bei den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments: Welche sicherheits- und verteidigungspolitischen Prioritäten die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorsieht, erläuterte die Ministerin vor den Mitgliedern des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, Gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik (AFET) sowie dem Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE).

Auch wenn jetzt der deutsche EU-Ratsvorsitz im Zeichen der Corona-Krise steht: So neu sind die formulierten Ziele nicht. Dass Europa im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik handlungs- und widerstandsfähiger und die Zusammenarbeit zwischen EU und Nato verbessert werden soll, sind Vorhaben, die im Prinzip Jahr für Jahr auf der To-do-Liste stehen.

Mit der angestrebten Bedrohungsanalyse legt Kramp-Karrenbauer den Fokus auf Russland. Derzeit gebe es in der Union unterschiedliche Einschätzungen, wie die Bedrohung durch den großen Nachbarn im Osten wahrgenommen wird. In der Reichweite neuer russischer Raketensysteme liegen das Baltikum, osteuropäische Staaten und Teile Deutschlands – andere Mitgliedstaaten wie Italien oder Spanien aber nicht, was die unterschiedlichen Wahrnehmungen verdeutlicht. Die Verteidigungsministerin hatte zuvor auch die zunehmende Einflussnahme Russlands an der Süd- bzw. Südostflanke der EU ins Feld geführt, ebenso ein „spürbar aggressives Verhalten“, das etwa beim Air Policing der Nato im Baltikum sichtbar werde.

So erstaunt es wenig, dass sich Kramp-Karrenbauer als erstes Ziel für eine Auslandsreise nach mehreren Monaten der Corona-Pandemie am 15. Juli ausgerechnet Polen ausgesucht hat: Dort, in unmittelbarer Nähe zu Russland, rennt die Ministerin mit ihren Bedrohungsanalysen praktisch offene Türen ein. „Die Frage der polnischen Sicherheit ist eine Frage für Deutschland und umgekehrt“, sagte Kramp-Karrenbauer laut der Nachrichtenagentur „dpa“. Die Nato und insbesondere die transatlantische Beziehung sei der Eckstein der Sicherheitsarchitektur. „Wir waren uns auch einig, dass wir weiter daran arbeiten müssen, die europäische Säule innerhalb der Nato zu stärken, und dass wir hier zu noch engerer Zusammenarbeit kommen, als das bisher der Fall ist“, sagte die Ministerin.

Am Donnerstag (16. Juli) reist Kramp-Karrenbauer weiter nach Bulgarien, wo sie ihren Amtskollegen Krassimir Karakatschanow treffen wird. Der bulgarische Verteidigungsminister ist Chef der nationalistischen Partei WMRO und gilt als Russland-Freund. Ein gutes Verhältnis zu Russland pflegt auch Ungarn, das Kramp-Karrenbauer im Anschluss besuchen will. In diesen Staaten wird sich zeigen, wie erfolgreich der Auftakt zur Werbetour der Ministerin in Sachen Bedrohungsanalyse sein wird.

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